Olaf Scholz reist nach China: Schippern auf dem Jangtse

Der Kanzler reist mit einer Wirtschaftsdelegation nach Peking. Können ökonomische Argumente Xi Jingping überzeugen, Putin fallen zu lassen?

Scholz und Xi vor deutschen und chinesischen Fahnen

Beim letzten Besuch des Kanzlers im November 2022 fand Xi klare Worte zu Russlands Atomwaffendrohungen. Und diesmal? Foto: dpa

BERLIN taz | Die 33-Millionen-Einwohner-Metropole Chongqing, gelegen an der Einmündung des Jialing in den Jangtse in Zentralchina, gilt als größte Stadt der Welt. Sie ist die erste Station der dreitägigen Chinareise von Bundeskanzler Olaf Scholz, zu der er am Wochenende aufbricht. Geplant ist, dass Scholz und sein Tross sich auch ein paar Seemeilen über den „Langen Fluss“ – wie der Jangtse in China genannt wird – schippern lassen. „Dass da Bilder einer ausgelassenen Partygesellschaft entstehen, wird eher nicht der Fall sein“, heißt es aber aus dem Kanzleramt.

Nein, zu viel unbeschwerte Normalität soll die zweite Reise des Kanzlers in die Volksrepublik nicht vermitteln. Obwohl auf den ersten Blick alles so aussieht, als sei man zum Business as usual wie vor Russlands Angriffskrieg und der Coronapandemie zurückgekehrt.

Wenn Scholz zum wichtigsten Handelspartner Deutschlands reist (2023 wurden Waren im Wert von über einer Viertelbillion Euro gehandelt), lässt er sich, wie schon seine Vorgängerin Angela Merkel, von einer großen Wirtschaftsdelegation begleiten. Nach Informationen von Reuters sollen unter anderem die Chefs von Siemens, Bayer, Mercedes-Benz, BMW, Merck, DHL, Thyssenkrupp sowie des schwäbischen Anlagenbauers Voith dabei sein. Läuft also.

Und klar ist: Globale Herausforderungen wie der Klimawandel lassen sich nur mit und nicht gegen China meistern. 2023 haben Deutschland und China einen Klimadialog gestartet und Bundesumweltministerin Steffi Lemke reist – wie ihre Kollegen Volker Wissing (Verkehr) und Cem Özdemir (Landwirtschaft) – ebenfalls nach Peking, allerdings per Linienflug. Läuft also auch ganz gut.

Partner oder Gegner des Westens?

Andererseits hat sich China trotz vorgeschützter Neutralität im russischen Angriffskrieg an die Seite Russlands gestellt. Der russische Außenminister Sergej Lawrow, der vor Scholz zu Wochenbeginn nach China reiste, verkündete dort, dass er China als Partner gegen den Westen sehe. Läuft also doch nicht alles ganz reibungslos.

Im vergangenen Jahr hat sich Deutschland denn auch eine neue Strategie im Umgang mit der Volksrepublik verordnet. Man will China fortan als Partner, Wettbewerber und Rivale behandeln. Dieser eher dissonante Dreiklang beinhaltet den Versuch, sich aus der starken wirtschaftlichen Abhängigkeit von dem autoritär geführten Land etwas zu lösen. Wobei Scholz vor Abflug beruhigende Signale nach Peking funkt. „Auch wenn wir Lieferketten stärker diversifizieren, werden Deutschland und China einen umfangreichen wirtschaftlichen Austausch haben“, so der Bundeskanzler im Interview mit der taz.

Doch was die chinesische Unterstützung für Putin anbelangt, ist China ganz klar systemischer Rivale. Ohne China wäre Russland nicht in der Lage, den Angriffskrieg gegen die Ukraine so zu führen, wie es ihn führt, heißt es aus dem Umfeld des Kanzlers. Mit Sorge sehe man etwa, dass China Russland fleißig mit Dual-Use-Gütern beliefert, also Produkten, die sowohl zivil als auch militärisch eingesetzt werden können.

