Die Sommerliste: Bücher mit Zukunft
Was lesen im Urlaub? taz FUTURZWEI empfiehlt zum Ferienstart Bücher mit neuen Gedanken.
ALEXANDER SCHIMMELBUSCH: HOCHDEUTSCHLAND
Wenn die AfD schon so abgeht, wie viele Leute kann man dann erst mit einem smarten Populismus gewinnen? Ex-Investmentbanker Schimmelbusch mit einem Plädoyer für Staatskapitalismus. Grell, komisch, clever. Ein Roman des Jahres.
RICHARD DAVID PRECHT: JÄGER, HIRTEN, KRITIKER
Das Analytische überwiegt einstweilen noch das Utopische. Aber Precht mutet sich bei aller Kritik der Entmündigungs- und Ausforschungsstrategien der Digitalwirtschaft zu, einige Elemente einer guten Gesellschaft mit digitaler Unterstützung zusammenzutragen. (Harald Welzer)
LUC BOLTANSKI/ARNOUD ESQUERRE: BEREICHERUNG. EINE KRITIK DER WARE
Der Zauber der Ware, er ist nicht ewig, sondern veränderbar: Nicht mehr die industrielle Massenproduktion ist das Paradigmatische des Kapitalismus, sondern die »Anreicherung von Dingen, die bereits da sind«, siehe Kunst und Immobilien. Boltanski und Esquerre untersuchen die neue »Anreicherungsökonomie«, in der etwas Paradoxes vor sich zu gehen scheint: Der Wert der Ware zerfällt nicht mit der Zeit, sondern er wächst. (Tania Martini)
FRED LUKS: AUSNAHMEZUSTAND. UNSERE GEGENWART VON A BIS Z
Wohltuend entfernt von jenem Effizienzmythos, der den Nachhaltigkeitsdiskurs unseligerweise dominiert, entfaltet Luks originelle und fruchtbare Gedanken. Unklar bleibt, warum Luks seine Kapitel alphabetisch gliedert. (Harald Welzer)
CHRISTOPH BIERMANN: MATCHPLAN. DIE NEUE FUSSBALL-MATRIX
Ja, gut, der Ball muss weiterhin ins Tor, aber ansonsten ist im modernen Fußball nichts mehr, wie es war. Biermann skizziert den Stand der Digitalisierung und Entschlüsselung des Spiels. Ideal zur WM. Allerdings nichts für die Waldemar-Hartmann-Traditionself, die ja größer ist, als man denken sollte.
JENS BECKERT: IMAGINIERTE ZUKUNFT
Geistige Unabhängigkeit gegenüber den machtvollen Narrativen des Kapitalismus ist das Eine. Das Zweite, das Beckert einwirft: das Literarische. Fiktionen haben das Potenzial, gesellschaftliche Diskurse auch im utopischen Sinne weiterzuführen und neu zu entwerfen. Die Kritik an der Ökonomie ist daher gleichbedeutend mit der Aufwertung und Relevanz des Ästhetischen. (Simon Scharf)
MATHIEU SAPIN: GÉRARD: FÜNF JAHRE AM ROCKZIPFEL VON DEPARDIEU
Depardieu, Schauspielstar, Steuerflüchtling, Putin-Freund. Hoffnungslos inkorrekt. Comicautor Mathieu Sapin begleitete das französische Enfant terrible im Alltag und auf Reisen. Und kam ihm dabei sehr nahe. Wer sich für anarchoide Individuen interessiert – hier ließe sich ein solches Prachtexemplar in allen seinen Widersprüchen und auf sehr heitere Weise studieren. (Andreas Fanizadeh)
JAN GERBER: KARL MARX IN PARIS
So viele Marx-Bücher wie heuer werden nie wieder erscheinen. Jan Gerber hat im Jubiläumsjahr eines der schönsten geschrieben und sich den jungen Marx vorgeknöpft: Den Philosophen Marx, der sich im aufrührerischen Paris radikalisiert und die Entfremdung populär macht, bevor er sich der Kritik der politischen Ökonomie widmen wird. (Tania Martini)
HANS, ANNA UND OLA ROSLING: FACTFULNESS
»Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist« heißt der Untertitel. Wie? Genauer hinschauen, scheinbar Bewährtes hinterfragen und sich der Mechanismen von Fehlinterpretationen bewusst sein. Am Ende gibt es zehn Faustregeln, und die sind gar nicht mal so doof. (Beate Willms)
RUTGER BREGMAN: UTOPIEN FÜR REALISTEN
Sehr konkrete Zukunftsvorschläge des niederländischen Philosophen um den Kern eines bedingungslosen Grundeinkommens herum. Glänzend, zum Teil auch spaßig, und ein handfestes Votum dafür, dass wir eines dringend brauchen: Zukunftsbilder. Und nicht Innovation, Disruption, Smartness und Bullshit. (Harald Welzer)
Die taz FUTURZWEI-Buchliste wird kuratiert von Andreas Fanizadeh (taz-Feuilletonleiter), Tania Martini (taz-Redakteurin politisches Buch), Beate Willms (taz-Leiterin Ökologie & Wirtschaft) sowie Dana Giesecke, Harald Welzer, Hanna Gersmann und Peter Unfried.
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