Sorben fordern Anerkennung: Ultimatum abgelaufen

Die Sorben fordern Anerkennung als indigenes Volk nach UN-Konvention. Mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof wollen sie Druck machen.

Eine junge Sorbin in traditioneller Tracht wartet im Kulturzentrum auf das Eintreffen der Gäste und Delegierten der konstituierenden Sitzung des sorbischen Parlaments Serbski Sejm

Sachsen, Schleife, 2018: Eine junge Sorbin in traditioneller Tracht Foto: Oliver Killig/dpa

BERLIN taz | Eigentlich ist Sorben nur zu Ostern der große Auftritt sicher. Da zeigt die „Tagesschau“, wie sorbische Männer hoch zu Ross über kahle Felder ziehen und die Auferstehung des Herrn verkünden – Osterreiten in der Oberlausitz, Brauchtum vom östlichsten Rand Sachsens.

An diesem Montag bekommen Sorben zusätzliche Aufmerksamkeit. In Berlin werden Vertreter des Serbski Sejm, des sorbischen Parlaments, mit Anwälten eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland ankündigen. Der Grund: Der Serbski Sejm, die 2018 erstmals gewählte sorbische Volksvertretung, fordert vom deutschen Staat die Anerkennung der Sorben als indigenes Volk nach der ILO-Konvention 169, die die Bundesrepublik 2021 ratifiziert hat. Die ILO, die Internationale Arbeitsorganisation, ist eine Organisation der Vereinten Nationen zur Förderung sozialer Gerechtigkeit, der Menschen- und der Arbeitsrechte.

Klare Worte fand Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) damals bei der Ratifizierung: „Indigene Völker, die überall auf der Welt in ihrer Existenz bedroht sind, werden oft vom politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben ihrer Länder ausgeschlossen.“ Vermutlich hatte der Bundesarbeitsminister Ethnien jenseits der Ozeane im Blick. Doch die Sorben sind in Deutschland seit Langem bedroht: durch Sprachverlust, Abwanderung, Assimilierung und das jahrzehntelange Abbaggern sorbischer Dörfer für die Braunkohlegewinnung.

Ernüchternde Bilanz nach Ultimatum

Neu ist das nicht. Neu ist die Wucht, mit der der Serbski Sejm von der Bundesregierung die Anerkennung des kleinsten slawischen Volks, dem etwa 60.000 Menschen in Brandenburg und Sachsen angehören, als indigenes Volk fordert. Es geht um Selbst- und Mitbestimmung, es geht um Mitsprache und um Geld.

Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, hatte der Serbski Sejm Ende März ein Ultimatum gestellt. Sollte die Bundesregierung nicht binnen dreier Monate die Sorben als indigenes Volk anerkennen, werde sich der Serbski Sejm an die ILO, die EU-Kommission und den Europarat wenden, damit diese Einfluss auf „den deutschen Staat“ nehmen.

Die Bilanz ist ernüchternd. Zwar haben sich einzelne Abgeordnete erkundigt, doch „offizielle Reaktionen gab es keine“, stellt Kerstin Aldenhoff, Sprecherin des Serbski Sejm, fest. Das Ultimatum ist nun abgelaufen, jetzt übernehmen Anwälte einer Londoner Kanzlei, spezialisiert auf Menschen- und Völkerrecht. Sie werden Schritte darlegen, wie der Serbski Sejm vor deutschen und internationalen Gerichten die Anerkennung erreichen kann, die ihm von Berlin verwehrt wird.

Diesen fordernden Ton von sorbischer Seite sind die Landesregierungen und die Bundesregierung nicht gewohnt: Von einem „verbalen Schienbeintritt“ war zu lesen. Kritisch äußert sich auch die Domowina, der Dachverband sorbischer Vereine und bisher alleinige Ansprechpartnerin für sorbische Interessen. Die Domowina, 1913 gegründet, beharrt darauf, bereits die Interessen des sorbischen Volkes zu vertreten. Und so erklärte sie, dass sie sich nicht an einer Klage beteiligen werde. Also Gegenwind für den Serbski Sjem. Mit ihrem Ultimatum haben die 22 demokratisch gewählten Abgeordneten Erstaunliches geschafft. Sie haben Aufmerksamkeit erzeugt – dieses Mal nicht nur zu Ostern.

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