Wahlen in Serbien: Vučić lässt sich als Sieger feiern

Die Liste des omnipräsenten Staatschefs wird stärkste Kraft. Die Opposition erhebt schwere Betrugsvorwürfe und ruft ihre Anhänger zum Protest auf.

Ein Mann jubelt, im Hintergrund eine Menschenmenge.

So sehen Sieger aus: Serbiens rechtspopulistischer Präsident Aleksandar Vučić Foto: Zorana Jevtic/reuters

BELGRAD taz | Die Erwartungen der serbischen Opposition waren groß, die Ernüchterung ist umso bitterer. Nach Auszählung von 95 Prozent der abgegebenen Stimmen sahen die Belgrader Institute Cesid und Ipsos das Lager von Serbiens Präsident Aleksandar Vučić mit 47 Prozent der Stimmen am Montag klar in Führung. Damit hätte es bei den vorgezogenen Wahlen am Sonntag mit 127 beziehungsweise 128 von 250 Mandaten eine absolute Mehrheit im Parlament erreicht. Die Wahlbeteiligung lag bei 55,5 Prozent.

Kaum waren die Wahllokale am Sonntagabend geschlossen, war der Staatspräsident auch schon vor die Kameras getreten und hatte auf allen Ebenen einen Sieg der Wahlliste verkündet, die seinen Namen trägt: „Aleksandar Vučić – Serbien darf nicht stehen bleiben“. Dabei wurden offizielle Ergebnisse erst für Montagabend erwartet.

Sie hätten die absolute Mehrheit im serbischen Parlament gewonnen, sagte Vučić strahlend. Bei der gleichzeitig stattfindenden Kommunalwahl in Belgrad lägen sie ebenfalls vorn. Zudem hätten sie einen überwältigenden Sieg in der Provinz Vojvodina errungen und auch die Gemeindewahlen in 65 Städten für sich entschieden.

Unter dem Jubel seiner Gefolgschaft und einem Feuerwerk am Belgrader Himmel wünschte der Präsident eine „gute Nacht“. Er habe getan, was von ihm erwartet worden sei, und werde sich nun zunächst zurückziehen, sagte Vučić.

Totenstille bei der Opposition

Im Wahlstab der im Bündnis „Serbien gegen Gewalt“ vereinigten bürgerlichen, prowestlichen Opposition herrschte zunächst Totenstille. Das Bündnis kam auf 20,3 Prozent, bei der Kommunalwahl in Belgrad landete es mit 35 Prozent knapp hinter Vučićs Leuten (38 Prozent).

Die Parteichefs der Opposition gingen nicht ans Telefon, einige texteten, sie würden erst einmal beraten. Als sie das schließlich getan hatten, erklärten oppositionelle Listenträger, die Wahlen seien unfair und undemokratisch gewesen. Sie zählten grobe Verstöße auf, von Stimmenkauf bis zu „40.000 kürzlich ausgegebenen Personalausweisen mit Wohnadressen in Belgrad von Menschen, die dort überhaupt nicht leben“.

Man werde den „Willen der Wähler mit allen demokratischen Mitteln verteidigen – ohne Gewalt, denn ihre Liste hieße ja „Serbien gegen Gewalt, sagte einer der Oppositionsführer, der ehemalige Bürgermeister Belgrads, Dragan Đilas.

In Serbien bedeutet das: Die Wahlkommissionen werden wohl alle Einsprüche der Opposition ablehnen, genauso wie die zuständigen Gerichtshöfe entsprechende Klagen. Der Opposition bleiben dann nur noch Straßenproteste, die Vučić wohl ignorieren und allmählich abflauen lassen wird.

Bizarrer Personenkult

Bereits in den frühen Morgenstunden rief die bürgerliche Opposition die Belgrader wegen „Wahlbetrugs“ zu einem Protest am Montag um 18 Uhr auf. Sie sollen sich vor dem Rathaus versammeln und von dort aus zur Wahlkommission gehen.

So kommt es zu dem Szenario, das die beiden verfeindeten Lager vorausgesagt haben: Vučić bezichtigte die Opposition, sie werde ihre Niederlage nicht anerkennen und die Macht mit Gewalt an sich reißen wollen. Die Opposition wiederum wirft Vučić vor, sich eine Begründung beschaffen zu wollen, um seinen Wahlbetrug rechtfertigen und notfalls unter Einsatz von staatlicher Gewalt verteidigen zu können.

Serbiens „Superwahlen“ ließen tatsächlich demokratische Standards vermissen. So wurde die Wahl ohne nachvollziehbare Gründe vorgezogen Der Staatspräsident, um den ein bizarrer Personenkult aufgebaut worden ist, führte persönlich die Wahlkampagne des regierenden Bündnisses an, obwohl er gar nicht zur Wahl stand.

Zudem waren bei mindestens sechs Wahllisten einige der für die Kandidatur notwendigen Unterschriften nachgewiesenermaßen gefälscht, was für Wahlkommissionen und zuständige Richter jedoch kein Grund war, der Sache nachzugehen. Mehrere Fälle flogen auf, bei denen Mitglieder von Vučićs Serbischer Fortschrittspartei Bürgern Geld für Stimmen angeboten hatten.

Viele Wahlgeschenke

Auch hatte der Präsident in Hülle und Fülle Wahlgeschenke gemacht – aus dem Staatshaushalt natürlich: Renten- und Lohnerhöhungen, Gutscheine für Schüler, Bargeld für Eltern von Schülern und Studierenden, Geld für Sozialfälle sowie kostenlose Schulbücher.

Zu den ersten Gratulanten gehörte am Montag übrigens der Moskauer Kreml. Man begrüße solch einen Erfolg von Herrn Vučić, sagte dessen Sprecher Dmitri Peskow.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.