Kinotipp der Woche: Machen wir's kurz

Zum Kurzfilmtag am 21. Dezember zelebriert Berlin die unterbewertete Kunstform des Shorts. In Kinos und anderen Spielstätten, von AWO bis AGB.

Zwei Arbeiter:innen in einer Großwäscherei stehen bei der Pause mit dem Rücken zur Kamera in einem Türbogen und rauchen

Hel­d:in­nen der Arbeit in “Wäscherinnen“ (1972) von Jürgen Böttcher Foto: Werner Kohlert; (c) DEFA Stiftung / Horst Sperber

Der Kurzfilm hat es nicht leicht. Die Zeiten, in denen es ihn auch mal im Kinovorprogramm gegeben hat, sind längst vorbei. Deutsche Regisseure und Regisseurinnen räumen immer mal wieder den Oscar für den besten Kurzfilm ab, das kriegt aber niemand mit, weil das Format kaum öffentliche Aufmerksamkeit erfährt. Gelegentlich bekommt der Filmshortie auch mal einen Auftritt als Bonus auf einer DVD, immerhin. Und zumindest einmal im Jahr hat er bei den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen einen großen Auftritt, dann gehört die große Kinoleinwand mal ausschließlich ihm.

Alles in allem aber ist der Kurzfilm eine unterbewertete Kunstform. Dafür spricht eigentlich so viel für ihn. Denn selbst die größten Regisseure und Regisseurinnen haben im Normalfall einmal klein angefangen. Auch Kurzfilme zählen zu ihrem Gesamtwerk, was man zumindest als Cineast im Blick haben sollte. Kurzfilme unterliegen in der Regel auch keinem mit dem langen Format vergleichbaren kommerziellen Druck. Sie bieten also Raum für Experimente, was bei der Erschaffung von Filmkunst eigentlich nie schlecht ist.

Um zu zeigen, was er so kann, der Kurzfilm, wurde vor 11 Jahren in Frankreich der Kurzfilmtag aus der Taufe gehoben, seit 2012 gibt es ihn auch bei uns. Am 21. Dezember werden also überall in Deutschland, in Kinos genauso wie in anderen Spielstätten, Filme im Kurzformat gezeigt. In Berlin ist in diesem Jahr unter anderem das Begegnungszentrum der AWO in der Adalbertstraße mit dabei, das Haus der Begegnung in Köpenick, die Amerika-Gedenkbibliothek und außerdem Kinos wie das City Kino Wedding, Sputnik, Lichtblick und Brotfabrik. An all diesen Orten wird kurz vor Weihnachten das Kurzformat einen Tag lang ganz groß präsentiert.

Kurzfilmtag: 21. Dezember, verschiedene Spielorte, Programm: kurzfilmtag.com

In der Brotfabrik wurde das Kurzfilmprogramm „Hel­d:in­nen der Arbeit“ kuratiert. Hier werden Portraits von Menschen mit ganz unterschiedlichen Jobs präsentiert. „Demnächst hier“ (1994) von Thomas Freundner etwa zeigt ein Lichtspielhaus in der Kleinstadt, das von einem älteren Ehepaar betrieben wird. Das Kino wird hier zum Treffpunkt der Jugend in einem Kaff, in dem sonst nichts los ist. Und Tag für Tag werden hier Filmrollen in den Projektor gefummelt, auch wenn sich die ganze Sache finanziell immer weniger lohnt.

Hel­d:in­nen der Arbeit

In der DDR-Dokumentation “Wäscherinnen“ (1972) von Jürgen Böttcher wiederum wird der Alltag von Auszubildenden in der Großwäscherei Revatex gezeigt, aus denen bald Textilreinigungsfacharbeiterinnen werden sollen.

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

„Sortieren, zeichnen, waschen, bügeln, mangeln, packen“, daraus besteht, so fasst es der Erzähler zusammmen, ihr Job – und tut das heute wahrscheinlich immer noch. Wissen manche ja gar nicht so genau, da Wäscherinnen im Allgemeinen weit seltener zu ihrem Beruf befragt werden, als beispielsweise Schauspielerinnen oder Nachwuchs-Popstars.

In der AGB wiederum wurden Kurzfilme aus dem Archiv der Deutschen Kinemathek über den Alltag in Berlin ausgegraben. Über einen Alltag mit ganz schön viel historischem Patina freilich. In „Linie 8“ (1983) etwa werden Fahrten in der U8 von Neukölln nach Wedding begleitet, während denen die berühmten stillgelegten „Geisterbahnhöfe“ in Ostberlin passiert werden.

Man fährt hier also mit durch ein längst vergangenes Mauerstadt-Berlin. In dem treibt sich auch Harun Farocki in seinem von vielfältiger Musik unterlegten Studie „Der Geschmack des Lebens“ (1979) herum und hält überall die Kamera drauf, wo er denkt, hier gebe es etwas zu sehen. Er beobachtet beispielsweise einen kleinen Auffahrunfall, blickt auf die Front eines Kiosks oder schaut einem Bettler bei der Arbeit zu.

Nichts passiert und doch passiert ständig irgendetwas in diesem Kurzfilm, der nebenbei einen weiteren Vorteil des Formats zeigt: 120 Minuten lang muss dieser Streifzug durch die Stadt nicht unbedingt dauern, aber kurze 30 Minuten lang macht er riesigen Spaß.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.