Kinosterben durch „Barbie“-Film: Unter­gang in Pink

Der Blockbuster-Film „Barbie“ von Greta Gerwig knackt alle Rekorde. Doch damit ist er nicht die Rettung, sondern der Tod des Kinos.

Viele verschiedene Barbiepuppen

Ist jetzt ein Filmstar: die Barbie Foto: reuters

Normalerweise wartet man im Kino darauf, dass die Werbung endlich zu Ende ist und der Film anfängt. Bei „Barbie“ fängt der zweistündige Werbeblock der Puppenfirma Mattel mit Filmbeginn erst richtig an.

Der Saal ist rappelvoll, jeder Platz besetzt mit Instagram-Menschen, die sich aus der Online-Welt ins Kino getraut haben. Das Publikum ist lauter als sonst üblich im Kino und viele sind pink gekleidet.

Das Kino ist tot, heißt es im Zeitalter der Streamingdienste kulturpessimistisch. Die Vermarktung von „Barbie“ hingegen ist so erfolgreich, dass sie nicht nur Mattel, sondern auch die Filmindustrie rettet, behaupten nun manche. Denn viele Ci­ne­as­t*in­nen meinen, mit den Zu­schaue­r*in­nen­zah­len liege der Beweis vor, dass das Kino nicht tot sei. Nur: Wenn Barbie der Beweis dafür ist, dass das Kino lebt, dann sollte es besser sterben.

Zwar lockt aktuell auch „Oppenheimer“ von Regisseur Christopher ­Nolan Zu­schaue­r*in­nen in die Kinos, doch so erfolgreich wie sein pinkfarbenes Pendant ist er nicht. 235 Millionen Dollar spielten beide Filme zusammen am ersten Wochenende in den USA ein, 155 Millionen davon „Barbie“. Die Kassen klingeln, das Kino lebt?

Vernachlässigte Handlung

Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: „Barbie“ wird dazu führen, dass der Kinosarg noch früher zugenagelt wird. Der Film hat zwar ein paar lustige Momente und kluge Gedanken, die einen erfreuen könnten, wenn man sich nicht sofort darüber klar würde, dass das Skript von Mattel abgesegnet ist. „Barbie“ zeigt, dass Produktfilme eine absurde Popularität erlangen und die Handlung dafür vernachlässigt werden kann.

Dass sich die Regisseurin Greta Gerwig, die einst der Indie-Bubble angehörte, für diesen Film verkaufte, hinterlässt einen bitteren Beigeschmack. Alles Antikapitalistische, alles Feministische, alles Konsumkritische von irgendeinem Mattel-Image-Heini genehmigt, weil seine Marktanalyse ergab, dass genau das von den Kon­su­men­t*in­nen dankend verschlungen wird.

Dass die Barbie-Puppe unrealistische Schönheitsstandards verkörpert, macht letztlich keinen Unterschied, sagt uns der Film. Weil man als Frau ohnehin nichts richtig machen könne. Weil zu viele Maßstäbe angelegt werden, als dass eine Frau sie erfüllen könnte – egal ob dick oder dünn. Das ist natürlich sehr praktisch für Mattel, die sich so jeglicher Verantwortung entziehen. Der Mattel-CEO, im Film gespielt von Will Ferrell, ist lächerlich und idiotisch, um nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, dass der Film Konzernpropaganda enthalten könnte.

Erfolg durch teures Marketing

Worum es in dem Film geht, was seine Botschaft ist, und warum uns ausgerechnet ein Konzern wie Mattel diese mitteilen will, wird nicht klar. Selbst die Aussage „Feminismus ist gut“ gelingt ihnen nicht. Denn in den letzten Minuten des vermeintlich emanzipatorischen Filmes wird „Barbie“ von ihrer Schöpferin aufgefordert, etwas zu fühlen. Es folgt ein Zusammenschnitt verschiedener Aufnahmen vieler glücklicher Mütter mit ihren Kindern. Am Ende ist es also das Muttersein, das die emotionale Erfüllung einer Frau ausmacht.

In einer Zeit, in der Au­to­r*in­nen in Hollywood gegen die Verwendung von künstlicher Intelligenz streiken, fühlt sich der größte Kinoerfolg des Jahres ironischerweise nach einem KI-Produkt an. Jede gewollte Tiefe bleibt flach. Jede erzwungene Sentimentalität lässt einen plastikkalt.

150 Millionen Dollar sollen für das Marketing des Films ausgegeben worden sein. Man konnte sich dem Pink in den letzten Wochen kaum entziehen. Google färbte sich pink, wenn man den Film oder die Schau­spie­le­r*in­nen nachschlug. Burger King Brasilien verkaufte Barbie-Burger und „Progressive“, eine US-amerikanische Versicherungsfirma, filmte einen Barbie-inspirierten Werbespot.

Die Produktion des Films selbst kostete übrigens nur 145 Millionen Dollar. Eine gute Nachricht fürs Kino also: Wer mehr Asche für das Marketing als für den Film verprassen kann, dem ist der Erfolg quasi sicher.

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