Kritik am Saatgutkonzern im Faktencheck: Wie „böse“ ist Monsanto wirklich?

Aktivisten klagen die Firma beim „Monsanto-Tribunal“ wegen Verbrechen gegen die Umwelt an. Nicht alle Vorwürfe sind gut belegt.

Eine Demonstration in der Schweiz gegen die Saatgutfirma Monsanto

Feindbild Monsanto: Proteste gegen den Saatgutkonzern in der Schweiz Foto: dpa

Am Wochenende soll Monsanto der Prozess gemacht werden. Zumindest symbolisch. Aktivisten klagen den US-Saatgut- und Pestizidkonzern in Den Haag beim „Monsanto Tribunal“ wegen Verbrechen gegen die Umwelt an. Diesen auch Ökozid genannten Tatbestand kennt kein Gesetzbuch. Die Aktivisten haben die fünf Richter und 30 Zeugen selbst ausgewählt. Das Tribunal ist also kein ordentliches Gericht, sondern Propaganda – aber dennoch wichtig.

Denn die Veranstaltung fügt sich perfekt in eine neue Strategie der Umweltbewegung ein. Anlässlich der geplanten Fusion von Monsanto und seinem Leverkusener Konkurrenten Bayer zum weltweiten Branchenführer fokussieren sie den Protest gegen die Agrarindustrie auf den Kampf gegen Konzerne. Das Tribunal wird die Argumente der Aktivisten sammeln und im Dezember in einem Urteil zusammenfassen.

Offizielle Unterstützer wie die mitgliederstarken Umweltorganisationen Greenpeace und BUND und kleinere, aber einflussreiche Verbände wie der Ökobauernverein Demeter oder die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft werden die Ergebnisse in die breite Öffentlichkeit tragen. Vieles von dem, was heute in Den Haag verhandelt wird, wird morgen auf Demonstrationstransparenten in Berlin stehen.

Aber was genau ist an Vorwürfen gegen Monsanto eigentlich dran? Hier ein Faktencheck.

1. „Monsanto verkaufte die giftige Industriechemikalie PCB“

Tatsächlich produzierte der Konzern nach eigenen Angaben ähnlich wie Bayer und andere Hersteller von 1935 bis 1977 die Chlorverbindungen PCB. Sie wurde zum Beispiel als Weichmacher in Dichtungsmassen verwendet. Doch viele PCBs gelten als krebserregend. In Tierversuchen wurden zudem Störungen beispielsweise der Fruchtbarkeit beobachtet.

Einmal in der Umwelt und vor allem in der Nahrungskette, bleiben PCBs dort für sehr lange Zeit. In Deutschland etwa werden sie seit Jahrzehnten nicht mehr genutzt, dennoch belasten sie noch immer Luft, Wasser und Boden.

Monsanto-Gegner werfen dem Konzern vor, schon früh gewusst zu haben, dass PCBs giftig sind. Das Unternehmen habe aber aus wirtschaftlichen Gründen an der Produktion festgehalten. Die Frage der taz, ob das stimmt, ließ der Konzern unbeantwortet.

2. „Monsanto produzierte Agent Orange für den Vietnamkrieg“

Monsanto lieferte seiner Internetseite zufolge von 1965 bis 1969 auch einen Großteil des Unkrautvernichtungsmittels Agent Orange, mit dem das US-Militär im Vietnamkrieg Wälder und Felder zerstörte. Abgesehen von den moralischen Bedenken gegen diese Art der Kriegsführung: Agent Orange war herstellungsbedingt mit dem krebserregenden Dioxin TCDD verunreinigt. Mehrere Studien haben erhöhte Mengen dieses Gifts im Blut von Bewohnern der besprühten Gebiete und von involvierten US-Soldaten nachgewiesen. Dennoch beharrt Monsanto darauf, dass „ein kausaler Zusammenhang zwischen Agent Orange und chronischen Krankheiten bei Menschen nicht bewiesen worden ist“.

3. „Monsantos Unkrautvernichtungsmittel Roundup ist hochgiftig“

Hauptwirkstoff von Roundup ist Glyphosat, das von der Internationalen Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft wurde. Andere Experten der WHO und Zulassungsbehörden dagegen halten Glyphosat in der Nahrung als Krebsursache für „unwahrscheinlich“. Sprich: Die Sache ist umstritten. Das gilt auch für Vorwürfe, dass die Chemikalie Bienen oder Regenwürmer schädige. Extrem kontrovers sind angebliche Belege, dass in Südamerika massenweise Menschen erkranken, weil in ihrer Nachbarschaft Glyphosat gespritzt wurde.

