Letzte Generation-Blockadeorte geleakt: Erfüllungsgehilfe der Polizei

Bild und B.Z. haben geheime Blockadeorte der Letzten Generationen veröffentlicht. Womöglich half das der Polizei, Blockaden zu verhindern.

Ein Kameramann filmt einen orangefarbenen Farbkleckse

Immer im medialen Fokus: Die Letzte Generation Foto: dpa

Berlins Polizei hat am Montag erstmals in nennenswertem Umfang Blockadeaktionen der Letzten Generation verhindert. Zwar gab es über den Tag etwa 40 Straßenblockaden, in 8 Fällen aber konnten Po­li­zis­t:in­nen frühzeitig einschreiten, 5 Blockaden wurden bereits am Morgen verhindert. Zurückzuführen ist das möglicherweise auf die Erfahrungswerte über neuralgische Orte und die verstärkte Präsenz mit Zivilkräften. Eventuell hat die Polizei ihren Erfolg aber noch einem anderen Akteur zu verdanken: Springer.

Die Zeitungen Bild und B.Z. veröffentlichten am Montagmorgen um 7.14 Uhr eine Liste mit 22 geplanten Blockadeorten, von der A100 Beusselstraße bis zur Schönhauser Allee, aufgeführt mit genauen Koordinaten. Die ursprüngliche Überschrift des B.Z.-Artikels: „Hier wollen die Klima-Kleber am heute morgen blockieren“ (Fehler im Original).

Die Ortsangaben stammten von der Letzten Generation selbst: Am Vorabend hatte diese ausgewählten Jour­na­lis­t:in­nen einzelne oder mehrere Blockadeorte und die Startzeit 7.15 Uhr mitgeteilt – stets mit dem Hinweis versehen: „Bitte halten Sie diesen Ort streng geheim und geben ihn unter keinen Umständen öffentlich weiter.“ Möglicherweise erreichtenn diese Informationen die Springer-Redaktion über Umwege.

Mit der Veröffentlichung der Orte, noch bevor sich dort Blockaden bilden konnten, hat Springer nicht nur diese Verabredung gebrochen und damit journalistische Standards verletzt, sondern sich auch zum Erfüllungsgehilfen der Polizei gemacht.

Konkret hatten die eingesetzten Be­am­t:in­nen noch 11 Minuten Zeit, die Informationen zu verwerten. Denn verhindert wurden die Blockaden ab 7.25 Uhr, wie die Polizei auf taz-Anfrage mitteilte. Mindestens an drei der öffentlich benannten Örtlichkeiten war die Polizei den Ak­ti­vis­t:in­nen voraus. Die Liste von Springer habe man „selbstverständlich zur Kenntnis genommen“, sagt die Polizeisprecherin. Gleichwohl seien Polizeikräfte ohnehin an den genannten Örtlichkeiten präsent gewesen. Dass die genauen Koordinaten trotzdem eine Hilfe waren, ist zumindest nicht auszuschließen.

Springer als politischer Akteur

Springer versucht, die Auflistung als Service für Autofahrer:innen, als „Information für die Berlinerinnen und Berliner“ hinzustellen, wie ein Unternehmenssprecher auf Anfrage sagte: „Inwieweit durch diese Informationen die Polizei Blockaden verhindern konnte, ist uns nicht bekannt“, heißt es. Man darf dabei getrost davon ausgehen: Es wäre für Springer kein Problem und wurde genauso einkalkuliert. Überraschend ist das nicht für ein Medienhaus, das Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen – „Klima-Chaoten“ – regelrecht bekämpft und verhöhnt, die Polizei aber gegen jede Kritik verteidigt.

Springers Bestreben, selbst Politik zu machen, schadet nicht nur der Klimapolitik, sondern auch dem Journalismus. Denn dieser verliert auf diese Weise weiter an Vertrauen. Leidtragende sind auch andere Journalist:innen, gerade auch freie Fo­to­gra­f:in­nen, die angewiesen sind auf vertrauliche Infos ihrer Quellen und damit ihr Geld verdienen müssen. Dieser Informationsfluss aber wird gefährdet, wenn die Weitergabe für Ak­ti­vis­t:in­nen eine Gefahr bedeutet. Danke Springer.

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Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".

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