Analyse AfD-Fraktion im Bundestag: Das Tabu zerbröselt

Die AfD will den Bundestag aufmischen – und das wird ihr auch gelingen. Zuerst kämpft sie aber intern: Petry will nicht der Fraktion angehören.

Alexander Gauland und Alice Weidel

Schatten über dem Sieg: Gauland und Weidel feiern den AfD-Einzug in den Bundestag Foto: ap

Es ist eine Zäsur. Erstmals in der jüngeren Geschichte zieht eine Partei rechts von der Union in den Bundestag ein. Eine Partei, die Rechtsradikale in ihren Reihen hat und die Grenze zum Rechtsextremismus immer wieder lustvoll überschreitet. Die AfD wird mit 12,6 Prozent der Wählerstimmen drittstärkste Kraft, im Osten liegt sie auf Platz zwei, in Sachsen ist sie ganz knapp sogar stärkste Partei. Hier haben die Rechtspopulisten auch drei Direktmandate geholt.

Die AfD-WählerInnen sind weder alle rechtsextrem noch wirtschaftlich abgehängt. Klar ist: Auch so genannte bürgerliche WählerInnen lassen sich von zunehmend rechten Sprüchen nicht mehr abhalten, für die AfD zu stimmen. Lange galt in Deutschland ein Tabu, das uns vor der Entwicklung wie in anderen europäischen Ländern bewahrte: Wer sich nicht klar vom Rechtsextremismus distanzierte, hat im Bundestag nichts zu suchen. Doch dieses Tabu, das sechs Jahrzehnte gehalten hat, zerbröselt.

Gleich nach den ersten Prognosen hat Alexander Gauland, Spitzenkandidat und starker Mann der AfD, unter großem Jubel seiner Anhänger den künftigen Kurs vorgegeben. Die AfD werde die Regierung „jagen“, sagte Gauland. „Und: „Wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen.“ Das klingt aggressiv und das soll es auch. Die AfD will das Klima im Bundestag verändern. In vielen Landtagen ist bereits zu beobachten, wie erfolgreich die Rechtspopulisten damit sind. Das Personal dafür haben sie: In den Bundestag ziehen zahlreiche Männer ein, die nicht nur weit rechts stehen, sondern auch gerne pöbeln. Stephan Brandner, Höcke-Vertrauter aus Thüringen, ist so ein Beispiel, auch Jens Maier aus Sachsen.

Doch die AfD will weit mehr als den Bundestag aufmischen. „Wir werden dieses Land verändern“, hat Gauland bereits am Sonntagabend gesagt. Die Partei will ein gesellschaftliches Rollback – und Gauland selbst hat in der Endphase des Wahlkampfes deutlich gemacht, wohin die Reise gehen soll. Mit seinen Äußerungen über die Entsorgung von Aydan Özoğuz in Anatolien und darüber, stolz auf die Soldaten der Wehrmacht zu sein, hat er zwei Themen aufgemacht, in denen in den vergangenen Jahrzehnten Fortschritte mühsam errungen wurden, die einem Teil der Gesellschaft nicht gefallen: das Staatsbürgerschaftsrecht und die Geschichtspolitik.

Doch Gauland hat am Sonntagabend seine Partei auch zur – rhetorischen – Mäßigung aufgerufen: „Bitte keine Sprüche, die uns später auf die Füße fallen“, rief er seinen Anhängern zu. Der kluge Machtstratege weiß, dass 94 Sitze im Bundestag auch eine Gefahr sein können. Es werden AfDler in den Bundestag einziehen, die die Landeslisten auffüllten, aber selbst in der Partei wenig bekannt, politisch unerfahren und zudem unkalkulierbar sind. Dass dies zum Problem werden kann, haben die Landtagsfraktionen bereits gezeigt.

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Der rechte Gauland-Flügel wird in der neuen Fraktion in der Mehrheit sein, doch alle Strömungen der gespaltenen Partei sind vertreten. Streit und Machtkämpfe, die während des Wahlkampfs mühevoll im Zaum gehalten wurden, werden jetzt erneut aufbrechen. Das zeigte sich gleich am Montag: Frauke Petry machte deutlich, dass sie der AfD-Fraktion im Bundestag nicht angehören wird.

Kaum hatte sie die Neuigkeit verkündet, verließ sie eine gemeinsame Pressekonferenz mit den SpitzenkandidatInnen Alice Weidel und Alexander Gauland in Berlin. Damit sind die innerparteilichen Konflikte in der AfD unmittelbar nach ihrem Wahlerfolg dramatisch eskaliert. Entscheidend wird nun sein, wie viele Abgeordnete Petry folgen werden – und ob dies in die Landtagsfraktionen überschwappt.

Petry hatte im Machtkampf um den Parteiausschluss von Rechtsaußen Björn Höcke extrem an Einfluss verloren, die Spitzenkandidatur musste sie ihrem parteiinternen Gegner Gauland und Alice Weidel überlassen. Als Anführerin der sächsischen Landesliste hat sie für die AfD nun zwar das herausragende Ergebnis erzielt: Die AfD ist in Sachsen nicht nur stärkste Kraft, Petry hat im Erzgebirge auch ein Direktmandat geholt. Und das, obwohl während des Wahlkampfes parteiinterne Gegner versuchten, ihr die Kandidatur dort streitig zu machen. Doch Petry hat in der Partei viele gegen sich aufgebracht, auch so manchen, der ihr eigentlich inhaltlich nahesteht. Und das zuletzt wenige Tage vor der Wahl, als sie sich von den AfD-SpitzenkandidatInnen distanzierte.

Vielleicht hat die AfD zunächst mal wieder vor allem mit sich selbst zu tun.

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