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Sicher ist aber, dass Glyphosat fast alles vernichtet, was grüne Blätter hat. So trägt es zum Aussterben von Pflanzen- und indirekt Tierarten dabei. Die Landwirtschaft ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Artenvielfalt etwa in Europa abnimmt, und Glyphosat ist das meistgenutzte Pestizid weltweit. Das liegt aber nicht nur an Monsanto: Seit der Patentschutz ausgelaufen ist, wird es auch von vielen anderen Firmen hergestellt, vor allem in China.

4. „Monsanto ist verantwortlich für die Verbreitung der Gentechnik“

Fest steht: Der US-Konzern hat als einer der Ersten gentechnisch veränderte Pflanzen verkauft und ist bis heute weltweiter Marktführer. Sein Anteil erreicht mitunter 90 Prozent. Dass Behörden diese Produkte zuließen, erreichte Monsanto auch durch Lobbyarbeit. Vor allem aus den USA wurde über mehrere Mitarbeiter berichtet, die von Monsanto zu Regulierungsbehörden wechselten oder umgekehrt. Das Unternehmen erklärt dazu, es sei ganz normal, dass Menschen ihre Jobs wechseln.

Selbst Umweltorganisationen wie der BUND behaupten nicht, dass Gentechpflanzen gesundheitsschädlich seien. Aber, so die Aktivisten, Monsanto könne eben nicht belegen, dass seine Pflanzen sicher seien. Auch dieser Vorwurf lässt sich also nicht abschließend klären.

Monsantos Gentechnikpflanzen sind wie fast alles Saatgut dieser Art mit Patentrechten geschützt. Dass Lebewesen patentiert werden können, halten viele Kritiker jedoch für unmoralisch.

Klar ist allerdings, dass Monsantos Gentechprodukte umweltschädliche Monokulturen etwa in Amerika ermöglichen. Denn Monsantos Soja etwa ist resistent gegen Glyphosat. Statt dem Unkraut vorzubeugen, indem die Farmer jedes Jahr die Pflanzenart auf dem Acker wechseln, setzen sie auf Monokulturen, die sie mit Glyphosat spritzen. Das führt aber zu weniger Artenvielfalt, und langfristig werden Unkräuter immer unempfindlicher gegen das Pestizid, sodass die Farmen zusehends mehr Chemie spritzen.

Unstrittig ist auch: Monsantos Gentechnikpflanzen sind wie fast alles Saatgut dieser Art mit Patentrechten geschützt. Dass Lebewesen patentiert werden können, halten viele Kritiker jedoch für unmoralisch. Solches Saatgut dürfen Bauern nur mit Erlaubnis des Unternehmens benutzen. Verstöße dagegen verfolgt der Konzern nach eigenen Angaben auch mithilfe von Privatdetektiven und Anzeigen durch Nachbarn. Wer dann zahlt, wird in der Regel zu Stillschweigen verpflichtet. In Deutschland ist dieses Vorgehen schon deshalb nicht möglich, weil hier keine Gentechnikpflanzen angebaut werden.

5. „Monsanto will die Grundlage unserer Ernährung monopolisieren“

Monsanto stellt laut der Unternehmensberatung A. T. Kearney etwa 26 Prozent des weltweiten Saatgutmarkts – so viel, wie kein anderer Anbieter. Dafür hat der Konzern in den letzten Jahren viele kleinere Konkurrenten gekauft. Die Konzentration auf dem Saatgutmarkt nimmt gerade rapide zu, obwohl er bereits von nur einer Handvoll Firmen beherrscht wird. Wenn Bayer und Monsanto wie beabsichtigt fusionieren, werden sie zusammen auf 30 Prozent kommen.

Fazit: Das Feinbild von Monsanto als Quell (fast) alles Bösen ist zu holzschnittartig. Das Unternehmen schadete zwar tatsächlich Menschen und Umwelt, indem es in der Vergangenheit giftige Chemikalien produzierte. Zudem ermöglichen Glyphosat, gentechnisch veränderte Pflanzen und andere heutige Produkte des Konzerns eine umweltschädliche Landwirtschaft. Seine Patentrechte setzt Monsanto zum Teil mit fragwürdigen Methoden durch. Weniger eindeutig ist aber zum Beispiel, ob Gentechnikpflanzen wirklich die Gesundheit beeinträchtigen. Und: Monsantos Anteil am Gesamtmarkt für Saatgut ist zwar hoch, aber von einem Monopol weit entfernt.

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