China soll auf Putin einwirken

Wenn sich Scholz am Dienstag mit dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping und Ministerpräsident Li Qiang in Peking trifft, will er sich mit diesen auch über den Krieg in der Ukraine unterhalten – und darüber, wie der möglicherweise beendet werden kann. In der taz kündigte Scholz an: „Natürlich wird das ein wichtiger Teil meiner Gespräche sein. Es geht darum, dass China Russland nicht dabei unterstützt, gegen seinen Nachbarn Ukraine einen brutalen Krieg zu führen. Frieden in Europa und die Unverletztlichkeit von Grenzen, das sind europäische Kerninteressen.“

Dabei wird Scholz es wohl mit einer Mischung aus Bitten und Drohen versuchen. Aus seinem Umfeld heißt es, es sei alles andere als eine Bagatelle, wenn China sich klar an die Seite eines so aggressiv auftretenden Staates wie Russland stelle. Das schade auch dem Ansehen Chinas.

Andererseits hofft man in Scholz' Umfeld darauf, China überreden zu können, sich stärker als bisher als Vermittler einzuschalten, um den Krieg in der Ukraine zu beenden. Ohnehin münzt China seine wirtschaftliche Größe zunehmend auch in stärkeren außenpolitischen Einfluss um. So kam es vor einem Jahr durch Vermittlung Chinas zu einer historischen Annäherung Saudi-Arabiens und Iran. Aus dem Kanzleramt heißt es jedenfalls: „Es gibt keinerlei Absichten, China einzuschränken oder kleinzuhalten in seiner außenpolitischen Entfaltung.“

Sollte Scholz Präsident Xi die Absicht entlocken, dass China an der von der Schweiz geplanten Ukraine-Friedenkonferenz im Juni teilnimmt, wäre das sicher ein Erfolg.

Argumente, die Xi überzeugen könnten

Nach Ansicht von Max Zenglein vom Mercator Institut für China-Studien (Merics) bringt Scholz durchaus einige Trümpfe mit. „Deutschland spielt für China eine außergewöhnliche Sonderrolle für die Entwicklung seiner Wirtschaft und auch in den Außenwirtschaftsbeziehungen. Da Länder wie die USA oder Japan sich weitaus schärfer gegenüber China positionieren, hat Deutschland eine wichtige Funktion, wenn es um den Zugang zu Technologie und auch Kapital geht.“ Deutschland sei hier in einer Position der Stärke.

Deutsche Unternehmen investieren zwar noch kräftig in China, beobachten jedoch misstrauisch, wie stark der chinesische Staat die heimische Wirtschaft mit Milliardensubventionen pampert und sich darauf vorbereitet, den europäischen Markt mit billigem Stahl und preisgünstigen E-Autos zu fluten. Aus dem Kanzleramt heißt es, diese Schwierigkeiten sehe man sehr klar. Man wolle deshalb die Reise auch nutzen, um auf fairen gegenseitigen Marktzugang zu drängen, und die Sorgen angesichts der Überkapazitäten in vielen Bereichen ansprechen.

Ganz schön viele Sorgen also, die dazu führen könnten, dass die Sorgen um die nicht gewahrten Menschenrechte in China hinten runter fallen könnten, zumal Men­schen­rechts­ak­ti­vis­t:in­nen nicht mit im Flugzeug sitzen. Die International Campaign for Tibet (ICT) fordert Bundeskanzler Olaf Scholz auf, die Menschenrechtssituation in Tibet, Ost-Turkestan, Hongkong, der Süd-Mongolei und China selbst mit Nachdruck gegenüber der chinesischen Regierung zur Sprache zu bringen.

Scholz soll Menschenrechte einfordern

„Olaf Scholz darf nicht den gleichen Fehler wie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder begehen und dabei im Sinne einer angeblichen Realpolitik und aufgrund wirtschaftlicher Interessen Menschenrechte und demokratische Werte zurückstellen“, heißt es in einem Brief, den die ICT am Montag an Scholz verschickte.

David Missal, stellvertretender Geschäftsführer der Tibet Initiative Deutschland, fordert deshalb: „Wenn Olaf Scholz nach China aufbricht, erwarten die Menschen in China und Tibet, dass er die Menschenrechtsverbrechen der Kommunistischen Partei öffentlich und deutlich anspricht.“ Denn in chinesischen Zwangsinternaten sitzen weiterhin Hunderttausende tibetische Kinder, denen ihre tibetische Identität von klein auf genommen werden solle. Gleichzeitig sperre die Kommunistische Partei friedliche Demonstranten in Gefängnisse. Scholz müsse in China klare Worte für diese Verbrechen finden.

Im Interview mit der taz verspricht Scholz, auch die chinesische Bedrohung Taiwans und die Lage von Minderheiten anzusprechen. „Ich werde mich jedenfalls nicht entschuldigen, bevor ich solche Themen anspreche“, so Scholz.

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