Gasbohrungen vor Borkum: Steinriffe sollen Gasbohrer stoppen

Greenpeace stellt Ergebnisse aus eigenen Tauchuntersuchungen vor Borkum vor. Das umstrittene Gasförderprojekt sei nicht genehmigungsfähig, behaupten sie.

Zwei Taucher halten unter Wasser ein Schild mit der Aufschrift "Gas zerstört" über ein Steinriff in der Nordsee.

Greenpeace-Taucher protestieren gegen geplante Gasbohrungen Foto: Uli Kunz/Submaris/Greenpeace

HANNOVER taz | Bei den umstrittenen Gasbohrungen vor Borkum überschlagen sich die Ereignisse. An diesem Dienstag stellte Greenpeace in einer Pressekonferenz die Ergebnisse eigener Tauchuntersuchungen und ein Rechtsgutachten vor. Die Umweltschützer glauben, damit den entscheidenden Hebel gefunden zu haben, um das Förderprojekt des niederländischen Konzerns One Dyas noch zu verhindern.

Denn sie haben gleich mehrere Steinriffe in der unmittelbaren Umgebung der geplanten Bohrstelle und der Trassenführung für die Stromversorgung gefunden, die als unbedingt zu schützende Biotope einzustufen seien. „Aus unserer Sicht ist das Projekt damit rechtlich nicht mehr genehmigungsfähig“, erklärt Energieexpertin Anike Peters.

Währenddessen versuche der Konzern offenbar Fakten zu schaffen, sagt Pressesprecherin Sonka Terfehr. Denn in der vergangenen Nacht war eine Bohrplattform des Unternehmens weiter nördlich angelandet. Greenpeace-Aktivisten protestierten dagegen und versahen die Plattformwand von Schlauchbooten aus mit dem Schriftzug „No New Gas“.

Allerdings handelt es sich hierbei um ein anderes Gasfeld, für das die Genehmigung bereits vorliegt. Für das größere Förderprojekt, das noch näher an der Insel Borkum und dem Schutzgebiet Wattenmeer liegt, läuft das Verfahren noch. Erst im April hatte ein niederländisches Gericht die vorbereitenden Bauarbeiten aufgrund von Klagen der Insel und mehrerer Umweltverbände gestoppt.

Ökologische Kleinode

Zur Vorgeschichte gehört, dass man noch 2021 eigentlich glaubte, das Projekt würde ad acta gelegt – im niedersächsischen Landtag gab es damals einen breiten Konsens, Bohrungen in unmittelbarer Nähe zum Nationalpark Wattenmeer nicht zu genehmigen. Getragen wurde der sowohl von der damals noch rot-schwarzen Landesregierung als auch von der grünen Opposition.

Erst mit der Energiekrise aufgrund des russischen Überfalls auf die Ukraine vollzog sich die Kehrtwende, seither gilt vor allem Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) als energischer Verfechter des Projektes. Bei vielen Inselbewohnern und Umweltverbänden setzte sich deshalb der Eindruck fest, die Genehmigungen sollten in Rekordzeit und ohne Rücksicht auf Verluste durchgedrückt werden.

Die nun entdeckten Steinriffe sind ökologische Kleinode, erklärt Philipp Schubert, Forschungstaucher bei Submaris. Von seinen Tauchgängen hat er beeindruckende Bilder der insgesamt vier Riffe mitgebracht. Während die Nordsee mit ihren Weichböden aus Sand und Schlick sonst kaum Halt bietet, siedeln hier Pflanzen und Tiere dicht an dicht. „In unseren Proben fanden sich 88 verschiedene Arten, 17 davon stehen auf der Roten Liste.“ Sowohl nach dem EU- als auch nach deutschem Umweltrecht müsste man sie als Schutzgebiete ausweisen – damit wäre das Gasprojekt aber unvereinbar.

Große Verwerfungen gibt es dabei auch um die Frage, welche Erkenntnisse frühzeitig vorlagen und ob sie früher und umfangreicher in das Genehmigungsverfahren hätten einfließen müssen. Greenpeace behauptet, das Umweltministerium habe eine seit 2021 vorliegende Studie zu einem großen, östlich der Bohrstelle gelegenem Steinriff „unter Verschluss“ gehalten.

Mit den Tauchern von Submaris und dem Gutachterbüro Bio-Consult hat Greenpeace noch einmal dieselben Leute mit einer Untersuchung betraut und das Untersuchungsgebiet dabei ausgedehnt. Das Ursprungsgutachten sei erst im April aufgrund des Drucks von Greenpeace veröffentlicht worden – nachdem die Aktivisten dem Landtag im Wortsinne aufs Dach gestiegen waren.

Sowohl der jetzige Umweltminister Christian Meyer (Grüne) als auch der damalige Umweltminister und jetzige Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) bestreiten das aber. Als „konstruiert“ und „nicht sauber“ bezeichnete Lies die Vorwürfe. Das Gutachten sei niemals geheim gewesen, es stand die ganze Zeit auf der Seite des zuständigen Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) zum Download bereit.

Minister im Konflikt

Es sei aber eben auch in einem ganz anderen Zusammenhang entstanden, 2021 ging es darum, das Riff zu kartieren und dem Bund als potenzielles Schutzgebiet zu melden. Man habe damals kein Interesse daran gehabt, das öffentlich zu machen, um es vor unbefugten Zugriffen zu schützen, sagt Umweltminister Christian Meyer (Grüne), der als ausgewiesener Gegner des Gasförderprojektes gilt. Die ihm unterstellten Behörden NLWKN und der Nationalpark Wattenmeer hätten ihre Bedenken im laufenden Planfeststellungsverfahren auch immer wieder zum Ausdruck gebracht und auf weitere Untersuchungen gedrängt. Wenn sich diese ökologischen Bedenken nicht ausräumen ließen, sei das Projekt auch aus seiner Sicht nicht genehmigungsfähig.

Damit steht er im Konflikt zu Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD), der weiterhin als großer Befürworter des Projektes auftritt. Er verweist darauf, dass es nach wie vor eine große Herausforderung sei, eine Mangellage im kommenden Winter zu vermeiden. „Da halte ich es für wenig angebracht, auf der einen Seite Gaslieferungen von unseren niederländischen Nachbarn zu erwarten und auf der anderen Seite Fördervorhaben per se zu verhindern.“ Es komme nun darauf an, das laufende Planfeststellungsverfahren sauber abzuarbeiten.

Greenpeace fordert derweil schon einmal Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) auf, ein Machtwort zu sprechen und von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen.

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