Steueroase Deutschland: Top-Adresse für Betrüger

Deutschland ist ein idealer Standort für Reiche, die in ihrer Heimat keine Abgaben leisten wollen. Dafür bremst der Staat internationale Abkommen.

Hinter einer filigranen Brücke erhebt sich die Skyline von Frankfurt a.M., zwei Ruderer im Vordergrund

Sieht ein bisschen aus wie New York, ist aber Frankfurt am Main. Foto: dpa

BERLIN taz | Es geht um Beträge in unvorstellbarer Höhe: Zwischen 2,5 und 3 Billionen Euro aus dem Ausland werden in Deutschland steuerfrei, aber gewinnbringend angelegt – doch die Heimatfinanzbehörden der Eigentümer erfahren nur von einem Prozent dieser Summe. Zu diesem Ergebnis kommt der Schattenfinanzindex 2015 des internationalen Tax Justice Network (TJN), einem weltweiten Zusammenschluss von Steuerexperten und zivilgesellschaftlichen Organisationen. „Deutschland ist eine der führenden Steueroasen der Welt“, sagte TJN-Projektleiter Markus Meinzer.

Die Bundesrepublik gehört danach zur Top Ten der weltweiten Standorte, an denen sich Steuerbetrüger und obskure Anleger gerne tummeln. „Mit einer Mischung aus rechtlichen Mängeln, zögerlicher Veröffentlichungspraxis und zaudernder Finanzaufsicht hat sich Deutschland still und leise zu einem sicheren Hort für schmutziges Geld aus aller Herren Länder entwickelt“, sagte Meinzer.

Der alle zwei Jahre erscheinende Index zeigt, in welchen Staaten die Bedingungen für Geldwäsche und Steuerhinterziehung nach Auffassung der Autoren besonders gut sind. Entscheidend dafür sind die Möglichkeiten, Geld im Geheimen zu bewegen und als Eigner anonym zu bleiben. Möglich ist das, weil Staaten wie Deutschland etwa unzureichende Veröffentlichungspflichten über Eigentümerstrukturen haben und mit Finanzämtern in andern Ländern keine oder nur unzureichende Daten austauschen. Deutschland steht wie bereits zuvor mit Platz 8 weit oben auf der Liste der Schattenfinanzplätze.

Platz 1 auf der Hitliste der Steueroasen belegt die Schweiz. Das im Ranking aus methodischen Gründen auf Platz 15 gerutschte Großbritannien kann mit der Mutter aller Steueroasen allerdings locker mithalten. Denn vom Finanzzentrum London aus wird ein Netzwerk weltweiter Satellitenoasen geführt, etwa die Bermudas oder Jersey. „Würden wir alles zusammenzählen, hätte Großbritannien den Spitzenplatz“, sagte Meinzer. Hongkong, die USA, Singapur, die Cayman-Inseln, Luxemburg und der Libanon bieten Vermögenden noch bessere Verschleierungsmöglichkeiten als Deutschland.

In Fragen der internationalen Steuerpolitik spielt die Bundesrepublik eine fatale Rolle. Sie sperrt sich gegen den öffentlichen Zugang zu länderspezifischen Unternehmensdaten und gegen die Erweiterung von Berichtspflichten. „Deutschland stellt eine wachsende Bedrohung für die Finanztransparenz dar und ist der größte Störfaktor in Bezug auf öffentliche Finanztransparenz“, sagte Meinzer. Er fordert die Einführung einer umgekehrten Strafsteuer: Erträge von Bürgern aus Staaten, mit denen keine Abgaben- oder Datenaustauschabkommen bestehen, sollten in Deutschland automatisch mit 35 Prozent besteuert werden.

Zu den Bremsern bei Abkommen gegen Steuerbetrug gehören auch die USA. Sie gehen zwar energisch gegen Steueroasen vor, wenn ihre eigenen Interessen berührt werden. Selbst informieren sie aber kaum über Geldströme, die ins Land kommen. Meinzer: „Die USA sind auf dem Weg, die Schweiz als größte Steueroase abzulösen.“

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