Abschluss der COP28: Pathos nach dem Hammerfall

Die Weltklimakonferenz in Dubai stellt ein Ende der Nutzung klima­schädlicher Energien in Aussicht. Leider bleibt das Abschlusspapier vage.

Sultan Amehd al Jaber verlässt das Podium

Der wohl umstrittenste COP-Chef bisher: Sultan Ahmed Al-Jaber Foto: Amr Alfiky/reuters

DUBAI taz | Kurz kann er sein Glück selbst kaum fassen: Sultan Ahmed al-Jaber hat den Hammer fallen lassen. Die Augen des Präsidenten der Weltklimakonferenz in Dubai wandern nach links, nach rechts. Ein Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus. Hat er es an diesem Mittwochvormittag wirklich geschafft, nur Minuten nach Beginn des Abschlussplenums von fast 200 Ländern, den wichtigsten Beschluss in trockene Tücher zu bekommen?

In der sogenannten Globalen Bestandsaufnahme haben die Regierungen damit gemeinsam festgehalten, wo sie die Welt beim Klimaschutz sehen – und wo sie sie noch hinbringen wollen.

Was nicht vereinbart wurde, war während der zweiwöchigen Verhandlungen das größte Streitthema gewesen: Ein Ausstieg aus den fossilen Energien. Stattdessen werden Staaten „ersucht“, zu einem Übergang weg von fossilen Kraftstoffen in Energiesystemen „beizutragen“. Eine weiche Formulierung also. Trotzdem ist es das erste Mal, dass die Weltklimakonferenz ein Ende fossiler Energien für das Klima überhaupt in Aussicht stellt. Einzelne Länder haben das natürlich schon getan, aber alle fast 200 zusammen bisher nicht.

Auch die Delegierten der einzelnen Teilnehmerstaaten scheinen kurz überrascht zu sein, als der Hammer des COP-Präsidenten fällt. Ein paar Sekunden verstreichen, bevor der übliche Applaus beginnt. Normalerweise enden die Klimakonferenzen nicht reibungslos. Vor jeglichem Beschluss will doch mit Sicherheit noch mal Indien weniger Fokus auf Kohle, Brasilien mehr Geld, irgendwie so etwas. Und diesmal: Niemand? Im Prinzip hat al-Jaber schlicht nicht genug Zeit für solche Zwischenmeldungen gelassen und alle ein wenig überrumpelt. Und so geht er dann auch schnellstens nach dem Hammerfall dazu über, mit allem Pathos der Welt die anwesenden Regierungen zu loben.

„Lassen Sie mich zuerst aus tiefstem Herzen Salam Aleikum und Danke sagen“, sagt al-Jaber. Um eine bessere Zukunft „für unsere Menschen und unseren Planeten“ zu sichern, habe man zwei Wochen lang hart gearbeitet. Die Welt müsse auf einen neuen Pfad kommen. „Indem wir unserem Polarstern gefolgt sind, haben wir diesen Pfad gefunden.“

Kritik von Inselstaat-Vertreterin

Polarstern – so hat al-Jaber schon den ganzen Gipfel über das 1,5-Grad-Ziel genannt. Laut Pariser Weltklimaabkommen wollen die Staaten die Erderhitzung bei deutlich unter 2 Grad gegenüber den vorindustriellen Zeiten begrenzen – möglichst nicht mehr als 1,5 Grad ist die Zielmarke.

Aktuell sind diese 1,5 Grad schon fast erreicht, man ist nur noch etwa 0,3 Grad entfernt. Und die bisherige Erderhitzung hat nachweislich schon etliche Katastrophen begünstigt: das Ahrtalhochwasser 2021 zum Beispiel, die enormen Fluten in Pakistan ein Jahr später, zahlreiche tödliche Hitzewellen überall in der Welt, die Liste ist lang. Um die Erwärmung bei 1,5 Grad zu begrenzen, müssten die CO2-Emissionen sich bis zum Ende des Jahrzehnts ungefähr halbieren – um bis 2050 praktisch bei null zu liegen.

