Staatsstreich in Niger: Aufs falsche Pferd gesetzt

Der Westen hatte Niger immer als stabil und demokratisch gepriesen. Jetzt hat das Militär die Macht ergriffen und damit offenbart, wie falsch dieses Bild war.

Männer halten eine russische Fahne

Anhänger der putschenden Soldaten halten eine russische Flagge in Niamey Foto: Sam Mednick/ap

Nun hat es Niger getroffen, den in Europa gepriesenen „Stabilitätsanker“ im Sahel. Auch wenn Präsident Mohamed Bazoum seinen Rücktritt noch nicht offiziell bekannt gegeben hat, ist klar: Er wird sich nicht an der Staatsspitze halten können.

Daran werden auch geplante Vermittlungsgespräche im Rahmen der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas nichts ändern. Westafrika muss sich auf ein weiteres Land ohne gewählte Regierung einstellen, aus dem schon jetzt deutliche Worte in Richtung Ausland kommen: Eine militärische Einmischung von außen könne desaströse Konsequenzen haben.

Damit hat gerade Europa wieder einmal aufs falsche Pferd gesetzt. Dass Bazoums Regierung seit dessen Amtsübernahme im Jahr 2021 die große Bedeutung des Antiterrorkampfs und der internationalen Zusammenarbeit regelmäßig betont hat, ist durchaus glaubwürdig. Was man aber in Europa nicht sehen wollte, war die Instabilität des Landes.

Seit Jahren verüben in der Region Tillabéri islamistische Gruppierungen regelmäßig Anschläge. Spätestens 2020, als bei einem Anschlag im Giraffenreservat, nur eine Autostunde von der Hauptstadt Niamey entfernt, acht Menschen ermordet wurden, hätte klar sein müssen, wie desaströs die Sicherheitslage bereits ist. Eine extrem junge Bevölkerung von durchschnittlich nicht einmal 15 Jahren verbunden mit großer Perspektivlosigkeit – Niger belegt im Entwicklungsranking der Vereinten Nationen Platz 189 von 191 – trägt nicht gerade zur Stabilisierung bei.

Desaströse Menschenrechtssituation

Dazu wurden die Rechte von Zivilgesellschaft, Jour­na­lis­t:in­nen und Stimmen der Opposition in den letzten Jahren immer mehr eingeschränkt. Da hilft es nicht, unermüdlich zu betonen, dass Bazoums Wahl der erste demokratische Wechsel an der Staatsspitze überhaupt war. Ohnehin hatte es im Rahmen der Wahlen zahlreiche Fälschungsvorwürfe gegeben.

Unterschätzt wurde auch die zunehmende Kritik an internationaler militärischer Präsenz – allen voran der französischen –, die durch bewusste Fehlinformationen in sozialen Netzwerken angeheizt wurde.

Wie beliebt oder unbeliebt Bazoum im eigenen Land zuletzt war, lässt sich nicht sagen, weil es dazu keine Umfragewerte gibt. Gut möglich, dass er vor allem das Opfer interner Machtkämpfe geworden ist und durchaus glaubwürdig zur Stabilität in der Region beitragen wollte.

Für die internationale Gemeinschaft gilt allerdings: Sie hat viele Realitäten nicht erkannt oder nicht sehen wollen und ein Land als stabil und demokratisch bejubelt, das es nie wirklich war.

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Nach dem Abitur im Münsterland bereiste sie zum ersten Mal Südafrika und studierte anschließend in Leipzig, Helsinki und Kopenhagen Journalistik und Afrikanistik. Nach mehreren Jahren im beschaulichen Schleswig-Holstein ging sie 2010 nach Nigeria und Benin. Seitdem berichtet sie aus ganz Westafrika – besonders gerne über gesellschaftliche Entwicklungen und all das, was im weitesten Sinne mit Religion zu tun hat.

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