Wohnprojekt von Räumung bedroht: „Geordneter Leerzug“

Der Trailerpark am Hönower Wiesenweg soll verschwinden. So will es das Bezirksamt Lichtenberg. Von einer Räumung ist aber vorerst keine Rede mehr

Ein Mann geht mit seinem Hund zwischen zwei Wohnwägen hindurch

Ohne Strom, ohne Warmwasser: Die Tage des Trailerparks sind gezählt Foto: Tina Eichner

BERLIN taz | Es wird ernst für die Be­woh­ne­r*in­nen des Trailerparks am Hönower Wiesenweg. Die befürchtete Räumung mit einem massiven Polizeiaufgebot scheint zwar vorerst vom Tisch. Dennoch will das Bezirksamt Lichtenberg am Montag und Dienstag dieser Woche versuchen, die Be­woh­ne­r*in­nen des Trailerparks in Karlshorst zum Auszug zu bewegen – pünktlich zum Beginn der „Lichtenberger Wochen für Menschenrechte“.

Einer Ankündigung zufolge werden Shuttlebusse zur Verfügung stehen, um alle, die das wollen, in ein Wohnheim zu bringen. 40 Menschen hätten signalisiert, das Angebot anzunehmen, teilt das Bezirksamt mit. An einer Lösung für die Trailerpark-Bewohner*innen mit Haustieren werde noch gearbeitet. Zur Begründung für die geplante Räumung des Geländes heißt es, diese sei nötig, weil ansonsten „erhebliche Gefahren für Leben und Gesundheit“ drohten.

Am Hönower Wiesenweg ist die Stimmung unmittelbar vor den per Aushang verkündeten Umzugstagen angespannt. Von den ursprünglich rund 200 gemeldeten Menschen sind nur noch einige Dutzend vor Ort. Eine Frau verstaut ihre Habseligkeiten in einem Auto, jemand sucht sein Handy. An einer kleinen Feuertonne steht ein großer, hagerer Mann mit stechendem Blick. Er sagt, auf dem Platz herrsche „eine Mischung aus Unverständnis, Ärger und Frust“. Er selbst wolle nicht in ein Wohnheim, sein Arbeitgeber wiederum will verhindern, dass er wieder auf der Straße landet: „Ich muss noch darüber nachdenken.“

Vorausgegangen war der Räumungsankündigung ein monatelanges Tauziehen zwischen dem Bezirksamt und Ulrich Ziegler, dem Eigentümer des Grundstücks. Ende September und Mitte Oktober ließ das Bezirksamt beide Stromanschlüsse sperren. Die Zähler seien manipuliert worden, es sei „eine Gefahr für Leib und Leben von der auf dem Gelände befindlichen elektrischen Anlage“ ausgegangen, so der Bezirk.

Kein Strom und Wasser

Seither gibt es auf dem Areal keinen Strom und kein Warmwasser. Der Eigentümer, dem das Amt mit markigen Worten Zwangsmaßnahmen angedroht hat, lässt sich nach Auskunft der Be­woh­ne­r*in­nen schon länger nicht mehr auf dem Platz blicken, auch auf taz-Anfrage reagiert er nicht. Dafür hat er die Müllabfuhr und die Abwasserentsorgung abbestellt. Der Platz ist komplett unwohnlich geworden.

Zugleich wird demnächst auch der Trailerpark in Grünau geräumt. Auch der gehört Ziegler. Dort hat die Stromnetz Berlin am 14. November den Strom abgestellt, einen Tag später verfügte das Bezirksamt Treptow-Köpenick die „Untersagung der Wohnnutzung“ auf dem Grundstück am Adlergestell. Auch hier wird eine gerichtlich bestätigte „Gefahr für Leib und Leben“ als Grund angegeben. Spätestens ab 28. November darf niemand mehr auf dem Gelände wohnen.