Sabine Minninger, Brot für die Welt

Die Weltgemeinschaft zeigt sich empathisch. Jedoch mangelt es am politischen Willen, finanziell Verantwortung zu übernehmen

Im Saal in Dubai nun doch noch eine Wortmeldung aus dem Plenum: „Wir sind ein bisschen verwirrt darüber, was gerade passiert ist“, sagt eine Vertreterin vom kleinen Inselstaat Samoa, der nordöstlich von Fidschi im Pazifischen Ozean liegt. „Es scheint, als hätten Sie den Hammer fallen lassen, als die kleinen Inselstaaten noch gar nicht im Raum waren“, beklagt sie an den Konferenzpräsidenten al-Jaber gerichtet. „Der Entwurf, den Sie uns präsentiert haben, enthält gute Elemente. Die Frage ist: Sind sie gut genug?“ Nein, findet Samoa. Der Inselstaat läuft Gefahr, vom steigenden Ozeanpegel schlicht verschluckt zu werden. „Dieser Prozess hat uns im Stich gelassen“, rekapituliert die Vertreterin Samoas die vergangenen Konferenztage.

Al-Jabers großer Auftritt ist nun akut in Gefahr: Viele Delegierte im Plenarsaal stehen auf, spenden der Ver­tre­te­r*in aus Samoa rauschenden Applaus, sogar Jubel. Und der Konferenzpräsident guckt griesgrämig. Aber beschlossen ist beschlossen: Die Anmerkung aus Samoa geht ins Protokoll.

Aber hat die Vertreterin des Inselstaats Recht – reicht schon wieder alles nicht, was mühsam an Klimakompromissen errungen wurde?

„Der COP 28-Abschluss wird die Welt nicht in die Lage versetzen, die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten“, sagt Klimawissenschaftler Johan Rockström, Co-Chef des renommierten Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Von einem „entscheidenden Meilenstein“ spricht er trotzdem. „Die ­Aussage zur Abkehr von fossilen Brennstoffen bleibt jedoch zu vage und es gibt keine harten und nachvollziehbaren Grenzen für 2030, 2040 und 2050.“ Es gebe keinen überzeugenden Plan, wie der Übergang weg von fossilen Brennstoffen erfolgen soll. „Wir wissen, dass dies nicht allein durch nationale freiwillige Maßnahmen geschehen wird“, so Rockström. „Es sind auch kollektive, globale Vereinbarungen über die Finanzierung, die Bepreisung von Kohlenstoff und den Technologieaustausch erforderlich, und zwar in einem Umfang, der weit über das hinausgeht, was derzeit auf dem Tisch liegt.“

Finanziell verantwortungslos

Neben der Abkehr von fossilen Kraftstoffen haben sich die Staaten in der Globalen Bestandsaufnahme vorgenommen, die Kapazität an erneuerbarer Energie bis 2030 zu verdreifachen sowie das Tempo bei der Steigerung der Energieeffizienz zu verdoppeln.

Es sind auch weitere Beschlüsse gefallen, ein globales Anpassungsziel beispielsweise. Es soll helfen, die Welt auf die Folgen der Klimakrise vorzubereiten, die nicht mehr zu verhindern sind – damit mehr Menschen Hitze, Starkregen, Dürre, Fluten und Meeresspiegelanstieg überleben. Das betrifft sämtliche Länder, aber besonders den Globalen Süden. Dort fehlt es an Geld, um die nötigen Anpassungsmaßnahmen vorzunehmen.

„Die Weltgemeinschaft zeigt sich empathisch für die Nöte und den Überlebenskampf derjenigen in der Klimakrise, die sie nicht verursacht haben, aber am stärksten betroffen sind“, meint Sabine Minninger von Brot für die Welt. „Jedoch mangelt es bei den Verursachern der Klimakrise erheblich am politischen Willen, auch finanziell Verantwortung zu übernehmen.“

Also wird nächstes Jahr weiterverhandelt. 2024 zieht die COP nach Aserbaidschan. Klar war, dass dem üblichen Turnus entsprechend ein Land aus Osteuropa, Kaukasus oder Zentralasien dran ist. Russland blockierte Bewerbungen von EU-Ländern. Und auch Aserbaidschan kam durch den Angriff auf Armenien nicht infrage – bis es doch eine Übereinkunft gab. Wie die Vereinigten Arabischen Emirate gehört Aserbaidschan zu den ­Ländern, deren Wirtschaftskraft stark auf dem Export von fossilem Öl beruht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.