Regierung in Griechenland: Papandreou knickt ein
Der griechische Ministerpräsident verzichtet auf die Volksabstimmung. Eine Übergangsregierung soll die Voraussetzung für weitere Milliardenhilfen schaffen.
ATHEN taz | Wer hatte das erwartet? Die junge sozialistische Abgeordnete Eva Kaili erklärt sich für unabhängig und sagt, sie sehe sich nicht in der Lage, dem Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou an diesem Freitag ihr Vertrauen auszusprechen. Ausgerechnet Kaili, eine dynamische junge Dame, die von Papandreou in der Regierungspartei nach Kräften gefördert wurde und für höhere Ämter warmläuft, verweigert ihrem Premier die Gefolgschaft.
Die Geschichte ist symbolisch für die aktuellen Macht- und Rangkämpfe in der Regierungspartei - und auch für das tief sitzende Misstrauen gegen Papandreou. Der Abgeordnete Dimitris Lintzeris formulierte es drastisch: Papandreou sei schon Geschichte, erklärte er am Mittwoch in einer aufsehenerregender Schrift. Demnach hätte Papandreou mit nur noch 150 Mandaten keine Mehrheit mehr im Parlament. Mindestens vier Minister aus Papandreous Kabinett verlangen zudem einen Wechsel an der Spitze der Regierung, berichteten griechische Zeitungen.
Zwar wird in der sozialistischen Partei PASOK nicht immer so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Personaldiskussionen und Intrigen gehören dort praktisch zur Tagesordnung. Aber diesmal ist es wohl ernst: Für viele seiner Abgeordneten ist Papandreou offenbar nicht mehr tragbar. Aber gibt es überhaupt eine vernünftige Alternative zu ihm?
Am Donnerstag machten Spekulationen über eine Übergangsregierung der nationalen Einheit in Athen die Runde. Nach Informationen des griechischen Staatsfernsehens NET soll Papandreou eine Regierung aus seiner sozialistischen Pasok und der konservativen Opposition, der Nea Demokratia anstreben, die für etwa ein halbes Jahr die Geschicke des Landes in die Hand nimmt. Die Nea Demokratia dagegen wolle einer Übergangsregierung aus Experten - und nicht aus Politikern -nur für einige Wochen zustimmen und dann Neuwahlen abhalten, vielleicht schon im Dezember, hieß es aus deren Führungszirkel.
Führung einer Krisenregierung
Als mögliche Ministerpräsidenten einer solchen "Regierung der Nationalen Rettung" waren angeblich der ehemalige EZB-Vizechef Loukas Papademos oder auch der in Deutschland geschätzte Reformer Kostas Simitis (PASOK), der Vorgänger von Papandreou als Premier, im Gespräch. Ob sie bereit wären, die Führung einer Krisenregierung zu übernehmen, ist allerdings offen. Zudem bringt sich auch die jüngere Parteigarde der PASOK in Stellung - etwa die ehemalige EU-Kommissarin Anna Diamantopoulou oder auch der in der Bevölkerung beliebte Gesundheitsminister Andreas Loverdos.
Papandreou würde da wohl einen besseren Kandidaten vorziehen - sich selbst: Er sei seinerseits überrascht, dass die EU-Partner derart überrascht waren durch die Ankündigung einer Volksabstimmung, erklärte der Premier vor seiner Fraktion am Donnerstagabend. Dann sorgte er für eine weitere Überraschung in dieser Woche: Die Volksabstimmung sei vom Tisch, an der Macht wollte er trotzdem bleiben. Wozu dann die ganze Aufregung? Immerhin habe die Ankündigung eines Referendums dafür gesorgt, dass die konservative Opposition endlich mal Bereitschaft zur Zusammenarbeit signalisiert, entwickelte Papandreou seine Dialektik weiter. Das sei nicht zu unterschätzen.
