Nach Rücktritt des Premierministers: Transkriptionsfehler in Portugal

Premier Costa wurde der Korruption verdächtigt. Nun stellt ich heraus: Es gab offenbar eine Verwechslung. Das Parlament wurde inzwischen aufgelöst.

Portrait von Antonio Costa

Portugals scheidender Premierminister António Costa bei einer Pressekonferenz am 11. November Foto: Armando Franca/ap

MADRID taz | „Erstmals in der Geschichte unserer Freiheit beobachten wir eine schwerwiegende negative Verbindung zwischen Justiz und Politik“, bringt die Autorin Cândida Almeida in ihrer Kolumne „Die erstickte Demokratie“ in der Tageszeitung Jornal de Notícias zum Ausdruck, was viele ihrer portugiesischen Landsleute denken.

Die Staatsanwaltschaft musste einen schweren Verfahrensfehler einräumen. Der angebliche Beweis, dass der sozialistische Premier António Costa in mutmaßliche Korruptionsfälle bei der Vergabe von Lizenzen für Lithiumbergwerke und andere Großprojekte verstrickt ist, beruht auf der fehlerhaften Abschrift eines abgehörten Telefongespräches.

Dort war nicht – wie behauptet – von Premier António Costa die Rede, sondern von Wirtschaftsminister António Costa Silva. Die Ermittler hatten den zweiten Nachnamen einfach nicht in die Transkription übernommen. Von den Ermittlungen gegen Costa, der umgehend von seinem Amt zurücktrat, bleibt somit nichts.

Almeida leitete einst selbst die oberste Strafverfolgungsbehörde. Sie wirft nun der Staatsanwaltschaft vor, das Justizgeheimnis verletzt zu haben, indem Ermittlungsdetails durchgesickert seien.

Jetzt, nur eine Woche nach der Durchsuchung des Regierungssitzes, zweier Ministerien und 38 weiterer Anwesen stürzt auch der Rest des Ermittlungsverfahrens wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Die fünf Verhafteten, darunter Vitor Escária, Kabinettschef des Premiers und Lacerda Machado, Unternehmer und Freund Costas wurden auf freien Fuß gesetzt, teilweise mit Auflagen. Das Gericht sieht keine Hinweise für „Gegenleistungen für konkretes Verhalten“. Haft sei „unverhältnismäßig“. Es wird sich zeigen, ob letztendlich mehr als übliche Lobbyarbeit übrig bleibt.

Neuwahlen stehen bereits für März an

„Ist zu klären, warum und mit welchem Ziel Frau Oberstaatsanwältin in den Regierungspalast ging“, erhebt Almeida einen schweren Vorwurf. Denn der Schaden ist angerichtet. Der konservative Staatspräsident Marcel Rebelo de Sousa hat das Parlament, in dem die Sozialisten über die absolute Mehrheit verfügen, für das Ende der laufenden Haushaltsdebatte aufgelöst und Neuwahlen für den 10. März angesetzt.

Der Politik- und Rechtswissenschaftler und Professor an der Universität in Lissabon, José Adelina Maltez, spricht vom „Monster des Rechtsapparats“ und von „einer unkontrollierten Staatsanwaltschaft“.

Für den Chef der Vereinigung der Staatsanwälte, Adão Carvalho, hat die mangelhafte Abschrift „keine größere Relevanz für den Fall“. Es sei kein Problem, „dass es eine gewisse Abweichung zwischen Transkription und Audio gibt, da alle am Verfahren Beteiligten Zugriff darauf haben und letztendlich die Aufzeichnung als Beweismittel gilt“, erklärte er in einem Radiointerview.

Costa, dessen politische Karriere abrupt zu Ende ging, dürfte dies anders sehen. Er regierte seit 2015 mit einer sozialen Politik. Seine Sozialistische Partei (PS) wird auf einem Sonderparteitag im Dezember eine Nachfolger wählen, der dann im März versuchen muss, die Regierungsmehrheit zu halten. Es kandidieren Innenminister José Luís Carneiro und der ehemalige Infrastrukturminister ­Pedro Nuno Santos.

Die PS will nach vorn schauen. „Wir werden nicht die kommenden vier Monate damit verbringen, über ein Gerichtsverfahren zu diskutieren“, erklärte Santos bei der Ankündigung seiner Kandidatur.

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