Russischer Sicherheitsexperte zum Nato-Konfikt: "Russland und Nato kooperieren weiter"

Der Konflikt zwischen Russland und der Nato ist nicht größer als vor einem Monat, sagt der russische Professor für Sicherheitsfragen, Alexander Nikitin. Ihre Militärdoktrin ändern beide Seiten nicht.

Für den Sicherheitsexperten Alexander Nikitin ist der Georgienkonflikt nur von regionaler Bedeutung. Bild: dpa

taz: Herr Nikitin, war es absehbar, dass die Zusammenarbeit zwischen der Nato und Russland unterbrochen wird?

Alexander Nikitin: Die Zusammenarbeit wurde ja nicht generell unterbrochen, sondern nur in Bezug auf den regionalen Konflikt mit Georgien.

Ihrer Ansicht nach ist die weltpolitische Situation gar nicht so dramatisch?

Nein. Sie müssen berücksichtigen, dass es rund 20 Arbeitsgruppen zwischen Russland und der Nato gibt. Davon hat nun eine ihre Arbeit unterbrochen.

Die Äußerungen von der tiefen Spaltung zwischen den USA und Russland sind also nur Wortgeklingel?

Meines Wissens war die Kooperation zwischen der Nato und Russland in den letzten fünf, sechs Jahren sehr pragmatisch. Natürlich gibt es immer wieder Gesten der Bestrafung und der Rache; es gibt einfach so etwas wie eine internationale Psychologie. Im Moment will der Westen Russland für bestimmte politische Aktionen abstrafen. Aber diese Bestrafung lässt sich ohnehin nicht universalisieren. Man sollte sich auf den Bereich konzentrieren, in dem die Nato und Russland tatsächlich Differenzen haben. Und das betrifft den Umgang mit ethnischen Konflikten und der Einmischung von außen. Wir haben es hier mit einem regionalen Konflikt zu tun.

Warum betonen Sie, dass der Krieg in Georgien ein regionaler Konflikt ist?

Sie dürfen nicht vergessen, dass sich Russland 1999 vehement gegen eine Bombardierung Belgrads ohne die Zustimmung der UN gewehrt hat. Damals kam es auch zu einer Unterbrechung der Beziehungen zwischen der Nato und Russland. Sie hat 11 Wochen gedauert.

Wie lange wird sie jetzt dauern?

Nicht allzu lange. Es gibt einfach eine Agenda, die gemeinsam bearbeitet werden muss. Die kann nicht warten, bis sich die Emotionen wieder abgekühlt haben.

Sie sprechen von den Verhandlungen mit dem Iran? Hier ist also keine Kehrtwende der Russen zu befürchten?

Wissen Sie, Russland ist gerade sehr damit beschäftigt, mit den Folgen der Kaukasuskrise zurechtzukommen. Jetzt die politische Haltung gegenüber dem Iran zu ändern entbehrt jeder Logik. Russland hat kein Interesse daran, dass der Iran nuklear aufrüstet.

Kommen wir zum dritten Streitpunkt: dem Raketenabwehrschild, den die USA in Tschechien und Polen errichten. Experten sagen, dass er rein technisch gesehen nie funktionieren wird, also reine Symbolik ist.

Da gebe ich Ihnen recht.

Warum fühlt sich Russland dann bedroht?

Nun, diese ganze Debatte um die Bedrohung ist ja auch symbolischer und politischer und nicht technischer oder militärischer Natur.

Sie befürchten keinen weiteren Aufrüstungsschub?

Derzeit ersetzt Russland in Kaliningrad veraltete Nuklearsysteme durch neue. Solche Erneuerungen sind von langer Hand geplant. Und da man nie weiß, welche politische Situation in zwanzig oder dreißig Jahren vorherrschen wird, spielt dies auch nicht die entscheidende Rolle. Auch der Raktenabwehrschild wird übrigens erst in 2014 beziehungsweise 2016 in Gänze installiert sein. Grundsätzlich also überreagieren gerade beide Seite, Russland wie die USA. Aber eben nur in Form von internen Debatten. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass einer von beiden die militärische Doktrin ändern würde. Im Grunde ist das Verhältnis zwischen der Nato und Russland heute nicht schlechter als vor einem Monat. Die Friktionen, die sich jetzt zeigen, sind einfach nichts Neues. Denken Sie nur an das Kosovo und den Irakkrieg.

Was kann die EU besser machen?

Sie sollte helfen, den Konflikt auf eine höhere internationale diplomatische Ebene zu hieven.

Aber wird das nicht von den Russen blockiert?

Nein. Medwedjew war prinzipiell an der Vermittlung durch Sarkozy sehr interessiert.

Was heißt "prinzipiell"?

Das heißt, das Russland versucht hat, eine Diskussion über den Status von nicht anerkannten Staaten anzuregen. Wie im Zusammenhang mit Montenegro und dem Kosovo. Strukturell sind diese Konflikte ähnlich.

Können Sie das präzisieren?

Wissen Sie, in ethnischen Konflikten gibt es keine Gewinner, alle sind Verlierer. Insofern sollte sich Russland keinen Illusion hingeben, dass es nun einen militärischen Sieg eingefahren hätte. Es ist unvermeidbar, dass die Georgier sich in irgendeiner Weise für die Invasion rächen werden.

Welches Interesse verfolgt Russland dann im Kaukasus?

Die Aktionen Russlands können nur zum Teil mit der Situation im Kaukasus erklärt werden. Sie sind auch das Symbol dafür, dass Russland als Global Player zurück ist.

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