Menschen mit Behinderung: Britisches Militär nutzt Lebenshilfe
Eine britische Rüstungsfirma hat tausende Bauteile in einer Cuxhavener Werkstatt herstellen lassen. Die Lebenshilfe ging davon aus, dass es zivile Teile waren.
BERLIN taz | Ihr Ziel ist, „dass Menschen mit Behinderungen ganz selbstverständlich dazugehören und am Leben in der Stadt und im Landkreis Cuxhaven teilhaben“. Rund 400 Menschen arbeiten darum in den Werkstätten der „gemeinnützigen Selbsthilfeorganisation“ Lebenshilfe in der norddeutschen Stadt.
Nun ist bekannt geworden, dass die Menschen mit Behinderung in Cuxhaven ohne ihr Wissen Bauteile für das britische Rüstungsunternehmen Chemring Defence hergestellt haben. Sie hatten für die Bremerhavener Niederlassung der Firma 15.000 Teile montiert, die in Bodenleuchtkörper eingesetzt werden. Diese nutzt das Militär, um Gebäude zu sichern.
Dass es sich um Leuchtkörper für Rüstungszwecke handelte, erfuhr der Werkstattbetreiber Lebenshilfe nach eigenen Angaben erst im Nachhinein. „Leuchtkörper sind erstmal nicht verwerflich, aber dass sie im Einsatz verwendet werden, finden wir nicht gut“, sagt der stellvertretende Geschäftsführer Michael Schreckenberger laut entsprechenden Medienberichten.
Im Februar hatten die Mitarbeiter der Werkstatt Tausende kleine Kettchen in Federn eingehängt. „Wir dachten, wir stellen Signalfeuer her, zum Beispiel für einen Hubschrauberlandeplatz“, sagt Produktionsleiter Stefan Wittmar.
Die Lebenshilfe wehrt sich
Jahrzehntelang kooperierte die Einrichtung mit der Bremerhavener Feuerwerksfirma Comet. „Wir haben früher Etiketten auf Feuerwerksraketen geklebt“, sagt Schreckenberger. 2006 wurde Comet vom Chemring aufgekauft, der ein führender Anbieter militärischer Pyrotechnik ist.
Die Lebenshilfe wehrt sich gegen Rüstungsaufträge. „Aber wir können nicht jeden Auftrag ins letzte Detail prüfen“, sagt ihr Manager Schreckenberger. Mit ähnlichen Aufträgen werde die Einrichtung in Zukunft sensibler umgehen. Das in britischen Derby ansässige Unternehmen Chemring war am Freitag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Leser*innenkommentare
heinzl
Gast
Wie lächerlich ist das denn? Die bösen, bösen Soldaten haben uns ausgetrickst? Wir stellen sonst nur Kinderspielzeug aus biologisch abbaubaren Holzresten her?
Offenbar sind Behinderte grundsätzlich Pazifisten - wenn nicht, werden sie gleichgeschaltet wenn sie arbeiten wollen. Eine eigene Meinung dürfen sie natürlich nicht haben, sie sind ja behindert. Wenn der Gutmensch in der Geschäftsleitung also meint, das ginge ja gar nicht haben die Mitarbeiter unisono mit "JAWOLL" zu antworten!
Gast
Gast
Und wo ist jetzt das Problem?
heide
Gast
Guten Morgen aus Norddeutschland!
Die Werkstätten für behinderte Menschen sind Einrichtungen der Eingliederungshilfe, die aus Geldern der Sozialhilfe bezahlt werden. Also hat in diesem Fall der Staat/ der Steuerzahler das britische Militär finanziert.
1. Rechtlich zu prüfen ist: Es wurde ein nicht genehmigter Rüstungsauftrag für das Ausland durchgeführt.
2. Die Produktionsaufträge durch eine WfbM (Werkstatt für behinderte Menschen) ist bestimmt irgendwo geregelt. Es dürfen bestimmt keine Aufträge angenommen werden, die sittenwidrigen, pornografischen, rassistischen, militärischen Zwecken dienen.
Auf der homepage von Chemring defence springt einem sofort ein Kriegsbild entgegen. Das hat der WfbM-Leiter sicher auch gesehen - und fand es okay. Es ist aber nicht okay!! Heide Hofmann, Bomlitz
heide.hofmann@web.de
Gast
Gast
Das ist für mich nichts Neues. Mein Bruder ist geistig behindert und in einem Heim mit Behindertenwerkstatt, das dem Diakonischen Werk gehört. Er hat mir erzählt, dass er Esbit für die französische Armee verpackt hat.