Bilanz der Weltklimakonferenz: Besser als gar nichts

Ein Ölmanager als Chef, eine desaströse Weltlage – reicht das, was die Regierungen in Dubai ausgehandelt haben, für den Erhalt unserer Erde? Ein Q&A.

Konferenzpräsident Sultan al-Jaber mit dem US-Klimabeauftragten John Kerry, sie halten einen Hammer in der Hand

Voll der Hammer: Konferenzpräsident Sultan al-Jaber mit dem US-Klimabeauftragten John Kerry Foto: Kamran Jebreili/ap

Steigt die Welt jetzt endlich aus der Nutzung fossiler Energien aus?

Es war der große Streitpunkt auf der am Mittwoch zu Ende gegangenen Weltklimakonferenz in Dubai, der COP28: der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas. Die Verbrennung von fossilen Energien ist die Hauptquelle von Kohlendioxid. Damit aufzuhören, ist entscheidend, wenn man eine katastrophale Erderhitzung verhindern will. Beschlossen wurde nun: Die Staaten werden „ersucht“, zum Übergang von fossilen Kraftstoffen in den Energiesystemen „beizutragen“, um bis 2050 die Klimaneutralität zu erreichen. Das ist natürlich vage.

„Die Entscheidung zur Abkehr von fossilen Energieträgern ist schwach und voller Schlupflöcher für fossile Brennstoffe“, kritisiert etwa der Klimaforscher Niklas Höhne, Professor an der niederländischen Wageningen-Universität und Leiter des Thinktanks New Climate Institute. Und Johan Rockström, Co-Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, warnt: „Der COP28-Abschluss wird die Welt nicht in die Lage versetzen, die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten.“ Dafür müssten die CO2-Emissionen nämlich rapide sinken, schon bis 2030 etwa um die Hälfte, bis 2050 praktisch auf null. Verbindlich ist der Beschluss ohnehin nicht. Er entspricht einer Selbstverpflichtung der fast 200 Regierungen, die in Dubai verhandelt haben.

Die Op­ti­mis­t*in­nen sagen: Aber die Richtung ist doch jetzt klar – irgendwie weg von fossilen Energien. Und nicht erst in tausend Jahren. Tatsächlich ist das im Kosmos der notorisch zähen Weltklimakonferenzen ein Fortschritt. Im Pariser Weltklimaabkommen von 2015 werden fossile Energien noch nicht mal erwähnt.

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Vor zwei Jahren debattierte die Weltklimakonferenz in Glasgow erstmals über einen Ausstieg, aber nur aus der Kohle. Selbst das hat damals nicht geklappt, die Kohleländer China und Indien blockierten im letzten Moment. Am Ende war im Beschluss nur noch von einer „Reduktion“ der Kohlenutzung die Rede statt von einem vollständigen „Ausstieg“.

Ein Jahr später, bei der Konferenz im ägyptischen Scharm el-Scheich gab es viele Länder, die sich hinter einem Vorstoß zum Ausstieg aus den Fossilen versammelten. Auf den Druck von Ölländern hin schaffte er es aber nicht mal in einen offiziellen Entwurf, geschweige denn in den finalen Beschluss. Jetzt ist mit dem „Übergang“ ein ganz neues Wort aufgetaucht, das sich so oder so interpretieren lässt und für alle tragbar war.

Abgewendet wurde auch, dass der Beschluss ausdrücklich fossile Kraftwerke weiter zulässt, wenn die Betreiber die CO2-Emissionen abfangen und unterirdisch speichern. Die entsprechenden Technologien gelten bislang als teuer, ineffektiv und zu wenig vorhanden. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ist jedenfalls zufrieden: „Diese Klimakonferenz besiegelt de facto das Ende des fossilen Zeitalters“, sagte sie kurz nach Ende der Konferenz.

Weniger umstritten als der Ausstieg aus den fossilen Energien war die andere Seite der Medaille: der Ausbau sauberer Kraftwerke. Die Kapazität erneuerbarer Energien soll sich bis 2030 global verdreifachen, das Tempo bei der Verbesserung der Energieeffizienz soll sich verdoppeln.

Bekommt der Globale Süden jetzt endlich Schadenersatz für die Klimakrise?

Das war einer der großen Durchbrüche der Konferenz – und kam direkt an ihrem ersten Tag. Ein Fonds für klimawandelbedingte Schäden und Verluste, der prinzipiell schon im vergangenen Jahr beschlossen wurde, ist nun startklar. Die Weltklimakonferenz hat sich auf die Details zu dem Fonds geeinigt, zum Beispiel darauf, dass er bei der Weltbank angesiedelt wird. Jetzt kann bald endlich Geld fließen, wenn die Klima­krise in Ländern Zerstörung anrichtet, die sich den Wiederaufbau nicht leisten können – und das tut sie jetzt schon oft.

