Drei junge Menschen vor orangefarbenen Hintergrund

Drei Ak­ti­vis­t*in­nen vom Bündnis Hand in Hand Foto: Miriam Klingl

Protest gegen Rechtsextremismus:Sie bilden Banden

Das Bündnis „Hand in Hand“ will die Zivilgesellschaft vereinen. Aber was kann nach den Demos kommen?

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3.2.2024, 09:35  Uhr

Blaue, gelbe und rote Zettel wandern durch die Sitzreihen. Dicht gedrängt stehen die Klappstühle an diesem Mittwochabend beisammen. Wer zu spät zum Treffen in Berlin-Kreuzberg kommt, muss an der Wand lehnen, die kompletten drei Stunden des Plenums. Auch Abstimmungskarten gibt es nicht für alle der 70 Teilnehmer*innen.

„Teilt gern die Zettel in zwei, wenn es zu wenige sind“, ruft jemand von vorn.

„Ich dachte, wir sind unteilbar“, ruft jemand anderes zurück und lacht.

Die Idee, aus der Zivilgesellschaft heraus ein Bündnis gegen rechts zu organisieren, ist nicht neu. Das Bündnis „Unteilbar“ organisierte nach dem damaligen Umfragehoch der AfD vor sechs Jahren politisch breit aufgestellte Demos. Die Pandemie überstanden sie nicht. Sie lösten sich 2022 unter anderem wegen zu wenig Aktiven auf.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Schon im November 2023 wagte ein damals noch loser Zusammenschluss namens „Hand in Hand“ einen neuen Versuch. Personen von Unteilbar, Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen und Men­schen­recht­le­r*in­nen wollen gegen den Rechtsruck auf die Straße gehen. Wenige Wochen später löste die Correctiv-Recherche über ein Geheimtreffen von Rechtsextremen eine bundesweite spontane Bewegung gegen rechts aus, an der sich mehr als eine Million Menschen beteiligen.

Die Bewegung ist schon auf der Straße

Wenn sich ein Bündnis bildet, um eine große Demo vorzubereiten, ist das im Normalfall ein langwieriger Prozess. Zu wenige Aktivist*innen, zu viel zu tun, zu wenig Zeit. Diesmal ist es umgekehrt: Die Bewegung ist schon auf der Straße. Alle wollen etwas tun. Doch wie kann aus den spontanen Demos eine nachhaltige Bewegung werden?

Es ist Mittwoch, noch 10 Tage bis zur nächsten großen Demo in Berlin. Bei Keksen und Obst versucht die ungleiche Gruppe eine gemeinsame Basis zu finden. Junge Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen treffen auf erfahrene Menschenrechtler*innen. Personen von ProAsyl sitzen neben Omas gegen Rechts. Der Deutsche Fahrradclub, die Caritas, Vereine für Bildungsarbeit und Erinnerungsarbeit sind Teil des Netzwerks. Mehr als 1.000 Organisationen unterstützen Hand in Hand.

„In den vergangenen Wochen hat uns der Prozess überrollt. Aber genau so funktionieren Bewegungen“, ruft Bruno Balscheit aus einer Ecke des Raums. Der Andrang von Organisationen sei genau die Aufmerksamkeit, die sie für ihre Aktion brauchen, sagt er und fährt sich durch die blonden Locken. Vor Hand in Hand engagierte sich der 25-Jährige bei Fridays for Future. Schon damals habe er mit weiteren Ak­ti­vis­t*in­nen überlegt, wie man eine bürgerliche Bewegung gegen die AfD starten könnte.

Junger Mann mit Kapuszenpulli

Bruno Balscheit vom Bündnis Hand in Hand Foto: Miriam Klingl

Als er im Herbst 2023 von den Treffen von Hand in Hand erfuhr, beteiligte er sich, erzählt er am Rande des Plenums. Am Anfang seien viele Hauptamtliche dabei gewesen, Personen, die in ihrem Job für NGOs arbeiteten. „Es war alles sehr zäh, wir diskutierten stundenlang über Details“, sagt er.

Als die Bewegung drohte, zu einem Stillstand zu kommen, setzte er sich mit anderen jüngeren Personen des Netzwerkes zusammen, sie bauten Anfang Januar eine Website, überlegten sich das lila-orange Design und den Slogan „Wir sind die Brandmauer“. Und dann kam die Correctiv-Recherche.

Meistens brauche es nur einen Funken, um die gesamte Gruppe zu mobilisieren, sagt er. Bei Hand in Hand habe es funktioniert. Mittlerweile sind mehr als 40 Personen in Arbeitsgruppen zum Programm, Finanzierung oder der Mobilisierung aktiv. Bruno ist Teil des Kernteams. Die zehn Personen behalten den Überblick über das Netzwerk. Manche von ihnen kennen sich aus ihrer vorherigen Arbeit. Im Plenum sind sie meistens derselben Meinung, wollen das Netzwerk schnell voranbringen. Andere überfordert das.

