Rücktritt von Documenta-Chefin: Keiner wollte hinschauen

Sabine Schormann, die Ex-General­direktorin der documenta, mauerte bis zum Ende. Jetzt muss aufgeklärt werden.

Eine Frau mit kurzen grauen Haaren gestikuliert an einem Redepult

Blieb jeder Möglichkeit einer Erklärung fern: Ex-Generaldirektorin der documenta, Sabine Schormann Foto: dpa

Sabine Schormann hatte in den letzten vier Wochen eine Mauer um sich gebaut. „Zutiefst bedauerlich“ sei die Aufhängung des Banners der indonesischen Künstlergruppe Taring Padi mit antisemitischen Motiven gewesen – aber man habe ja mit seiner prompten Abhängung richtig reagiert. Einem Diskussionsabend der documenta blieb sie fern. Als der Kulturausschuss des Bundestags debattierte, meldete sie sich krank. Und nachdem Meron Mendel seine Unterstützung zur Aufklärung des Antisemitismus-Eklats wegen mangelnder Kooperationsbereitschaft aufkündigte, zeigte sie in einem Statement keine Einsicht. Ansonsten blieb Schormann, die seit Samstag Ex-Generaldirektorin der documenta ist, jeder Möglichkeit einer Erklärung fern. Keine Gespräche, kein von der documenta sonst so gepriesener Dialog.

Dennoch hielt bis zum Schluss der Kasseler Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) an ihr fest. Die Personalie Schormann ist auch mit ihm verknüpft: Er ist Aufsichtsratsvorsitzender der documenta, und hatte 2018 mitbewirkt, dass die promovierte Germanistin nach 18-jähriger Tätigkeit bei der niedersächsischen Sparkassenstiftung zur documenta wechselte. Die Kasseler Sparkasse wiederum ist ein wichtiger Sponsor der Kunstausstellung. Für die documenta arbeitete Schormann eng mit dem Finanzhaus zusammen, in dessem Verwaltungsrat auch Geselle sitzt.

Das Geschmäckle von Parteipolitik

Es war die hessische Kultusministerin Angela Dorn (Grüne), die jene außerordentliche Aufsichtsratssitzung für Freitagabend beantragte hatte, in deren vielstündigen Verhandlungen Geselle offenbar umlenkte. Schormann geht. Ihr Vertrag mit der documenta und Fridericianum gGmbH wird aufgelöst, eine Interimsbesetzung soll gefunden werden. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) begrüßte den Entschluss. Der Causa Schormann haftet nun das Geschmäckle von Parteipolitik an, von der Provinz- bis zur Bundesebene.

Dabei will man immer noch erfahren, wie sich (offenbar über Parteigrenzen hinweg) in der Vorbereitung der documenta fifteen überhaupt eine gewisse Blindheit einstellen konnte und trotz der schon seit Januar geäußerten Bedenken, auf der Kunstschau könnten auch antisemitische Botschaften ihren Platz finden, kei­ne:r genau hinschauen wollte. Vielmehr wich man der Kritik aus. Eine später abgesagte Gesprächsreihe zu Antisemitismus, Rassismus und Islamophobie hatte weder den Zentralrat der Juden einbezogen noch das Kuratorenkollektiv Ruangrupa mitdiskutieren lassen wollen, das der BDS-Bewegung nahestehen soll.

Sie zeigten sich überrascht

Mit Taring Padi, den Urhebern des Skandal-Banners, soll in der Vorbereitungszeit nie jemand über Antisemitismus geredet haben. Sie zeigten sich selbst überrascht, dass ihr Kunstwerk solch feindselige Zerrbilder aufweist. Hätte man sie, wie von Schormann behauptet, wirklich unter einen fremdenfeindlichen Generalverdacht gestellt, wenn man versucht hätte, aufzuklären?

Das kulturpolitische Projekt, den Globalen Süden nach Kassel kommen zu lassen, hatte man wohl in den vielen Monaten bis zur Eröffnung über eine nötige Aushandlung von Werten gestellt. Dergleichen soll künftig nicht mehr geschehen. Die Strukturen der documenta sollen fortan auch von Experten aus dem Kulturbetrieb besetzt werden. In ihrem Aufsichtsrat sitzen derzeit nur Personen der Stadt- und Landespolitik.

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