Verfassungsschutz stuft AfD Sachsen ein: Erwiesen rechtsextrem

Nach Thüringen und Sachsen-Anhalt stuft der Verfassungsschutz den dritten Landesverband der AfD als „unzweifelhaft“ verfassungsfeindlich ein.

Zerstörtes Wahlplakat der AFD

Der sächsische Landesverband der AFD wurde als „unzweifelhaft“ verfassungsfeindlich eingestuft Foto: Christian Ohde/imago

BERLIN taz | Der sächsische Landesverband der AfD ist erwiesen rechtsextrem. Zu diesem Ergebnis kommt das zuständige Landesamt für Verfassungsschutz (LfV), das die AfD zuvor vier Jahre lang beobachtet und ein 134-seitiges Gutachten erstellt hat. Die AfD sei „mit sofortiger Wirkung als erwiesene rechtsextremistische Bestrebung einzustufen“, heißt es.

Äußerungen von Parteifunktionären und politische Forderungen belegten „in der Summe unzweifelhaft, dass der hiesige AfD-Landesverband verfassungsfeindliche Ziele verfolgt“, so Dirk-Martin Christian, Präsident des LfV. Und weiter: „An der rechtsextremistischen Ausrichtung der AfD Sachsen bestehen keine Zweifel mehr.“

Der Verfassungsschutz hat die sächsische AfD zunächst als Prüffall, seit Februar 2021 als sogenannten Verdachtsfall beobachtet. Bereits im April wurde die Jugendorganisation der AfD, der sächsische Landesverband der Jungen Alternative, als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. Der Landesverband ist nach Thüringen und Sachsen-Anhalt nun der Dritte, dem der Verfassungsschutz eindeutig verfassungsfeindliche Ziele bescheinigt. Mit der Einstufung stehen diese auf einer Ebene mit der NPD. Im kommenden Jahr wird in Sachsen der Landtag neu gewählt, nach Umfragen könnte die AfD dabei stärkste Kraft werden.

„Der Landesverband der AfD mag zwar personell heterogen zusammengesetzt sein, inhaltlich-programmatisch überwiegt jedoch das aus dem früheren ‚Flügel‘ hervorgegangene sogenannte solidarisch-patriotische Lager, dessen geistiger Vater und Anführer der Rechtsextremist Björn Höcke ist und das inzwischen den Charakter des gesamten Landesverbandes prägt und dominiert“, so LfV-Präsident Christian weiter. Von rechtsextremen Äußerungen führender AfD-Politiker*innen gebe es keine öffentlichen Distanzierungen. Die Partei erscheine nach außen wie ein „monolithischer Block“.

Landespartei verfolgt Ethnopluralismus

Dem Gutachten zufolge richten sich zahlreiche inhaltliche Positionen des AfD-Landesverbands gegen die Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, zum Beispiel in der Migrationsfrage gegen die im Grundgesetz verankerte Garantie der Menschenwürde. „Die Landespartei verfolgt im Hinblick auf die Zuwanderung eine Politik des sogenannten Ethnopluralismus, einem Markenkern des politischen Rechtsextremismus“, heißt es.

Danach würde sich der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ausschließlich nach ethnisch-biologischen beziehungsweise kulturellen Kriterien richten. „Ein solches Volksverständnis ist jedoch mit dem Grundgesetz unvereinbar“, heißt es in dem Gutachten.

Mit dem Ethnopluralismus würde zwangsläufig die Herabsetzung, Ausgrenzung und Benachteiligung fremder Völker, also von Mi­gran­t*in­nen und ethnischen Minderheiten, einhergehen. Sie würden als Menschen zweiter Klasse angesehen und pauschal verächtlich gemacht. „Eine derart rassistische Ausprägung des Volksbegriffs, wie ihn die AfD Sachsen öffentlich vertritt, hat seine Wurzeln im historischen Nationalsozialismus“, urteilt LfV-Chef Christian.

Führende Vertreter der Landespartei, so heißt es in dem Gutachten, verwendeten in diesem Kontext im öffentlichen Diskurs regelmäßig ideologische Kampfbegriffe der rechtsextremen Szene, wie „Der Große Austausch“, „Umvolkung“ oder die Forderung nach „Remigration“. Der AfD-Landesverband vertritt laut Gutachten zudem „typische völkisch-nationalistische Positionen“ und bedient sich zudem gängiger antisemitischer, zumeist verschwörungsideologischer Positionen.

Gesamt-AfD ist rechtsextremistischer Verdachtsfall

„Die sächsische AfD hat während der Verdachtsfallprüfung die Anzahl ihrer Kooperationspartner aus dem rechtsextremistischen Spektrum weiter ausgedehnt und ist inzwischen fast mit sämtlichen relevanten rechtsextremistischen Akteuren eng vernetzt“, so Christian weiter. „Auch insoweit kann es als gesichert gelten, dass die Partei Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verfolgt.“

Viel spricht dafür, dass die Sachsen-AfD juristisch gegen die Einstufung vorgehen wird. „Ich gehe fest davon aus, dass wir dagegen klagen werden“, sagte Landesvorstandsmitglied Sebastian Wippel der taz. Formal brauche es dafür aber einen Beschluss des Landesvorstands.

Anders als die drei Landesverbände ist die AfD als Gesamtpartei als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft, das ist eine Stufe darunter. Gegen diese Einstufung hat die Partei geklagt, ist damit vor dem Verwaltungsgericht in Köln aber weitgehend gescheitert. Nun liegt der Fall beim Oberverwaltungsgericht in Münster. Das wird am 27. Februar 2024 über dieses und zwei weitere Berufungsverfahren der AfD mündlich verhandeln. In den beiden anderen Fällen geht es um den offiziell aufgelösten „Flügel“ um Björn Höcke und die Nachwuchsorganisation „Junge Alternative“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Mit der taz Bewegung bleibst Du auf dem Laufenden über Demos, Diskussionen und Aktionen gegen rechts.

Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.