Debatte um Marschflugkörper für Ukraine: Tausch für Taurus

Die Bundesregierung soll einen Ringtausch erwägen, um die Ukraine mit Langstreckenraketen zu beliefern. Ex­per­t:in­nen begrüßen das.

Kampfjet Tornado in der Luft, bestückt mit dem Lenkflugkörper Taurus

Ein Tornado Kampfjet bestückt mit einem Taurus Lenkflugkörper Foto: Andrea Bienert/BW/dpa

BERLIN taz | In die festgefahrene Debatte um die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern ist Bewegung gekommen. Wie deutsche und britische Medien am Donnerstag berichteten, soll die Bundesregierung die Möglichkeit eines Ringtauschs erwägen. Das hieße, Deutschland liefert Taurus-Marschflugkörper der Bundeswehr an Großbritannien oder Frankreich, die dann im Gegenzug ähnliche Waffensysteme aus ihren eigenen Beständen in die Ukraine exportieren würden. „Für die Ukraine wäre das eine gute Nachricht“, so die Sicherheitsexpertin Claudia Major im „ZDF-Morgenmagazin“. Major, die zum Be­ra­te­r:in­nen­kreis der Bundesregierung gehört, bezeichnete die Lage in der Ukraine als „dramatisch.“ Es ginge für die Ukraine in diesem Jahr vor allem darum durchzuhalten.

Spre­che­r:in­nen des Verteidigungsministeriums und des Bundespresseamts wollten die Berichte auf Anfrage nicht kommentieren. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sagte verschiedenen Medien, er kenne ein solches Angebot nicht.

Marschflugkörper sind ein Waffensystem, das sich selbst ins Ziel steuern kann. Sie sind dafür gedacht, weit hinter der Frontlinie gelegene Ziele zu treffen. Die Ukraine besitzt bereits Marschflugkörper aus britischen und französischen Beständen vom Typ Storm Shadow und Scalp, doch die Vorräte neigen sich dem Ende zu.

Die Lieferung weiterer Marschflugkörper hält Major daher für notwendig. Gegenüber der taz sagte sie: „Russland hat Munitionsstützpunkte, Gefechtsstände, Versorgungsrouten weit hinter die Linien verlegt. Die Ukraine braucht also Waffen mit größerer Reichweite, wenn sie die strategischen Ziele trotz der großen Entfernung treffen und damit Russland schwächen will.“

Die Ukraine hatte die Bundesregierung bereits im Mai vergangenen Jahres offiziell um Taurus-Marschflugkörper gebeten. Während aus den Reihen der FDP und der Grünen sowie der Unionsopposition vehement die Lieferung befürwortet wird, zeigten sich Bundeskanzler Olaf Scholz und die SPD bislang abwehrend. Die Gründe wechseln – mal ist es die Sorge vor einer weiteren Eskalation, Angriffen auf Russland und dass Deutschland in den Krieg hineingezogen werden könne, es gibt aber auch Bedenken gegen die Weitergabe sensibler Daten. Gründe, die Major nicht überzeugen: „Alle Bedenken sind bislang entkräftet worden, zumal Frankreich und Großbritannien ähnliche Marschflugkörper geliefert haben.“

Ein Ringtausch könnte dennoch sinnvoll sein. Im Gegensatz zu den Taurus wären weitere Storm Shadow- oder Scalp-Marschflugkörper sofort einsatzfähig, weil diese bereits an die von der Ukraine genutzten Kampfjets sowjetischen Typs angepasst wurden. Zum anderen würde damit das Problem umgangen, dass die Bundeswehr der ukrainischen Armee möglicherweise sensible Geoinformationsdaten zugänglich machen oder deutsches Personal einbinden müsste. Für Großbritannien oder Frankreich wäre der Deal interessant, weil sie so ein etwas moderneres und aufgrund höherer Präzision etwas wirksameres Waffensystem erhielten.

Der Taurus-Bestand der Bundeswehr soll nach Expert:innen-Schätzungen zwischen 500 und 600 liegen. Hergestellt wird der Taurus von einem Gemeinschaftsunternehmen der Deutschland-Tochter des europäischen Rüstungskonzerns MBDA und Saab Dynamics aus Schweden. Er ist das deutsch-schwedische Gegenstück zu den parallel von MBDA entwickelten und weitgehend identischen Marschflugkörpern Storm Shadow und Scalp. Der Stückpreis liegt bei allen drei Varianten bei etwa einer Million Euro.

Nachweislich erstmals im Einsatz war ein Storm Shadow-Flugkörper im Juni 2023 bei der Beschädigung der zur Krim-Halbinsel führenden Tschongar-Brücke. Während der Taurus über eine Reichweite von bis zu 500 Kilometer verfügt, kommen Storm Shadow und Scalp auf eine Reichweite von bis zu 560 Kilometer. Wobei unklar ist, ob Großbritannien und Frankreich bei ihren Lieferungen die Reichweite verringert haben, was technisch möglich wäre.

Major wies gegenüber der taz aber auch darauf hin, dass Marschflugkörper allein nicht ausreichten, um die Kräfteverhältnisse zu Gunsten der Ukraine entscheidend zu verändern. „Es geht nicht nur um ein Waffensystem, das die Ukraine braucht und das Wunder bewirken würde, sondern um die langfristige, verlässliche Unterstützung der Ukraine im Gesamtpaket, und zwar militärisch, finanziell, humanitär und politisch.“

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