In diesem Punkt hat der griechische Premier Recht: Monatelang forderte die bisher ausgesprochen destruktiv agierende Opposition unter dem ehemaligen Außenminister Antonis Samaras immer wieder Neuwahlen sowie eine Neuverhandlung des Rettungspakets für Griechenland ein. Nun zeigt sie sich erstmals bereit, eine Übergangsregierung der nationalen Einheit zu unterstützen und auch für die jüngsten EU-Gipfelergebnisse im Parlament zu stimmen. Griechischen Medienberichten zur Folge kamen am Donnerstag erstmals Abgeordnete aus beiden Volksparteien informell zusammen, um Möglichkeiten einer künftigen Zusammenarbeit auszuloten. Einzelheiten dazu wurden aber noch nicht bekannt.
Alles deutet darauf hin, dass Papandreou nicht ohne weiteres aus freien Stücken zurücktreten wird und seine politische Zukunft vom Ausgang der Vertrauensabstimmung im griechischen Parlament abhängig macht. In einer Rede vor der Fraktion seiner sozialistischen Partei sagte Papandreou am Donnerstag, er lade die konservative Partei Neue Demokratie dazu ein, über die Rettungspläne zu verhandeln. Er gehe davon aus, dass die Neue Demokratie für das mit EU und IWF ausgehandelte Paket stimmen werde.
Leser*innenkommentare
Eduard Zimmermann
Gast
Wenn dann die ersten Kinder, die jetzt nur einfach umkippen, verhungern, ist das Entsetzen wieder ganz groß. Letzlich kann sich das 4. Reich-Oberpack diesen asozialen Dreck auch nur erlauben, weil ihr Überwachungsstatt prächtig funktioniert. In den 80er hätte sich dieses ganze Bonzen- und Parteigesockse im Kofferraum erhängt.
Thanthalas
Gast
"Der griechische Ministerpräsident verzichtet auf die Volksabstimmung"
Ob es da wohl Druck von der ach so demokratischen und der TAZ geliebten EU gab?
Horst Schwabe
Gast
Ich habe es erwartet. Merkel und ihr rollender Helfer fressen alles auf, was ihrem Groß-Europa-Plan gefährlich werden kann.
Jutta Thorne
Gast
Liebe Frau Reichstein,
ich fürchte, sie irren sich. Papandreou ist nicht eingeknickt. Es war ein geschickter Schachzug von ihm. Er hat mit der Ankündigung eines Referendums die Opposition gezwungen, Farbe zu bekennen.
Sie vergessen in ihrem Beitrag völlig, dass die konservative Opposition, die Kommunisten, die Gewerkschaften und die Äußere Rechte Hand in Hand Sturm gelaufen sind gegen die Bedingungen der "Rettung Griechenlands" durch die anderen Euroländer - und das durchaus wörtlich mit gewaltsamen Demonstrationen.
Mit dem Referendum hat Papandreou die Oppostion gezwungen Farbe zu bekennen - und dieser Plan ist aufgegangen.
Schon vor seiner Ankündigung wußte er, dass er keine Mehrheit im Parlament mehr hinter sich hat. Seine Regierung verfügt über eine Mehrheit von 2 Stimmen und zwei Abgeordnete haben sich losgesagt.
Er hat somit das einzig richtige gemacht, um die Opposition in die Verantwortung zu nehmen.
Jutta
Papandreous Clan verdient 23 Mrd.
Gast
Tja, vielleicht war das ganze Theater auch nur, weil Papandreous Brüderlein bisher nur 23 Milliarden mit Griechenland-Pleite-CDS, die er sich Anfang 2009 gekauft hat, verdient hat. Lässt sich wahrscheinlich besser teilen, wenn man etwas mit Spekulatius aufrundet.
Archimedes
Gast
Viktoria!
Ein Sieg für die Banken!
Lasst die Champagnerkorken knallen!
ilmtalkelly
Gast
Dann eben ein schrecken ohne Ende.
Silvia
Gast
Abzocke-watt sonst?JAAAA Wer hätte DAS erwartet....ich hasse es wenn der Zocker in mir Recht hat....würde ich auf ihn hören wäre ich Weltherrscherin-wetten?
Marvin
Gast
Schlagzeile sollte heißen:
"Erpressung war nur Verarsche".
Papandreou kann nicht auf die Volksabstimmung verzichten. Das Volk wird abstimmen, mag es mit Stimmzetteln oder mit Fackeln & Mistgabeln geschehen.