Kommentar Linkspartei und Venezuela: Brüder im Geiste

Viele Linke setzen ihre Hoffnungen auf Venezuela. Deshalb reagieren sie mit Wegschauen, Beschönigen und Rechtfertigung des Regimes.

Fußgänger laufen in Caracas an einer Barrikade vorbei, im Hintergrund Berge und Wolken

Verdacht auf Wahlfälschung, Verhaftungen von Oppositionellen, tote Demonstranten: Für all das steht die venezolanische Regierung Foto: ap

Ein Präsident, der eine Verfassunggebende Versammlung einberuft, weil ihm die Mehrheit im Parlament nicht passt, Verdacht auf Wahlfälschung, Verhaftungen von Oppositionellen, tote Demonstranten. Wie die Linkspartei reagieren würde, hieße dieser Präsident Erdoğan und wäre ein Verbündeter des Westens, kann man sich leicht vorstellen.

Der venezolanische Präsident Maduro regiert aber ein Land, auf das viele in der Linkspartei ihre Hoffnungen gesetzt haben. Die Linkspartei, in der Hardliner wie Wolfgang Gehrcke den außenpolitischen Ton angeben, reagiert deshalb mit Wegschauen, Beschönigen und Rechtfertigung des Regimes. Gehrcke war in den achtziger Jahren im Reformerflügel der DKP. In der Linkspartei wirkte er aber stets wie ein stalinistischer Betonkopf. Gehrcke war immer dort zu finden, wo es galt, die Politik von autoritären, aber anti­west­lichen Regimes zu legitimieren – von Assad bis Putin. Dem nächsten Bundestag wird er aus Altersgründen nicht mehr angehören.

Das Problem ist für die Linkspartei damit aber nicht vorbei. Der letzte Parteitag hat ein Papier „Solidarität mit Venezuela“ verabschiedet, womit selbstverständlich die Solidarität mit Maduro gemeint ist. Andere Abgeordnete wie Heike Hänsel denken ähnlich wie Gehrcke und werden auch im nächsten Bundestag sitzen.

Wäre die Linkspartei das, was sie vorgibt zu sein, nämlich eine moderne, demokratische Linke, würde sie jetzt eine Debatte beginnen, warum die bolivarische Revolution vor dem Bankrott steht. Sie müsste über autoritäre Tendenzen und Führergläubigkeit, über ein gescheitertes ökonomisches Modell und mangelndes Verständnis für demokratische Institutionen sprechen.

„An meine Zeit als DKP-Vorsitzender in Hamburg denke ich mit Freude zurück“, bekundete Gehrcke stattdessen kürzlich. Teile der Linkspartei sind immer noch nicht vollständig in der Demokratie angekommen. Und deshalb verteidigen sie Maduro, ihren Bruder im Geiste.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.

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