Kommentar Weißrussland: Kein weiter so

Alles wie gehabt diktatorisch in Weißrussland? Nicht ganz. Lukaschenko sitzt die Angst im Nacken. Und die Opposition hat keine Strategie.

Weißrusslands autokratischer Präsident Alexander Lukaschenko kann zufrieden sein: Er hat sein Ziel bei der Abstimmung am Sonntag, die mit dem Begriff „Farce“ noch wohlwollend umschrieben ist, erreicht. Auch dieses Mal wird kein einziger oppositioneller Abgeordneter im neuen Parlament sitzen.

Dabei kam wieder einmal das ganze Repertoire zum Einsatz, das seit Lukaschenkos Amtsantritt im Jahre 1994 sattsam bekannt ist und seitdem für jede Wahl kennzeichnend war: Oppositionelle, die in den staatlichen Medien kaum vorkamen, die bedroht und eingeschüchtert wurden oder gleich vorsorglich festgenommen. Staatsbedienstete und Soldaten standen sowieso massiv unter Druck, ihr Kreuz an der „richtigen“ Stelle zu machen. Handverlesene, mit regierungstreuen Vertretern besetzte Wahlkommissionen, die jedes gewünschte Ergebnis produzierten.

Und schließlich auch noch die dreist hoch gerechnete Wahlbeteiligung von 74 Prozent. Wer daran glaubt, muss schon, wie die Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission Lidja Jermoschina, an kompletten Realitätsverlust leiden.

ist Leiterin des Auslandsressort der taz und zustüändig für die Osteuropa-Berichterstattung.

Also alles so wie immer? Nicht ganz. Die Opposition, die immerhin noch 2010 mit Massenprotesten Flagge gezeigt und die jüngste Wahl teilweise boykottiert hatte, hielt sich diesmal zurück. Das verwundert kaum angesichts der Repressionen, denen Andersdenkende in Weißrussland ausgesetzt sind. Dennoch kann dieser Umstand nicht darüber hinweg täuschen, dass es Lukaschenkos Gegnern sowohl an geeignetem Fühungespersonal als auch an einer Strategie fehlt.

Aus all dem jedoch den Schluss zu ziehen, die Position Lukaschenkos sei nach den Wahlen gestärkt, greift zu kurz. Wer sich solch kruder Mittel bedient, dem sitzt die Angst im Nacken. Und die Europäische Union? Sie sollte die jüngsten Ereignisse zum Anlass nehmen und sich auf politische Schritte einigen, die ganz unabhängig von den Wahlen auf der Agenda stehen.

Das heißt: Die Sanktionen gegen das Lukaschenko-Regime verschärfen, die weißrussissche Zivilgesellschaft gezielt unterstützen und endlich Visa-Erleichterungen beschließen. Lukaschenko wird gemäß der Devise agieren: Weiter so. Der Westen sollte das nicht tun.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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