Hamas-Angriff auf Israel: Viel Lob für Habeck-Video

Der Vizekanzler erklärt in einem Video Israels Sicherheit als deutsche „Staatsräson“ und verurteilt Antisemitismus – von links, rechts, von Muslimen.

Robert Habeck im Portrait

Vizekanzler Robert Habeck trifft den richtigen Ton Foto: Soeren Stache/dpa

BERLIN taz/dpa | Dunkler Anzug, weißes Hemd, Krawatte, so steht Robert Habeck da und sagt, fast vier Wochen nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel sei die öffentliche Debatte aufgeheizt, mitunter verworren. Er wolle dazu beitragen, sie zu entwirren. Und dann folgt eine knapp zehnminütige Videoansprache, die sein Ministerium am späten Mittwochnachmittag auf X, früher Twitter, hochgeladen hat. Gut zwölf Stunden später wurde sie laut X 3,4 Millionen Mal angeschaut und mehre tausend Mal geteilt.

Die Kommentare sind sich von links bis in die CDU hinein weitgehend einig: Der grüne Vizekanzler sagt das, was notwendig ist, und das in der richtigen Reihenfolge. „Ein starker, notwendiger Auftritt“, schreibt etwa die CDU-Vizevorsitzende Karin Prien. Zum zweiten Mal seit dem 7. Oktober treffe Habeck den richtigen Ton „wie kein anderer in dieser Bundesregierung.“ Zahlreiche Kom­men­ta­to­r*in­nen betonen, eine solche Ansprache hätten sie sich vom Kanzler oder vom Bundespräsidenten gewünscht.

Habeck beginnt mit dem Satz „Israels Sicherheit ist deutsche Staatsräson“, dieser sei nie eine Leerformel gewesen und dürfe es auch nie sein. Er sagt, dass „die Sicherheit Israels für uns als Staat notwendig ist“, das rühre aus unserer besonderen historischen Verantwortung durch den Holocaust. Diese Verantwortung bedeute auch, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland frei und sicher leben können, doch bei ihnen sei die Angst zurück – „heute hier in Deutschland, fast 80 Jahre nach dem Holocaust“.

Während es bei rassistischen Angriffen schnell zu großen Solidaritätswellen komme, sei die Solidarität bei Israel rasch brüchig, so Habeck. „Dann heißt es, der Kontext sei schwierig. Kontextualisierung aber darf hier nicht zu Relativierung führen.“ Antisemitismus sei in keiner Gestalt zu tolerieren. „Das Ausmaß bei den islamistischen Demonstrationen in Berlin und in weiteren Städten Deutschlands ist inakzeptabel und braucht eine harte politische Antwort.“

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„Antikolonialismus darf nicht zu Antisemitismus führen“

Eine Antwort auf den Antisemitismus brauche es auch von den muslimischen Verbänden in Deutschland. Einige hätten sich klar von den Taten der Hamas und Antisemitismus distanziert. „Aber nicht alle, und manche zu zögerlich und ich finde, insgesamt zu wenige.“ Die Muslime in Deutschland hätten Anspruch auf Schutz vor rechtsextremer Gewalt. Wenn sie angegriffen werden, hätten sie Anspruch auf Schutz. Das Gleiche müssten sie jetzt einlösen, wenn Jüdinnen und Juden angegriffen werden. „Sie müssen sich klipp und klar von Antisemitismus distanzieren, um nicht den eigenen Anspruch an Toleranz zu unterlaufen. Für religiöse Intoleranz ist kein Platz in Deutschland.“

Das Verbrennen israelischer Flaggen sei eine Straftat, das Preisen der Hamas-Taten auch. „Wer Deutscher ist, wird sich dafür vor Gericht verantworten müssen, wer kein Deutscher ist, riskiert außerdem seinen Aufenthaltsstatus. Wer noch keinen Aufenthaltstitel hat, liefert einen Grund, abgeschoben zu werden.“ Der islamistische Antisemitismus dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch einen in Deutschland verfestigten Antisemitismus gebe, auch wenn sich Rechtsextreme aus taktischen Gründen jetzt zurückhielten, um gegen Muslime hetzen zu können, sagte Habeck.

„Sorge macht mir aber auch der Antisemitismus in Teilen der politischen Linken, und zwar leider auch bei jungen Aktivistinnen und Aktivisten.“ Antikolonialismus dürfe nicht zu Antisemitismus führen. Der Tod und das Leid, das über die Menschen im Gazastreifen komme, sei schlimm. „Systematische Gewalt gegen Jüdinnen und Juden kann damit dennoch nicht legitimiert werden“, sagte Habeck. Ausdrücklich lobte Habeck die Abgrenzung der deutschen Sektion von Fridays for Future von der internationalen, das sei „mehr als respektabel“.

UN-Resolution ohne Verurteilung des Terrors

Ähnlich äußerte sich Außenministerin Annalena Baerbock am Mittwoch im ZDF. „Der Antisemitismus zieht sich durch alle gesellschaftlichen Gruppen hindurch, der zieht sich durch alle Nationalitäten hier in Deutschland hindurch. Deshalb muss jegliche Form von Antisemitismus, ob er von rechts, von links, von Zugewanderten oder von hier Geborenen kommt, bekämpft werden“, sagte sie im ZDF.

Baerbock verteidigte in der Sendung erneut die deutsche Enthaltung bei der Abstimmung über die Gaza-Resolution in der UN-Vollversammlung. Deutschland falle die besondere Rolle zu, die Gesprächskanäle zu anderen Akteuren in der Region wie Ägypten oder Jordanien offenzuhalten, sagte sie.

Die am Freitag vergangener Woche mit Zweidrittelmehrheit angenommene UN-Resolution verurteilt jegliche Gewalt gegen die israelische und palästinensische Zivilbevölkerung, fordert die sofortige und bedingungslose Freilassung aller „illegal festgehaltenen“ Zivilisten und verlangt ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe in den Gazastreifen. Außerdem wird zu einer „sofortigen dauerhaften und nachhaltigen humanitären Waffenruhe“ aufgerufen, die zur „Einstellung der Feindseligkeiten“ führen solle. Eine eindeutige Verurteilung des Terrors der Hamas als Auslöser des Krieges ist nicht enthalten.

Habeck sagte am Abend bei „Markus Lanz“, die Enthaltung bedeute nicht, dass sich Deutschland heraushalten wolle, sondern im Gegenteil bei einer Lösung mithelfen wolle. Zugleich kritisierte er die Resolution. Israels Partner wie Deutschland und die USA appellierten immer wieder an die israelische Regierung, zivile Opfer zu vermeiden und das sei auch richtig, sagte er. Es sei ein Unterschied auf der politischen Ebene, dass es der Hamas darum gegangen sei, „Menschen hinzuschlachten“, sagte Habeck. „Und deshalb ist es keine gute Resolution, weil sie nicht politisch ist. Sie durchdringt und nennt das politische Problem nicht beim Namen.“

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