In Fabrik oder Gastro: Ferienjobs sollten verboten werden

Über Ferienjobs wird gesprochen, als wären sie das Normalste der Welt. Dabei sollten Minderjährige nicht arbeiten müssen.

Am Fließband werden Croissants verarbeitet

Die einen machen Urlaub, die anderen immer die gleichen Handbewegungen Foto: Westend61/imago

Als Schüler habe ich in den Sommerferien in einer Fabrik für Türöffner gearbeitet. Ich habe verschiedene Teile eines Türöffners zusammengeschraubt, mal diese zwei Teile, dann jene zwei Teile, dann wiederum andere zwei Teile. Acht Stunden am Tag, fünf Tage die Woche, sechs Wochen lang immer die gleichen Handbewegungen. Wenn mein Kapo es gut mit mir meinte, gönnte er mir eine Abwechslung, und ich durfte die Waren versandfertig machen. Von dem Lohn habe ich meinen Führerschein bezahlt.

Außer die erdrückende Monotonie erinnere ich von diesem und anderen Ferienjobs, dass die Mittagspausen sehr kurz waren, dass ich jeden Abend kaputt nach Hause kam, meinen Vater amüsiert den Satz sagen hörte „So ist das, Junge, jetzt weißt du, was arbeiten bedeutet“, bevor ich viel zu früh einschlief, manchmal ohne es unter die Dusche geschafft zu haben. Ich erinnere mich daran, wie sehr ich auf einmal die Schule herbeisehnte, wie motiviert ich war, als sie endlich wieder losging, wie ich mir schwor, das Abitur zu schaffen, damit die Fa­brik­arbeit Ferienarbeit bleibt und ich dort nicht jahrelang arbeiten muss, so wie mein Vater, so wie andere junge Männer, die ich dort kennengelernt habe und die nur ein paar Jahre älter waren als ich.

Später im Studium habe ich Kommilitonen, die in den Ferien nicht arbeiten mussten, nicht ohne Stolz von der Sommerarbeit erzählt. Auch in dieser Kolumne könnte ich schreiben, wie froh ich darüber bin, dass ich früh selbstständig war, mein eigenes Geld verdient habe, dass mich das positiv geprägt hat, dass ich diese Erfahrung nicht missen möchte.

Verlorene Lebenszeit

Aber ich schreibe, wie es wirklich ist: Die vielen Wochen Ferienarbeit in meiner Schulzeit, in denen Altersgenossen neue Orte entdeckt, neue Menschen kennengelernt und sich erholt haben, sind viele Wochen verlorene Lebenszeit, die ich nicht wieder zurückbekommen werde. Es sind verlorene Wochen, in denen ich wie andere hätte reisen, mich selbst kennenlernen, mir Gedanken über meine Zukunft machen oder einfach lernen können, wie man richtig Urlaub macht. Das sind nämlich Dinge, die jeder Mensch früh im Leben tun sollte, Dinge, die Menschen ein Leben lang prägen.

Jetzt, in der Ferienzeit, wird auch mangels anderer Themen über Ferienjobs diskutiert, und ich frage mich: Wieso ist Kinderarbeit nur ein Skandal, wenn sie in einem Land des Globalen Südens verrichtet wird, und in Deutschland, einem der reichsten Länder der Welt, reden wird darüber, als wäre sie das Normalste der Welt?

Dabei sollte Lohnarbeit durch Minderjährige verboten werden. Stattdessen sollten Wohlhabende, deren Kinder vielleicht auch mal einen Ferienjob machen, aber nicht arbeiten müssen, um sich den Führerschein oder die Studienfahrt zu leisten, eine Feriensteuer zahlen. Mit diesem Geld sollen die Jugendlichen, die sonst arbeiten müssen, ihren Führerschein finanzieren. Oder einfach mal Urlaub machen.

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Kolumnist (Postprolet) und Redakteur im Ressort taz2: Gesellschaft & Medien. Bei der taz seit 2016. Schreibt über Soziales, Randständiges und Abgründiges.

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