Bislang seien 45 Menschen in einem Hotel und einer Pension untergebracht worden, 11 davon mit Haustieren, teilt die Sprecherin des Bezirksamts der taz mit. Die Unterbringung sei zwar befristet, aber man setze auf eine soziale Lösung: „Von einer inhumanen und technokratischen Lösung kann hier keine Rede sein.“

Zurück nach Lichtenberg. Die letzte Sitzung der dortigen Bezirksverordnetenversammlung – eigentlich eine eher freudlose Veranstaltung – am vergangenen Donnerstag war nicht zuletzt aufgrund der angedrohten Trailerpark-Räumung überraschend gut besucht. Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU) verteidigte bei der Gelegenheit noch einmal die Zwangsmaßnahme: „Wir müssen jetzt handeln zum Wohl dieser Menschen.“

Kein Zuhause, sondern Unterbringung

Auch Baustadtrat Kevin Hönicke (SPD) nahm an der Sitzung teil, obwohl er „vom Dienst freigestellt“ ist. Statt ganz vorn saß er nun hinten in der Publikumsecke. Hönicke hatte vor bald drei Jahren die umstrittene Räumung des Obdachlosencamps an der Rummelsburger Bucht bei Minustemperaturen veranlasst. Dennoch schrieb er jetzt zum Hönower Wiesenweg auf X, vormals Twitter: „Dieses Vorgehen des Bezirksbürgermeisters entspricht null meinem Vorgehen.“ Von einer „einmaligen Chance“ sprach hingegen Schaefer. Im Wohnheim sei alles „nagelneu“, er habe sich selbst davon überzeugt. Die Unterkunft sei „allemal besser“ als der Trailerpark.

Tatsächlich ist das „Wohnungslosenwohnhaus“ des Berliner Wohnforums im Lichtenberger Ortsteil Friedrichsfelde frisch renoviert, die letzten Arbeiten laufen noch. Es ist noch etwas steril, aber der erste Eindruck ist gut. Das Haus nehme alle auf, die von der Wohnhilfe vermittelt werden, erklärt Andrea Koppelmann vom Wohnforum. Der Hintergrund der Menschen oder eine Drogensucht seien egal, nur innerhalb des Hauses dürfe nicht konsumiert werden. Die Be­woh­ne­r*in­nen könnten ihre Zimmer abschließen und in Gemeinschaftsküchen kochen, es gebe soziale Beratung und Betreuung.

„Die Menschen hatten vorher ein Zuhause, jetzt werden sie untergebracht“, sagt dagegen ein Nachbar des Trailerparks. „Ich will da nicht weg. Das ist mein Zuhause“, ergänzt eine hagere Platzbewohnerin. „Ich war fünf Jahre auf der Straße, und das ist das Maximum an Nähe, das ich zulassen kann.“

Wer überhaupt schuld ist an der Situation? Der Bezirk, der Eigentümer oder die Immobilienfirma Bonava? Klar ist, der Projektentwickler Bonava baut aktuell 1.000 Wohnungen genau gegenüber vom Trailerpark. Er soll Ziegler auch ein Kaufangebot gemacht haben. Für das Nachbargrundstück hat er bereits einen Bauantrag gestellt. Dafür müsste die Lichtenberger BVV allerdings den Flächennutzungsplan ändern.

Bezirk will noch von Räumung reden

Während der BVV-Sitzung vergangene Woche kam mit Dennis S. auch ein Bewohner des Trailerparks zu Wort. S. sprach vor allem für die Räumungsbedrohten mit Haustieren, Menschen wie er selbst. „Wir wissen nicht weiter“, sagte S. Die Be­woh­ne­r*in­nen seien mit der Situation überfordert. „Manche schaffen es auch psychisch nicht mehr“, berichtete er den Bezirksverordneten. Und fügte hinzu: „Wir lassen es nicht zu, dass wir am Dienstag unser Hab und Gut verlieren.“

Tatsächlich sieht es seit Donnerstag nicht mehr danach aus, als könnte die Räumung einfach durchgedrückt werden. So beschlossen die BVV-Fraktionen der Linken, Grünen und SPD einen gemeinsamen Antrag, der anstelle einer „Hauruckaktion“ einen schrittweisen Leerzug bis Ende Mai 2024 fordert. Inzwischen melden auch Berlins Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe und Innensenatorin Iris Spranger (beide SPD) Bedenken an. Selbst die Polizei will eine Räumung nicht unterstützen.

Er habe die Lage neu zu bewerten, sagt Bezirksbürgermeister Schaefer am Sonntag zur taz. Es gehe nicht um eine Räumung, sondern um ein „Schließen der Anlage“.

Er möchte die Menschen „motivieren“, mit einem am Montag und Dienstag bereitgestellten Bus in die Unterkunft gebracht zu werden. Polizei sei nicht geplant. Alles Weitere werde im Zuge einer Lagebewertung besprochen.

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