Die Wahrheit: Der lange Gabelarm der Rache

„Kleeneze“, stellte sich der junge Mann vor, der soeben an der Tür geklingelt hatte. „Was für ein ungewöhnlicher Name“, antwortete ich, „aber ich kaufe nichts an der Tür.“

„Kleeneze“, stellte sich der junge Mann vor, der soeben an der Tür geklingelt hatte. „Was für ein ungewöhnlicher Name“, antwortete ich, „aber ich kaufe nichts an der Tür.“ Erstens sei das nicht sein Name, und zweitens habe ich sehr wohl etwas gekauft, sagte er und zog triumphierend einen Bestellschein aus der Tasche: „Hier wohnt doch eine Áine?“

Ich zuckte zusammen. Die Gattin, Spezialistin für nutzlose Dinge, von denen man nicht mal weiß, dass man sie nicht braucht, weil man von ihrer Existenz bisher nichts ahnte, hatte wieder zugeschlagen. Herr Kleeneze reichte mir die Tüte, ließ mich unterschreiben und kündigte an, dass er am nächsten Tag zurückkehren würde, um das Geld zu kassieren. Was hatte Áine wohl diesmal gekauft? Ich war neugierig und zog eine abgerundete Plexiglasscheibe mit Griff aus der Tüte.

Danach kam eine Art Laubsägearbeit zum Vorschein: eine schwarze Katze mit Murmeln als Augen und einem dünnen Stab am Bauch, um sie im Garten in die Erde zu stecken. „Für die Tochter“, erklärte Áine später, „weil ihr die Katzen immer in den Garten kacken, aber vor den funkelnden Murmelaugen haben sie Angst.“ Es war eine Fehlinvestition. Es seien Hunde, die ihren Garten verunstalteten, erklärte die Tochter, und vor Murmeln fürchteten die sich nicht.

Und die Plexiglasscheibe? Wollte Áine fechten lernen? Wenn man den Pony mit Haarspray einsprühe, erklärte sie, damit die Haare nicht über den Augen hingen, könne man das Gesicht mit der Plexiglasmaske schützen. Darauf wäre ich nie gekommen, was vielleicht daran liegt, dass ich nicht genügend Haare habe, die über den Augen hängen könnten. Es ist erstaunlich, was die Leute alles erfinden. Eine Gabel, an die ein runder Pizzaschneider angeschweißt ist, könnte für einarmige Pizza-Esser nützlich sein.

Irregeleiteter Erfindungsreichtum

Oder ein motorisierter Plastikhalter, der eine Eiscremetüte dreht, sodass man nur noch die Zunge herausstrecken muss und sich das lästige Drehen per Hand sparen kann. Äußerst praktisch erscheint auch ein elektrischer Ohrtrockner für 80 Euro. Vor der Benutzung solle man sich die Ohren mit einem Handtuch trocknen, heißt es in der Bedienungsanleitung. Eine sadistische Erfindung hingegen ist ein Wecker, der in eine zehn Kilo schwere Hantel eingebaut ist und sich nur abschalten lässt, wenn man die Hantel dreißig Mal stemmt. Ich staunte über so viel irregeleiteten Erfindungsreichtum.

Am nächsten Tag stand Herr Kleeneze wieder vor der Tür. Ich bezahlte, aber er meinte: „Wir müssen über Ihre Arbeit als Kleeneze-Agent reden. Sie haben ja gestern unterschrieben, dass Sie für uns tätig werden wollen.“ Kleeneze verkauft nach dem Pyramidenprinzip. Ich zückte Áines unscheinbare Gabel, die sich auf 1,50 Meter ausziehen lässt, damit auch Menschen in der dritten Reihe am kalten Buffet eine Chance haben, und warnte ihn, dass ich ihn mit meinem langen Gabelarm durchsieben werde, falls er sich näher als 150 Meter an unser Haus heranwagen sollte. „Sie meinen 1,50 Meter“, höhnte er und trat einen halben Schritt zurück.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.