Als symbolische erste Finanzzusagen kündigten die Vereinigten Arabischen Emirate und Deutschland je 100 Millionen US-Dollar an – genug, um die Verwaltungskosten des Fondsaufbaus zu stemmen. Um die konkrete Summe ging es aber gar nicht so sehr, sondern mehr darum, wer sie leistete: nämlich die Bundesrepublik als Indus­trie­land zusammen mit einem Staat, der trotz mittlerweile großer Volkswirtschaft und enormen CO2-Emissionen nicht als solches zählt. Nur Industrieländer müssen Klima-Hilfsgelder zahlen.

Die Hoffnung war, dass sich auch zunehmend andere beteiligen, die dazu bestens in der Lage sind. Das ist bisher nicht eingelöst. Es kamen zwar noch ein paar hundert Milliönchen dazu, allerdings nur von Industrieländern. Und gemessen an den Schäden durch die Klimakrise sind die Summen gering.

Noch etwas kritisieren Be­ob­ach­ter*innen des Klimagipfels: „Der Fortschritt für die Finanzierung von Schäden und Verlusten wurde von einem deutlichen Rückgang der Anpassungsfinanzierung durch die Indus­trie­länder überschattet“, sagte Julia Grimm von der Organisation Germanwatch. Es fehlt also Geld, um es armen Ländern zu ermöglichen, sich an die nicht abwendbaren Folgen der Klimakrise anzupassen – damit gar nicht erst so viele Schäden und Verluste entstehen.

Präsident der Weltklimakonferenz in Dubai war Sultan Ahmed al-Jaber, Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate und Manager des staatlichen Ölkonzerns. Wie hat der sich jetzt eigentlich geschlagen?

„Danke, Herr Präsident“ – die Worte fielen im Abschlussplenum des Klimagipfels oft. Auch Annalena Baerbock begann ihr Statement dort damit, al-Jaber „für den großartigen Abschluss dieser Konferenz“ zu danken. Nicht so eine Vertreterin aus dem pazifischen Inselstaat Samoa, der vom Anstieg des Meeresspiegels massiv bedroht ist: „Es scheint, als hätten Sie den Hammer fallen lassen, als die kleinen Inselstaaten noch gar nicht im Raum waren“, beklagte sie sich bei al-Jaber. „Dieser Prozess hat uns im Stich gelassen.“

Auch während des Klimagipfels war al-Jabers Rolle immer wieder in der Diskussion gewesen. Kann jemand, der so fester Teil der Ölwirtschaft ist, eine Klimakonferenz leiten? Formal hat der Konferenzpräsident keine Entscheidungsgewalt, er formuliert aber die Beschlüsse vor.

Die britische Zeitung Guardian hatte über Aussagen al-Jabers von Mitte November berichtet, nach denen „keine Wissenschaft“ belegen würde, dass zum Halten des 1,5-Grad-Limits ein Ausstieg aus den fossilen Energien nötig sei. Daraufhin verteidigte al-Jaber sich. Die Wissenschaft sei ihm als Ingenieur sehr wichtig. Der Chef des Weltklimarats Jim Skea sprang ihm bei und berichtete von mehreren persönlichen Treffen. „Ich kann sagen, dass Dr. Sultan der Wissenschaft gegenüber sehr aufmerksam war, und ich glaube, dass er sie vollständig verstanden hat.“

Das sehen nicht alle so. Für Richard J. T. Klein vom Stockholm Environment Institute hat al-Jaber „wie ein Clown die Wissenschaft verspottet“.

Die Diskussion bleibt wohl erhalten. Die nächste Weltklimakonferenz soll 2024 in Aserbaidschan stattfinden. Die Wahl ist gleich aus mehreren Gründen kontrovers: Das Land hatte gerade erst im Herbst erneut Nachbar Armenien im Konflikt um die Enklave Bergkarabach aggressiv angegriffen.

Außerdem hat Aserbaidschan den Zuschlag nur durch die Gunst Russlands bekommen, das nach wie vor einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt. Dem üblichen Turnus der Weltklimakonferenzen entsprechend sollte der Standort in Osteuropa, im Kaukasus oder in Zentralasien liegen, aber die Region konnte sich lange nicht einigen – weil Russland jegliche Mitglieder der Europäischen Union blockierte. Und zu guter Letzt verdankt Aserbaidschan wie auch die Vereinigten Arabischen Emirate seinen Wohlstand weitgehend dem Verkauf von Erdöl.

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