Kolumne 30C3 - Tag 1: Bullshitbingo in einer mad world

Singende Roboter, düstere Stimmung und Pofallas Sprachstil – das geht gar nicht. Was wir auf dem ersten Tag des 30C3 gelernt haben.

Die Kongresswelt lässt sich nur subjektiv erfahren. Bild: dpa

Jeder Besucher des 30C3 lebt in seiner eigenen Kongresswelt. Neben den vielen Diskussionen und der großen Greenwald-Keynote, lässt sich die Zeit ebenfalls wunderbar mit Pac-Man, oder bei einer der Hacker-Stadtführungen durch Hamburg herumkriegen. Ein Gesamteindruck des Kongresses kann nur ein subjektiver sein und am Ende eines langen Tages zwischen Spielplatz, Aktivismus und anderen 10.000 Besuchern fragt man sich: Was habe ich heute eigentlich gelernt?

1. Das Bundesinnenministerium (BMI) sucht sich selbst aus, wer ihm eine Mail schreiben darf, und wer nicht. Das BMI beantwortet keine Emails von FragDenStaat.de, einem Portal auf dem jeder leicht und transparent Anfragen an Behörden nach den Informationsgesetzen stellen kann. „Die Beantwortung Ihres Informationsersuchens in elektronischer Form an eine E-Mail Adresse der Internetseite „FragdenStaat.de“ ist nicht möglich“, //fragdenstaat.de/anfrage/stellungnahme-zur-anderung-der-euwg/:erklärt das Ministerium schirftlich und begründet, FragdenStaat.de könne nicht als E-Mail Provider angesehen werden, da die Zielsetzung nicht primär auf die Erbringung von Email-Dienstleistungen gerichtet sei.

„Wie wir dagegen vorgehen ist noch unklar“, sagt Stefan Wehrmeyer, Betreiber der Plattform. „Einer unserer Nutzer plante eine Untätigkeitsklage.“ Doch Wehrmeyer hoffe, dass sich die Angelegenheit durch Vermittlung der neuen Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Andrea Astrid Voßhoff auch ohne Rechtsstreit lösen ließe. Und vielleicht kommt das Amt zur Besinnung, denn Mails von Googlemail - primär Suchmaschine - oder der taz - primär Zeitung - beantwortet es doch auch.

2. Aus den Phrasen von Merkel, Pofalla und Co. ließe sich wunderbar ein Bullshitbingo basteln. Diese Spielidee kam uns bei dem Vortrag „Keine Anhaltspunkte für flächendeckende Überwachung“ von Kay Hamacher und Martin Haase. Hier die Regeln: Notieren Sie sich folgende Begriffe in zufälliger Reihenfolge in einem vier mal vier Kästchen großem Raster. Schalten Sie ein Statement der Bundeskanzlerin oder einem ihrer Vertreter zum Thema Überwachung und NSA an und streichen Sie die Begriffe durch, die fallen.

Wer zuerst vier Begriffe in einer Reihe durchgestreichen hat, gewinnt: „Nach Recht und Gesetz“, „angebliche Überwachung“, „No-Spy-Abkommen“, „NSA erklärt sich an deutsches Recht zu halten“, „NSA hat schriftlich versichert“, „hochrangige Gespräche“, „schriftlich zugesagt“, „Einverständnis erklärt“, „Die NSA unternimmt nichts, um deutsche Interessen zu schädigen“, „auf deutschem Boden“, „die Affaire ist beendet“, „vom britischen Außenminister persönlich autorisiert“, „Vorwurf der vermeintlichen Totalausspähung“, „in ganz konkreten Einzelfällen“ und „Überwachung unter Freunden“ und "das geht gar nicht.“

3. Der CCC denkt positiv! Im Studio des Deutschlandfunks, was live vom 30C3 sendet, article_id=273132:erklärt CCC-Sprecher Frank Rieger, warum auch der Kongress dieses Jahr kein Motto hat: „Es gab jede Menge Vorschläge, die zum Teil relativ düster waren“, sagt Rieger. Einer der Vorschläge lautete „someone you trust is one of us“. Doch der CCC will nach vorne schauen. „Was können wir jetzt tun, was sind die möglichen Ideen - technische politische oder juristische Ideen - die wir gegen die von Snowden enthüllten Überwachungssysteme ins Feld führen können“, sagt Rieger. Die Mottos aus den Jahren 2012 und 2011 „Not My Department“ und „Behind enemy lines“ zeigten ja nicht gerade Jubelstimmung.

Doch die Mitglieder und Besucher stehen ganz hinter dem CCC, auch ohne Kongressspruch, denn ein Kongressshirt reicht auch: Als der Merchandise-Store eröffnet ist der Run auf die blauen Kapuzenpullover und T-Shirts mit CCC-Logo riesig. In einem großen „C“ stehen die Teilnehmer in der Eingangshalle des CCH-Kongresszentrums für die Sweater an, blättern bis zu 45 Euro hin, klemmen sich was sie zuvor anhatten untern Arm und stülpen sich das schlabbrige Erkennungszeichen wie eine Uniform über. Jubel über das CCCD - das Choas Computer Corporate Design.

4. Auch Roboter werden von Dieter Bohlen fertig gemacht. Karl Heinz Jeron ist Künstler in Berlin und bastelt Roboter. Seinem Roboter Sim Gishel brachte er das Singen und Tanzen bei und stellte ihn bei den Castingshows „Voice of Germany“ und „Das Supertalent“ vor, durfte aber bei beiden nicht mitmachen. Dieter Bohlen echauffierte sich, Robotergesang könne nie mit einer menschlichen Stimme mithalten, sagt Jeron. „Tausende Roboter arbeiten jeden Tag hart und bauen Autos zusammen“, sagt der Künstler, da habe der kleine Sim Gishel doch auch eine Chance verdient - was für eine mad world.

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im Produktentwicklungsteam der taz im Netz. taz seit 2012.

Schreibt über Gesellschaft, Politik, Medien und manchmal über Österreich. Kolumne "Kinderspiel". War 2013 Volontärin der taz panter-Stiftung, dann taz-Redakteurin. Von 2019 bis 2022 Ressortleiterin des Gesellschafts- und Medienressorts taz zwei. Lebt und arbeitet in Wien.

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