Ministerin über gebrochenes Kirchenasyl: „Wir halten uns an die Vorgaben“

Schleswig-Holsteins Sozialministerin Aminata Touré ist doppelt in Bedrängnis: Wegen der Entlassung ihrer Staatssekretärin und dem Bruch des Kirchenasyls.

Aminata Touré sitzt während einer Landtagssitzung im Februar 2023 im Kieler Landeshaus.

Setzt durch, was das Bamf anordnet: Schleswig-Holsteins Sozialministerin Aminata Touré, hier im Februar 2023 im Kieler Landeshaus Foto: dpa | Marcus Brandt

taz: Frau Touré, Sie stehen in der Kritik, weil Sie Nachrichten von Ihrem Diensthandy gelöscht haben. Sie erklären das mit Datenschutz. Aber ist dafür nicht die IT-Abteilung des Ministeriums zuständig? Und hat nicht das Parlament das Recht, zu entscheiden, welche Informationen wichtig sind?

Aminata Touré: Natürlich ist sie das. Aber es ist auch ein Missverständnis zu glauben, dass jede Kommunikation einer Ministerin aktenrelevant ist und dem Parlament zur Verfügung stehen muss. Alles, was in diesem und anderen Fällen aktenrelevant ist, wird in einer Akte von mir verschriftlicht. Und wir haben dem Parlament über 3.000 Seiten zur Verfügung gestellt. Es fehlt nichts. In den vergangenen Jahren wurden die Handys von Po­li­ti­ke­r*in­nen gehackt und gerade junge, grüne und oder migrantische Po­li­ti­ke­r*in­nen sind im Blickfeld von Strukturen, die rechts organisiert sind. Und ich lege einen hohen Wert auf meine Sicherheit.

Die Kritik kam im Zusammenhang mit der Entlassung Ihrer Staatssekretärin Marjam Samadzade auf. Inzwischen ist bekannt, dass Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) die Entlassung sozusagen angewiesen hat – lassen Sie sich vom Koalitionspartner sagen, wie Sie Ihr Ministerium führen sollen?

Der Ministerpräsident ernennt und entlässt Staatssekretäre. Das ist gesetzlich geregelt. Deshalb ist es verwunderlich, wenn man sich darüber wundert, dass das gemeinsam entschieden wird. Im Übrigen: Die Entlassung meiner ehemaligen Staatssekretärin stand bereits seit dem Juli 2023 für Ende des Jahres 2023 fest und wurde dann frühzeitiger veranlasst.

30, ist Ministerin für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung im schwarz-grün regierten Schleswig-Holstein.

Samadzade hat vor der Berufung zur Staatssekretärin offenbar einen Facebook-Post geteilt, auf dem eine Karte ­Israels unter Handabdrücken in den Farben Palästinas verschwindet. Was sagen Sie dazu?

Es handelt sich um einen privaten Beitrag von Frau Samad­zade aus dem Jahr 2021, den ich nicht kommentiere.

Zu einem anderen Fall. Kurz vor Weihnachten sollten zwei Söhne einer afghanischen Menschenrechtlerin und Journalistin nach Spanien abgeschoben werden. Die ganze sechsköpfige Familie befand sich zu diesem Zeitpunkt im Kirchenasyl. Die versuchte Abschiebung mit großem Polizeieinsatz fand in Schwerin statt, aber die Familie fällt in die Zuständigkeit der Kieler Ausländerbehörde und damit unter Ihre Aufsicht als Fachministerin. Wissen Sie, wie es der Familie jetzt geht?

Was ich sagen kann, ist, dass die Familie nicht abgeschoben wurde und der Fall weiter geprüft wird. Mehr Aussagen kann ich aus Datenschutzgründen der Familie leider nicht machen.

Vor dem Innenausschuss des Landtags haben Sie das Vorgehen der Behörden verteidigt und gesagt, die Kirche habe gegen eine Vereinbarung mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bamf, verstoßen. Dietlind Jochims, Flüchtlingsbeauftragte der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, widerspricht: Das Kirchenasyl ist ein Akt des Widerstands und nicht abhängig von einer Erlaubnis des Bundesamtes. Haben Sie sich falsch ausgedrückt?

Um es deutlich zu machen: Mein Ministerium hat die Fachaufsicht über die Ausländerbehörden in Schleswig-Holstein. Der Innen- und Rechtsausschuss hat mich deshalb um einen Bericht gebeten. In dieser Funktion habe ich über die Rechtslage berichtet: Das Bamf hatte die Abschiebung angeordnet und in so einer Situation hat die Kieler Ausländerbehörde keine rechtliche Möglichkeit zum Widerspruch. Das habe ich gesagt – nicht als politische Bewertung, sondern als rechtliche Darlegung der Situation. Länder und Kommunen sind an Bundesgesetze gebunden und gerade im Fluchtbereich merkt man eben, wie sehr es dann den Einzelnen in der Konsequenz trifft.

Zwischen Kirche und Bundesamt besteht eine Vereinbarung, laut der die Gemeinde ein Dossier einreichen muss. Das hat die Gemeinde getan.

Es geht um die Reihenfolge. Das Dossier wird eingereicht, das Bamf prüft, wie die Zustände in dem Land sind, in das abgeschoben werden soll. In diesem Fall ist das Spanien und nicht Afghanistan und das Bamf hielt es für zumutbar, dass die jungen Männer dorthin zurückkehren. Gemäß des Leitfadens des Bamf hat sich die Kirche nicht an die Vereinbarung gehalten, weil die Familie dennoch ins Asyl aufgenommen wurde.

Es geht also um einen Leitfaden des Bamf, den die Kirche offenbar anders bewertet?

Das mag sein, aber als Behörde halten wir uns an das, was das Bamf vorgibt. Diese rechtliche Situation habe ich geschildert – wie ich es persönlich und politisch bewerte, steht auf einem anderen Blatt.

Viele Kirchengemeinden sind durch den Abschiebeversuch aus dem Asyl verunsichert. Was sagen Sie den Verantwortlichen dort?

Ich bin und war auch in der Vergangenheit mit den Kirchen, Verbänden und dem Flüchtlingsbeauftragten im guten Austausch zu Fällen von Kirchenasyl. Das ist stets ein besonderer Moment, und mir ist es wichtig, einen kurzen Draht zu den Kirchen zu haben, wenn solche Fälle auftauchen.

In Schleswig-Holstein gibt es eine Sonderregelung für sakrale Räume – gilt das weiter?

Ja, wenn das Kirchenasyl direkt in sakral genutzten Räumen, etwa in einer Kirche, stattfindet, sind die Menschen dort geschützt.

Was müsste passieren, damit die afghanische Journalistin und ihre Familie bleiben können, und was wünschen Sie der Familie – jenseits der rechtlichen Bewertung?

Man kann immer Rechtsmittel einlegen. Das hat in diesem Fall ein Teil der Familie getan, ein anderer nicht. Da es um eine Abschiebung nach Spanien geht, wo sich die Familie aufhielt, bevor sie nach Deutschland kam, ist es wegen des europäischem Rechts – Dublin-Verordnung – kompliziert. Angesichts der besonderen Umstände und hohen Vulnerabilität der Betroffenen muss man aber von Seiten der Behörden mit höchster Sensibilität vorgehen und versuchen, eine möglichst befriedigende Lösung zu finden. Und es wird wie gesagt weiter geprüft. Ich wünsche der Familie auf jeden Fall, dass sie zusammenbleibt und einen Ort findet, an dem sie in Sicherheit leben können.

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