Nach den Wahlen in Serbien: Opposition geht in Hungerstreik

Das Anti-Vučić-Bündnis protestiert gegen das Ergebnis der Parlaments- und Kommunalwahlen in Serbien. Eine Politikerin ist im Hungerstreik.

Marinika Tepic

Im Hungerstreik: Marinika Tepić Foto: Marko Ducax/Imago

BELGRAD taz | Nach der Bekanntgabe der Ergebnisse der „Superwahlen“ am Sonntag in Serbien herrschte in Reihen der Opposition blanke Verzweiflung. Die regierende Fortschrittspartei (SNS), die der Autokrat in der Rolle des Staatspräsidenten Aleksandar Vučić anführte, gewann überlegen die vorgezogenen Parlamentswahlen – und auch die gleichzeitig stattfindende Kommunalwahl in Belgrad.

Nach dem ersten Schock gab das prowestliche Bündnis „Serbien gegen Gewalt“ am Montag um drei Uhr morgens bekannt, die Belgrader Kommunalwahlen wegen „massiven Wahlbetrugs“ nicht anerkennen zu wollen. Vor der staatlichen Wahlkommission protestierten mehrere Tausend Anhänger der Opposition, um ihren „Wahlwillen zu verteidigen“. Eine Anführerin der Wahlliste „Serbien ­gegen Gewalt“ verkündete, im Kampf für Demokratie und Gerechtigkeit einen entscheidenden Schritt weitergehen zu wollen: Marinika Tepić trat in den Hungerstreik.

Sie sah sich zu diesem radikalen Zug gezwungen, erklärte Tepić, weil weder die Wahlkommission noch die Staatsanwaltschaft und die Polizei auf „offensichtlichen“ und „nachweisbaren“ Betrug und Manipulation des Wahlprozesses reagieren wollen. Sie verwies auf organisierte Bestechung von Wählern, enormen politischen Druck und andere „Betrügereien“. Es sei nicht das erste Mal gewesen, so Tepić, jedoch blieben immer verantwortliche staatliche Institutionen taub gegenüber Einwände der Opposition. Tepić nannte ein Beispiel: Rund 40.000 Menschen wurden aus Bosnien nach Belgrad gebracht und bekamen Personalausweise mit Wohnort in der Hauptstadt, um bei den Kommunalwahlen für Vučićs Liste stimmen zu können.

Ein Autokrat im EU-Beitrittskandidaten Serbien

Die serbische Wahlbeobachtermission CRTA bestätigte, dass die Ausmaße des Wahlbetrugs maßgebend das Ergebnis in Belgrad beeinflussten. Auch im OSZE-Bericht wird auf eine große Anzahl von prozeduralen Fehlern, Einschüchterungen, verdächtige Wahlzettel, Kauf von Wahlstimmen, Missbrauch öffentlicher Ressourcen verwiesen. Besonders kritisiert wurde die alles überdeckende Präsenz von Vučić in den Medien, die Dominanz eines Mannes, der nicht einmal zur Wahl stand. „Das ist unakzeptabel für ein Land, das den Status des EU-Beitrittskandidaten hat“, verkündete das Auswärtige Amt auf X.

Bei den serbischen Parlamentswahlen am Sonntag siegte Vučić' Partei überzeugend in der Provinz Vojvodina und in 64 von 65 Städten. Diese eine Stadt, in der die Opposition gewann, war aber nicht die strategisch und psychologisch bedeutende Hauptstadt Belgrad, wo sich die Opposition einen Triumph erhofft hatte, sondern das mehrheitlich von Bosniaken bewohnte Novi Pazar, unweit der serbischen Grenze zu Bosnien und Montenegro.

Diesmal blieben auch die üblichen Gratulationen zum Sieg aus westlichen Staaten aus, was aber nicht heißt, dass Deutschland, die Europäische Union (EU) oder die USA irgend­welche Maßnahmen gegen Vučić treffen würden. Alle wesentlichen staatlichen Institutionen in ­Serbien sind dem Willen eines Autokraten untergeordnet. Der Hungerstreik von Tepić ist ­deshalb ein Akt der Machtlosigkeit, Verzweiflung und Frustration.

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