Entwurf zum CDU-Grundsatzprogramm: Die Drittstaaten-Partei

Die CDU stellt einen Entwurf für ihr neues Programm vor. Sie will unter anderem Asylverfahren in andere Ländern auslagern und Kernenergie erhalten.

Carsten Linnemann gestikuliert und spricht in ein Mikrophon.

Um Grundsätzlichkeit bemüht: CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann Foto: Michael Kappeler/dpa

BERLIN taz | Bislang ist es nur ein Entwurf, doch die CDU will mit ihrem Grundsatzprogramm eine Kehrtwende in der Migrationspolitik vollziehen. „Wir gehen auf das Prinzip Drittstaaten. Sowohl das Verfahren als auch der Schutz müssen dort stattfinden“, sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann am Montag in Berlin. Bei der Vorstellung eines Entwurfs zur Neuausrichtung der Partei macht die CDU-Spitze deutlich, dass sie sich von einer konservativen Welle getragen fühlt. Die Union fordert eine neue „Leitkultur“ für Deutschland und demonstriert Offenheit für die Kernenergie. Ein Parteitag soll im Mai über das Programm entscheiden.

Seit den verlorenen Bundestagswahlen 2021 setzt sich die CDU mit sich selbst auseinander. Dabei beschäftigt sich die Union mit der durchaus schmerzhaften Frage, wofür sie nach 16-Jähriger Amtszeit von Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel und zwei Jahren in der Opposition eigentlich steht. Mit dem Grundsatzprogramm möchte die CDU wieder den Weg an die Macht finden. Die neue Charta macht die Bruchlinie zwischen Merkels Erbe und dessen Bedeutung für Parteichef Friedrich Merz einmal mehr deutlich. Wie die Partei den Entwurf nun diskutiert, wird entscheidend für die kommenden Monate werden.

Dabei erachtet Linnemann, der die Grundwertekommission leitet, die Diskussionen zum neuen Programm als weitestgehend abgeschlossen. „Die CDU Deutschlands ist wieder regierungsfähig. Sollte es zu einer vorgezogenen Bundestagswahl kommen, wären wir bereit“, sagte er am Montag im Konrad-Adenauer-Haus. Trotzdem dürfte es bei einigen Themen im Programm durchaus noch mal Streit innerhalb der Union geben. Das betrifft neben der Neuausrichtung der Migrationspolitik auch die Frage zur Nutzung der Atomenergie: In beiden Themenbereichen versucht die Unions-Spitze nun eine profilierte Abkehr von Merkels Erbe.

Zur Atomenergie heißt es in dem Programmentwurf, Deutschland könne zurzeit nicht auf die Kernkraft verzichten. „Wir setzen bei der Gesamtenergieversorgung von morgen auf Technologieoffenheit in Anwendung und Forschung.“ Dazu gehörten neben Brennstoffzellen und Wasserstoffkraftwerken auch „Kernkraftwerke der vierten und fünften Generation“.

Union bekennt sich zum Grundrecht auf Asyl – irgendwie

In den Diskussionen zum Grundsatzprogramm hatte sich die Union auch in der Vergangenheit bereits dafür ausgesprochen, an den Möglichkeiten der Atomenergie weiterzuforschen. Doch über die „Anwendung“ von Atomkraft, wie es jetzt auch impliziert wird, wurde innerhalb der CDU immer heftig gestritten. So hatte sich Andreas Jung, der als stellvertretender Parteivorsitzender die Ausrichtung der CDU in Fragen der Nachhaltigkeit verantwortet, skeptisch gegenüber einem Wiedereinstieg in die Atomenergie geäußert.

Im Gespräch mit der taz hatte er den derzeitigen Rückbau der Atomkraftwerke zwar auch als Fehler bezeichnet, sich aber zurückhaltend in der Frage neuer Kraftwerke geäußert. Bei einer Klausurtagung der CDU vor einem Jahr in Weimar sorgte er dafür, dass genau dies als möglicher Prüfauftrag nicht festgehalten werden solle.

Im Januar will nun erst einmal der Unions-Vorstand über das Dokument abstimmen. Die Diskussionen um die Atomenergie werden dabei ebenso im Vordergrund stehen wie die Fragen zur Neuausrichtung der Migrationspolitik und „Leitkultur“. Hier bekennt sich die Union in ihrem Grundsatzprogramm zwar auf das Grundrecht auf Asyl im Grundgesetz: „Wer sich auf Artikel 16a Grundgesetz beruft, weil er nicht aus einem EU-Mitgliedstaat oder aus einem anderen sicheren Drittstaat nach Deutschland einreist, und dies erfolgreich tut, soll Schutz in unserem Land finden.“

Doch die Partei lässt im Unklaren, wie ein solches Asylverfahren in die Praxis umgesetzt werden soll, denn die Union fordert in dem Entwurf jetzt gleichzeitig Kontingente in der Migrationspolitik. Eine „Koalition der Willigen“ in der EU solle jährlich einen Anteil schutzbedürftiger Menschen aus dem Ausland aufnehmen. Wie die Regelungen auf der Basis der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte basieren soll, zu der sich die Union auch im Entwurf weiterhin bekennt, bleibt unklar.

Linnemann betonte am Montag erneut, wie die Union sich mit dem Grundsatzprogramm ganz unabhängig von anderer Parteien in Zukunft aufstellen wolle. Das Dokument solle schließlich die Orientierung für die Partei in den kommenden zehn Jahre begründen – wenn diese Stoßrichtung die interne Abstimmung im Mai beim Parteitag besteht.

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