Neuer Traditionserlass der Bundeswehr: Verbot von Wehrmachtsandenken

Das Regelwerk zum Umgang der Bundeswehr mit ihrer Geschichte wird erneuert. In Zukunft soll mehr Distanz zu Wehrmacht und NVA bestehen.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen steht vor Bundeswehrsoldaten

Müssen sich bald an neue Regeln gewöhnen: Soldaten der Bundeswehr Foto: Imago/Christian Thiel

BERLIN taz | Das Verteidigungsministerium hat einen neuen Traditionserlass für die Bundeswehr erarbeitet. In dem seit Montag kursierenden Entwurf wird klargestellt, dass die Wehrmacht und die Nationale Volksarmee der DDR (NVA) als Institutionen keine Tradition der Bundeswehr begründen. Ausnahmen für einzelne Mitglieder der Wehrmacht und der NVA seien jedoch nach einer Einzelfallprüfung möglich, in der eine vorbildliche oder sinnstiftende Leistung erkennbar sein und mit der persönlichen Schuld abgewogen werden müsse.

Als Beispiele für besondere Leistungen werden „die Beteiligung am militärischem Widerstand gegen das NS-Regime oder besondere Verdienste um den Aufbau der Bundeswehr“ beziehungsweise „die Auflehnung gegen die SED-Herrschaft oder besondere Verdienste um die Armee der Einheit“ genannt.

Der Traditionserlass legt für die Bundeswehr fest, welche Werte „sinnstiftend“ und welche Persönlichkeiten Vorbilder sein können. In dem überarbeiteten Regelwerk wird die eigene Geschichte der Bundeswehr als „zentraler Bezugspunkt der Tradition“ genannt; eine Neuerung gegenüber dem bisherigen Erlass aus dem Jahr 1982. In den 35 Jahren seiner Gültigkeit hat sich die Armee durch das Ende des Kalten Krieges, die Wiedervereinigung, mehrere Auslandseinsätze und die Aussetzung des Wehrdienstes stark verändert.

Ebenfalls neu in dem Erlass: Er benennt klar zentrale Werte, die sich aus dem Grundgesetz und den Aufgaben der Bundeswehr ergeben. Die Soldaten müssen die Menschenwürde achten, Rechtsstaatlichkeit und Völkerrecht wahren und sind zu Menschlichkeit und auf Freiheit und Frieden verpflichtet. Soldatische Tugenden könnten in der Armee Anerkennung finden, jedoch nur unter Beachtung des geschichtlichen und politischen Kontextes. Hans-Peter Bartels, Wehrbeauftragter des Bundestages, bringt es gegenüber der taz auf die einfache Formel: „Bundeswehrsoldaten sollen nicht nur kämpfen können, sondern auch wissen wofür.“

Hans-Peter Bartels

„Soldaten sollen nicht nur kämpfen können, sondern auch wissen wofür“

Für Diskussionsstoff dürfte der Abschnitt sorgen, der die Benennung von Kasernen und anderen Bundeswehrgebäuden regelt. Dafür sollen grundsätzlich weiterhin die Dienststellenleiter und Gemeinden zuständig sein. Allerdings müssen bestehende Namen „diesem Traditionserlass entsprechen“. Der Wehrbeauftragte Bartels versteht darunter die Absicht des Verteidigungsministeriums, umstrittene Kasernennamen zu überprüfen. Agnieszka Brugger, sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, lobt den Entwurf zwar in Bezug auf die „klare Sprache“ und den „umfassenden Blick auf die deutsche Geschichte“, findet aber auch, man hätte „den Umgang mit problematischen Kasernennamen klarer gestalten sollen.“

Die verteidigungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Christine Buchholz, übt schärfere Kritik: „Es kann nicht angehen, dass es weiterhin örtlichen Dienststellen überlassen bleibt, wem gedacht wird und wem nicht, wenn diese wie im Falle der Lent-Kaserne in Rotenburg (Wümme) offenbar kein Interesse an einem scharfen Bruch mit NS-nahen Wehrmachtspiloten haben.“ Zuletzt waren Forderungen laut geworden, diverse Kasernen aufgrund der Nähe ihrer Namensgeber zum Nationalsozialismus umzubenennen.

Die Überarbeitung des Traditionserlasses wurde von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im Mai dieses Jahres initiiert und sollte ursprünglich noch vor der Bundestagswahl fertiggestellt werden. Bei vier Workshops, die von August bis November stattfanden, diskutierten laut Bundesverteidigungsministerium rund 800 Personen aus Militär, Politik und Wissenschaft über das Traditionsverständnis der Bundeswehr.

Auslöser waren Ermittlungen gegen den mutmaßlich rechtsextremen Bundeswehrsoldaten Franco A., der sich als syrischer Flüchtling ausgegeben hatte und verdächtigt wird, einen terroristischen Anschlag geplant zu haben. In der Kaserne im französischen Illkirch, in der A. stationiert war, war ein Aufenthaltsraum mit Wehrmachtsandenken dekoriert. Bei anschließenden Durchsuchungen in weiteren Kasernen wurden über 400 Wehrmachtsdevotionalien gefunden.

Keine Wehrmachtsandenken als Dekoration

Dieser Punkt wird in dem neuen Erlass ebenfalls geregelt: Andenken an die Wehrmacht oder die NVA sollen in Zukunft nicht mehr als Raumdekoration erlaubt sein, sofern keine der oben genannten Ausnahmen oder Bezüge zur Einheit oder persönlicher Natur bestehen.

Auch ein klares Bekenntnis zur Bedeutung historischer Bildung für Soldaten ist in dem Papier enthalten. So solle der „Vermittlung von Traditionsverständnis“ in Bildungseinrichtungen als auch im alltäglichen Dienst „ausreichend Gelegenheit und Zeit“ gegeben werden. „Diese Forderung kann ich nur unterstützen, weil das bei dem Zeitdruck in manchen Verbänden nicht selbstverständlich ist“, äußert sich Bartels dazu und betont die Wichtigkeit geschichtlichen und politischen Wissens bei den Soldaten.

Der Entwurf des neuen Traditionserlasses werde in den kommenden Wochen in Beratungsgremien und innerhalb der Bundeswehr diskutiert, verlautbarte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Es sei davon auszugehen, dass er je nach Überarbeitungsnotwendigkeiten „zügig inkraft gesetzt“ werde. Formell kann er rein exekutiv erlassen werden. Bartels wünscht sich aber eine Beteiligung des Parlaments in Form einer vorherigen Beratung im Verteidigungsausschuss. Der muss jedoch erst einmal vom neuen Bundestag eingesetzt werden.

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