Olaf Scholz in Westafrika: Vorbei an der Realität

Olaf Scholz wollte in Nigeria einen härteren Kurs gegen Migration fahren. Ihm und Präsident Bola Tinubu fehlt aber das Verständnis für die Ursachen.

Olaf Scholz mit einer roten Rettungsweste

Bundeskanzler Olaf Scholz bei einer Bootsfahrt auf seiner Nigeria-Reise am Montag in Lagos Foto: Michael Kappeler/dpa

Bundeskanzler Olaf Scholz konnte wohl nicht anders. Der über Monate aufgebaute Druck auf die Bundesregierung, einen härteren Kurs in Sachen Migration zu fahren und mehr Menschen zügiger abzuschieben, hat sich während seiner Reise nach Nigeria entladen.

In der Pressekonferenz mit Präsident Bola Tinubu geht es darum, im Gespräch mit Jour­na­lis­t:in­nen ebenfalls. Und die Fotos vom Besuch eines Migrationszentrums in der Wirtschaftsmetropole Lagos dürfen ebenfalls nicht fehlen. Dabei sind die knapp 14.000 Ni­ge­ria­ne­r:in­nen in Deutschland ohne Bleibeperspektive eine verschwindend geringe Zahl: Allein in Lagos leben rund 20 Millionen Menschen.

Was wieder fehlt, ist das Verständnis, warum Menschen das Land verlassen wollen. Die Sicherheitslage ist schlecht, die wirtschaftliche Situation katastrophal; die Inflationsrate liegt bei knapp 27 Prozent. Millionen Familien leben in der Abwärtsspirale. Verliert ein Elternteil den Job, ist die Zukunft der Kinder dauerhaft gefährdet. Das Glück anderswo zu versuchen, ist allzu nachvollziehbar. Doch auch hier gilt: Die Zahl derer, die das Land verlassen, ist minimal. Nigeria hat 220 Millionen Einwohner:innen.

Migrationszentren ändern daran nichts. Durch sie entstehen keine Jobs, die so bitter nötig sind. Wie in vielen Teilen der Welt werden die ohnehin über Beziehungen vergeben. Informationen über den deutschen Jobmarkt lassen sich ebenfalls anderswo finden.

Besser ohne Staat

Auch Programme zur Wiedereingliederung gibt es zahlreiche. In Städten wie Benin City, Migrationsdrehkreuz des Landes, fragt man sich, wie viele Frisörinnen und Schneiderinnen noch ausgebildet werden sollen.

In der Verantwortung dafür ist natürlich auch der nigerianische Staat, der strukturelle Probleme bekämpfen muss: Dazu würde eine verbesserte Sicherheitslage gehören, der Ausbau der Infrastruktur, des Stromnetzes und des Gesundheitssystems. Vor allem aber muss es Vertrauen in den Staat geben. In Nigeria vertreten viele die Ansicht: Ohne den Staat geht es besser als mit ihm.

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Nach dem Abitur im Münsterland bereiste sie zum ersten Mal Südafrika und studierte anschließend in Leipzig, Helsinki und Kopenhagen Journalistik und Afrikanistik. Nach mehreren Jahren im beschaulichen Schleswig-Holstein ging sie 2010 nach Nigeria und Benin. Seitdem berichtet sie aus ganz Westafrika – besonders gerne über gesellschaftliche Entwicklungen und all das, was im weitesten Sinne mit Religion zu tun hat.

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