Zwischen 50.000 und 500.000 Teil­neh­me­r*in­nen sei alles möglich

„Wir brauchen Bremser und Pusher in der Gruppe“, sagt Balscheit, „nur so finden wir gute Kompromisse.“ Ähnlich sieht es Christiane Möller, die für Omas gegen Rechts da ist. Zu oft hätten sich Bewegungen wegen politischer Unterschiede aufgelöst. Daher seien die teils mühsamen Diskussionen über Satzung, Red­ne­r*in­nen­lis­ten und Programm unersetzlich. Ob die Motivation auch nach der Großdemo bleibt? Daran glaubt sie fest. „Der Druck von rechts ist viel zu groß, daher müssen wir uns weiterhin auf das Gemeinsame konzentrieren und den Erfolg der AfD und den allgemeinen Rechtsruck.“

Ein Pappkarton, auf dem ein Herz gemalt ist mit der Aufschrift "Antifa"

Antifa ist Handarbeit Foto: Miriam Klingl

Dafür verbündet sich Hand in Hand auch mit konservativen Stimmen. In einem Café dreht das Social-Media-Team Videos für Instagram. Bruno baut die Stative auf, richtet das Licht auf den Stuhl vor ihm ein. Draußen laufen Frauen zum Yoga vorbei, drinnen planen sie die Mobilisierung gegen rechts. Der Student befürchtet, dass die Leute nach den vergangenen zwei Demos in Berlin erschöpft seien und zu wenige kommen werden. Zwischen 50.000 und 500.000 Teil­neh­me­r*in­nen sei alles möglich. „Wir mobilisieren nach Berlin, um uns an die Politik zu richten und ein Zeichen in andere Hauptstädte zu richten.“ Danach wollen sie vermehrt in die kleineren Orte im Osten, um dort zu unterstützen.

Für die Großdemo versuchen sie auf Social Media und auf den Straßen zu mobilisieren. Auch Düzen Tekkal spricht an diesem Tag vor der Kamera, die Balscheit aufgebaut hat. Die Aktivistin und CDU-Politikerin ist mit ihrer Menschenrechtsorganisation Háwar Teil des Netzwerks. Im Bündnis sind nicht alle damit einverstanden, konservativen Stimmen eine Plattform zu geben. Doch bei der großen Demo in Berlin soll es um mehr als um Parteizugehörigkeit gehen. Um die größtmögliche Menge an Personen zu mobilisieren, müsse man Kompromisse machen, so sehen es die meisten im Bündnis. Dann rufe man eben nicht, dass alle die AfD hassen. Denn im Kern gehe es nicht um sprachliche Feinheiten, sondern einen stabilen Zusammenschluss gegen rechts.

Doch wie viele Leute überzeugt das Netzwerk? In Dresden, Hamburg und Kassel gibt es Ortsverbände, die Namen und Slogan übernehmen und Aktionstage planen. Dass dort Entscheidungen, die in Berlin beschlossen wurden, nicht übernommen werden, stört die Gruppe bisher nicht. In Berlin dürfen Parteien den Aufruf nicht unterschreiben, in Kassel sind sie Teil der Aktion.

„Eine Demo für uns“

Und auf der Straße in Berlin?

Tareq Alaows läuft mit Flyern und Plakaten durch Kreuzberg. Kein Lokal rund ums Kottbusser Tor bleibt verschont. Der Migrationsaktivist ist eines der bekannteren Gesichter von Hand in Hand. Zu der Flyer-Aktion mit ihm warb das Team auf Social Media. Zehn Leute folgten dem Aufruf, mehr als bei den letzten Aktionen dabei waren, sagt er. Ein Fischrestaurant, Spätis, Bars, in jedes Lokal läuft er mit einem orange-lilafarbenen Plakat hinein. Bis auf ein, zwei Läden stimmen alle zu, ihre Wände bekleben zu lassen.

„Die Demo ist gegen Rechtsextremismus. Also für uns, weißt du?“, ruft er einem Mann in einem libanesischen Restaurant zu. Auch wenn die Zustimmung in den vergangenen Tagen groß war, gibt es besonders aus der migrantischen Community immer wieder Kritik. „Ich verstehe, dass sich nicht alle in gleichem Maß gehört fühlen, doch das sollte ein Grund sein, zu uns zu kommen und in den Austausch zu gehen“, sagt Alaows. Oftmals habe er in den vergangenen Jahren allein oder mit einer kleinen Gruppe für die Rechte von Mi­gran­t*in­nen eingestanden. Das sei heute anders.

Transparenzhinweis: Die taz Panter Stiftung hat den Aufruf von „Hand in Hand“ unterzeichnet und für die Organisation des Aktionstages gespendet.

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