Politischer Gefangener stirbt in Belarus: Das Straflager als Todesfalle

Offiziell erlag Wadim Chrasko einer Lungenentzündung. Eine Men­schen­recht­sorganisation prangert unterlassene ärztliche Hilfe an.

Wadim Chrasko

Privataufnahme von Wadim Chrasko Foto: Viasna Human Rights Center via ap

BERLIN taz | In Belarus ist ein weiterer politischer Gefangener in Haft zu Tode gekommen. In der vergangenen Woche verstarb Wadim Chrasko in einem Straflager der Stadt Witebsk. Offiziellen Angaben zufolge erlag der 50-Jährige einer Lungenentzündung. Informationen der belarussischen Menschenrechtsorganisation Vjasna (Frühling) zufolge sei Chrasko erst in ein Krankenhaus gebracht worden, als sein Leben nicht mehr zu retten gewesen sei. Er hinterlässt eine Frau sowie zwei Kinder im Alter von fünf und neun Jahren.

In den 90er Jahren hatte Chras­ko begonnen, in Minsk als IT-Spezialist zu arbeiten. Seit den Nullerjahren war er für das Privatunternehmen „Awest“ tätig. Die Firma entwickelt Software für die Verschlüsselung von Informationen und zum Schutz von Unternehmen vor Cyberangriffen. Zur Kundschaft gehörten staatliche Institutionen wie die belarussische Nationalbank, mehrere Ministerien sowie die belarussische Eisenbahn.

Im vergangenen April war Chras­ko festgenommen worden. Angeblich soll er über Spenden die Tätigkeit extremistischer Organisationen mitfinanziert haben. Um welche Organisationen es sich dabei handelt, ist nicht bekannt.

Vier Monate später wurde Chras­ko, der bereits zum damaligen Zeitpunkt an verschiedenen chronischen Erkrankungen litt, zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt. Eine Berufung Chraskos war erfolglos. Im Herbst bestätigte das Oberste Gericht das erstinstanzliche Urteil. Anfang November setzte das Innenministerium Chrasko auf eine Liste sogenannter Extremist*innen. Laut Vjasna verschlechterte sich Chraskos Gesundheitszustand während seiner Haft zusehends.

Lukaschenkos Richter für Oppositionelle

Mit interessanten Informationen wartete das belarussische oppositionelle Medium Nascha Niwa zu Sergei Chripatsch auf – dem Richter, der das erste Urteil gegen Chrasko verhängt hatte. So sei Chripatsch seit den Nullerjahren bekannt dafür, gegen Kri­ti­ke­r*in­nen des autoritären Staatschefs Alexander Lukaschenko beziehungsweise Menschen, die das Regime zu solchen erklärt, besonders harte Schuldsprüche zu verhängen.

So hatte der Richter in mehreren Fällen Personen, die im Zuge der gefälschten Präsidentenwahl 2020 und sich daran anschließenden Massenprotesten inhaftiert und nachweislich gefoltert worden waren, zu teils hohen Haftstrafen verurteilt. Mittlerweile steht Chripatsch auf Sanktionslisten der EU und Großbritanniens.

Chrasko ist bereits der vierte politische Gefangene seit 2020, der in Haft sein Leben gelassen hat. Zuletzt war im Juli vergangenen Jahres der Künstler und Aktivist Ales Puschkin in einem Krankenhaus in Grodno verstorben. Der 57-Jährige war wegen Anstiftung zu Hass und der Verunglimpfung staatlicher Symbole zu fünf Jahren Haft verurteilt worden.

Laut eines Berichts von Ewroradio sitzen in Belarus derzeit sieben politische Gefangene ein, die an Krebs erkrankt sind. Deren Gesamtzahl beziffert Vjasna auf derzeit 1.409 (Stand: 16. Januar 2024).

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