Plan von Finanzminister Lindner: Wie Aktien die Rente retten sollen

Die Aktienrente steht im Koalitionsvertrag und nimmt langsam Gestalt an. Aber ob das Projekt den Anstieg der Beiträge dämpfen kann, ist unklar.

Finanzminister Lindner mit Mikrofon im Wahlkampf für die Landtagswahl in Bayern am 19. Juli 2023.

Finanzminister Lindner will die Aktienrente in Deutschland Foto: Wolfgang Maria Weber/imago

BERLIN taz | Das Verhältnis der Deutschen zu Geldanlagen an den Börsen ist vor allem bei den älteren Jahrgängen von Skepsis geprägt. Bei den jungen Leuten sieht es schon anders aus, spätestens seitdem sich Aktiensparpläne unkompliziert über das Smartphone abwickeln lassen. Und ausgerechnet die kritischen Jahrgänge im oder nahe am Rentenalter sollen nun ihre Altersvorsorge von den Entwicklungen an den Aktienmärkten abhängig machen? So könnte die von Finanzminister Christian Lindner (FDP) an den Start gebrachte Aktienrente zumindest missverstanden werden.

Zwölf Milliarden Euro pro Jahr will Lindner dafür in den kommenden Jahren locker machen. Das Geld dafür borgt sich der Bund an den Kapitalmärkten. So soll eine „Stiftung Generationenkapital“ entstehen, die bis Mitte des nächsten Jahrzehnts einen dreistelligen Milliardenbetrag erreichen soll, von 200 Milliarden ist die Rede. Dazu will Lindner auch Bundesbeteiligungen an die Stiftung übertragen. Genaueres sagt er dazu nicht. Aber es kommen zum Beispiel die Beteiligungen an der Post oder der Telekom dafür infrage.

Die politisch unabhängige Stiftung soll das Vermögen verwalten und gewinnträchtig an den Börsen anlegen. „Sie legt in unserem Auftrag das Geld von uns allen an“, erläutert der Minister. Die Idee: Der Staat zahlt für den Aufbau des Stiftungskapitals beispielsweise zwei Prozent Zinsen. Die Stiftung erzielt mit den Anlagen dann eine Rendite von fünf Prozent. Davon überweist sie die Zinsausgaben des Staates an den Bund. Der Rest, im Beispiel drei Prozent des Vermögens, fließt in die Rentenkasse.

So will die FDP den Beitragssatz zur Rentenversicherung stabilisieren, wenn immer weniger Arbeitnehmer steigende Rentenausgaben finanzieren müssen. „Nichtstun ist keine Option“, sagt Lindner.

Zu wenig Kapital für echten Effekt?

Doch hat die Aktienrente noch einige Haken, die für viel Kritik sorgen, selbst in den Reihen der Ampelkoalition. So täuscht die Größe des Staatsfonds über dessen möglichen Beitrag zur Stabilisierung der Beiträge. Den Prognosen zufolge wird der Beitragssatz von derzeit 18,6 Prozent des Bruttolohnes in den nächsten zehn Jahren auf über 21 Prozent ansteigen. Um ihn um einen Prozentpunkt zu drücken, müsste der Fonds eine jährliche Dividende von 17 Milliarden Euro einbringen.

Nach einer Berechnung des grünen Rentenexperten Markus Kurth müsste dafür ein Kapital von 567 Milliarden Euro zusammenkommen. Kurth stellt das Vorhaben auch aus verfassungsrechtlichen Gründen infrage. Es würde das Vertrauen in das geltende Umlageverfahren untergraben und Verzerrungen an den Finanzmärkten nach sich ziehen, glaubt er.

Stattdessen plädiert er für eine Stärkung der Einnahmen der Rentenkasse aus Beiträgen, zum Beispiel durch eine höhere Frauenerwerbsquote, bessere Löhne und gesündere Arbeitsbedingungen. Auch der DGB lehnt den Einstieg in ein solches teilweise kapitalgedecktes Rentensystem ab.

Mit der privaten Altersvorsorge hat das Generationskapital nichts zu tun. Die Regel dazu sollen gesondert reformiert werden. Die Riester-Rente wird nach Vorschlägen einer Expertenkommission so verändert, dass auch Aktienfonds verstärkt zur Vermögensbildung beitragen können. Das wäre aber völlig unabhängig von der Entwicklung des gesetzlichen Rentensystems.

Die Aktienrente wird Teil eines Gesetzespakets sein, das Lindner zusammen mit Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in den kommenden Wochen auf den Weg bringen will. Sie ist auch ein Zugeständnis des Koalitionspartners SPD. Denn Heil will im Gegenzug beim Rentenniveau eine Untergrenze von 48 Prozent einziehen. Das Rentenniveau beschreibt das Verhältnis einer Durchschnittsrente zum Durchschnittsverdienst, sagt also nichts über den individuellen Rentenanspruch aus.

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