Möglicher Putschversuch in Niger: Europas letzter Freund in Gefahr

Der demokratische und proeuropäische Präsident Bazoum wurde von seiner Garde festgesetzt. Die Lage in der Hauptstadt ist unübersichtlich.

Staatspräsident Mohamed Bazoum sitzt in vor Nigers Flagge auf einem Stuhl.

Nigers Präsident Mohamed Bazoum in besseren Zeiten: im April wartete er hier auf Annalena Baerbock Foto: Kay Nietfeld

BERLIN taz | In Niger, dem aktuell wichtigsten militärischen Partner des Westens in der afrikanischen Sahelzone, haben am Mittwoch Anzeichen eines beginnenden Militärputsches Besorgnis erregt. Berichten zufolge riegelte die Präsidialgarde am frühen Morgen den Amtssitz von Präsident Mohamed Bazoum in der Hauptstadt Niamey ab und setzte ihn fest. Am Mittag bestätigte das Präsidialamt auf sozialen Medien, eine „antirepublikanische Laune“ habe Teile der Garde ergriffen, aber dem Präsidenten und seiner Familie gehe es gut. „Die Armee und die Nationalgarde stehen bereit, um die an dieser Laune beteiligten Elemente der Präsidialgarde anzugreifen, sollten sie sich nicht eines Besseren besinnen.“

Während Augenzeugen in Niamey zunächst keine besonderen Militärbewegungen erkennen konnten, meldeten Journalisten später am Tag, schwerbewaffnete Soldaten hätten Position am Staatsrundfunk bezogen – mutmaßlich loy­ale Armeeeinheiten, die einer Machtergreifung von Putschisten entgegentreten sollen. Es zirkulierten Bilder von Militärkolonnen außerhalb Niameys auf dem Weg in die Hauptstadt sowie Aufrufe an die Bevölkerung, auf die Straße zu gehen und Unterstützung für die Demokratie zu bekunden. Die Afrikanische Union verurteilte am Nachmittag den „Putschversuch“ und forderte die unverzügliche Rückkehr der „treulosen Soldaten“ in die Kasernen.

Es gebe zwischen Regierung und Präsidialgarde Gespräche, hieß es in Medienberichten. „Am Ende der Gespräche hat die Präsidialgarde sich geweigert, den Präsidenten freizulassen, und die Armee hat ein Ultimatum gestellt“, zitierte die Nachrichtenagentur AFP eine anonyme Quelle im Präsidialamt. Am Nachmittag meldeten andere lokale Quellen, Bazoum habe sich geweigert, eine Rücktrittserklärung zu unterschreiben.

„Was auch immer am Ende des Tages herauskommt, es zeigt die Grenzen staatlicher westlicher Intervention“, schrieb auf Twitter Ulf Laessing, der in Mali arbeitende langjährige Leiter des Sahel-Programms der Konrad-Adenauer-Stiftung, der erst vor wenigen Tagen ein Büro in Niamey eröffnete. In Niamey geben sich militärische Partner aus westlichen Ländern und die von deren Präsenz abhängigen Experten und Entwicklungsorganisationen momentan die Klinke in die Hand: Seit in Mali und Burkina Faso Militärputschisten regieren, die zumindest in Mali eng mit Russland verbündet sind, ist Niger das letzte Land der Region, das noch ausländische Militärmissionen etwa der EU oder der USA toleriert.

Zusammenarbeit mit der EU

Nigers Präsident Bazoum ist als einziger Präsident der Sahelzone sowohl demokratisch gewählt als auch offen für eine enge militärische Zusammenarbeit mit Europa im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus.

Erst Anfang Juli hatte die EU 100 Millionen Euro Militärhilfe für Niger freigegeben und der EU-Chefaußenpolitiker Josep Borrell hatte bei einem Besuch in Niamey gesagt, Niger sei in Afrika das Partnerland Nummer eins. Auch die deutsche Bundeswehr verlagert momentan ihre Aktivitäten in der Sahelzone komplett aus Mali nach Niger.

Niger ist eines der ärmsten Länder der Welt. Massive internationale Zuzüge haben in Niamey zuletzt die Preise hochschnellen lassen und gigantische Zusagen von Militärhilfe nähren gemeinhin Verteilungskämpfe.

Die Region hat zuletzt zahlreiche Militärputsche erlebt: in Mali 2020 und 2021, in Guinea 2021, in Burkina Faso zweimal im Jahr 2022. Anfänglich stießen sie noch auf Wohlwollen in der Bevölkerung, aber die Putsch­neigung ist zuletzt abgekühlt. Niger hat selbst schon zu viele Putsche hinter sich, als dass eine Wiederholung auf breite Unterstützung zählen könnte.

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