Kommentar Anschlag in London: Wir sollten Angst haben

Der Angriff in London war nicht zu verhindern. Bei aller verständlichen Trauer und Wut gilt es auch, die Verhältnismäßigkeit im Blick zu behalten.

Theresa May an einem Rednerpult

Theresa May nach dem Anschlag Foto: ap

Die Details sind zwar noch nicht bekannt, aber die Hinweise verdichten sich, dass es sich beim Anschlag in London, bei dem vier Menschen starben und mehr als 40 verletzt wurden, um eine Tat mit islamistischem Hintergrund handelt.

Das Attentat war genauso wenig zu verhindern, wie es die vorigen Anschläge in Paris, Brüssel und Berlin waren – oder die künftigen Anschläge in anderen europäischen Städten sein werden. Wenn Autos und Küchenmesser zu Waffen des Terrorismus werden, ist man machtlos. Die ersten politischen Reaktionen auf den Anschlag in London spiegelten das wider: business as usual. Wir haben keine Angst.

Man sollte aber Angst haben. Nach den Anschlägen von Paris und Brüssel hat die damalige Innen- und jetzige Premierministerin Theresa May die bürgerlichen Grundrechte in Großbritannien stark eingeschränkt. Es ist damit zu rechnen, dass sie diese Politik nun verschärft. Natürlich herrscht jetzt erst einmal Betroffenheit vor. Einige britische Zeitungen und auch Bundesaußenminister Sigmar Gabriel bezeichneten den Anschlag gar als Angriff auf das „Herz der Demokratie“.

Selbst wenn man diese Äußerung unter dem Eindruck der verheerenden Bilder aus London betrachtet, ist Westminster sicher nicht das Herz der Demokratie. Man muss gar nicht weit in die Geschichte zurückgehen, um daran Zweifel zu haben: Die von oben abgesegnete Teilnahme britischer „Sicherheitskräfte“ an Morden politisch unliebsamer Personen und die Folter von Gefangenen wurde in Nordirland geübt und später im Irak und Afghanistan perfektioniert. Demokratie ist für solcherlei Praktiken sicher nicht das richtige Wort.

Weltweit liegt der Anteil der Anschläge in Europa in den vergangenen 15 Jahren übrigens bei 0,3 Prozent. Mehr als 31 Prozent aller Anschläge fanden hingegen im Irak statt. Bei aller verständlichen Trauer, Wut und Empörung gilt es jetzt auch, die Verhältnismäßigkeiten im Blick zu behalten.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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