Suizid von Männern: Warum Männer seltener Hilfe suchen

Psychische Erkrankungen werden häufiger bei Frauen diagnostiziert, aber Männer sind gefährdeter, an einer solchen zu sterben. Ein Erklärungsversuch.

Portrait eines Mannes mit Vollbart

Dass Männer seltener Hilfe suchen, liegt auch an den patriarchalen Gesellschaftsstrukturen Foto: Daniel Bernard/Unsplash

Liebe Männer, wir müssen reden! Über eure Gesundheit; die psychische, um genau zu sein. Anlässlich des Movembers (Kofferwort aus November und dem französischen „Moustache“), einem Aktionsmonat, der auf das Thema Männergesundheit aufmerksam macht, möchte ich diese Kolumne allen Männern widmen.

Im Sommer 2020 rief M. mich an und sagte, dass V., ein gemeinsamer Bekannter, sich suizidiert hatte. Wir waren alle auf einer Schule, hatten zeitweise abgehangen und sind, wie so üblich, irgendwann alle unserer Wege gegangen. Ich weiß nicht mal mehr, wann ich V. das letzte Mal gesehen habe. Dennoch stimmte mich die Nachricht sehr betroffen, besonders nachdem M. mir von V.s psychischen Problemen und den Umständen seines Suizids erzählte.

Wenn Sie Suizidgedanken haben, sprechen Sie darüber mit jemandem. Sie können sich rund um die Uhr an die Telefonseelsorge wenden (08 00/1 11 01 11 oder 08 00/1 11 02 22) oder www.telefonseelsorge.de besuchen. Dort gibt es auch die Möglichkeit, mit Seel­sor­ge­r*in­nen zu chatten.

Obwohl psychische Erkrankungen Statistiken zufolge doppelt so häufig bei Frauen diagnostiziert werden, sind Männer gefährdeter, an einer solchen zu sterben. Laut Statistischem Bundesamt werden rund 75 Prozent der jährlich verzeichneten Suizide von Männern begangen. Nicht immer geht einer Selbsttötung eine psychische Erkrankung voraus. Der Deutschen Depressionshilfe zufolge trifft dies allerdings in 90 Prozent der Fälle zu.

Ob Männer wirklich seltener psychisch erkranken, ist nicht abschließend geklärt. Zwar wird davon ausgegangen, dass die Mehrfachbelastung von Frauen psychische Erkrankungen begünstigt. Da Männer sich im Schnitt aber seltener Hilfe suchen, bleiben sie bei ihnen öfter unerkannt.

Symptome schwerer zu erkennen

Hier setzt der Movember an: Dass sich Männer seltener Hilfe suchen, liegt auch an den patriarchalen Gesellschaftsstrukturen, in denen wir leben. Sie gaukeln vor allem euch Männern vor, dass ihr stark zu sein habt, euer emotionales Leid unter den Teppich gekehrt, mit viel Fusel begossen oder in Form aufgestauter Aggressionen an anderen ausgelassen gehört.

„Es gibt so viele Jungs und Männer, die denken, sie müssten ganz allein mit ihrem Leiden klarkommen“, schreibt JJ Bola in seinem Buch „Sei kein Mann“. Ihnen fehle ein Ventil für ihren Schmerz, sie neigten dazu, ihn zu unterdrücken, was fatale Folgen haben könne.

Die Symptome einer psychischen Erkrankung sind bei Männern häufig schwerer zu erkennen, auch, weil sie gesellschaftlich eher toleriert werden. Neben körperlichen Beschwerden können erhöhte Aggressionen, Gewaltbereitschaft und Alkoholmissbrauch damit einhergehen. Dass sich diese Symptome verschlimmern, wenn man nichts unternimmt, ist irgendwie logisch. Deswegen meine Bitte an euch Männer: Sprecht darüber, sucht euch Hilfe, bevor sich euer Schmerz gegen andere oder euch selbst richtet.

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Sophia Zessnik ist seit 2019 bei der taz und arbeitet in den Bereichen Kultur und Social Media. Sie schreibt am liebsten über Alltägliches, toxische Männlichkeit und Menschen im Allgemeinen. In ihrer Kolumne „Great Depression“ beschäftigt sie sich außerdem mit dem Thema psychische Gesundheit.

Haben Sie den Verdacht, an Depression zu leiden? Oder haben Sie sogar suizidale Gedanken? Andere Menschen können Ihnen helfen. Sie können sich an Familienmitglieder, Freun­d:in­nen und Bekannte wenden. Sie können sich auch professionelle oder ehrenamtliche Hilfe holen – auch anonym. Bitte suchen Sie sich Hilfe, Sie sind nicht allein. Anbei finden Sie einige Anlaufstellen.

Akute suizidale Gedanken: Rufen Sie den Notruf unter 112 an, wenn Sie akute suizidale Gedanken haben. Wenn Sie sofort behandelt werden möchten, finden Sie Hilfe bei der psychiatrischen Klinik oder beim Krisendienst.

Depression und depressive Stimmung: Holen Sie sich Hilfe durch eine Psychotherapie. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe kann Ihnen ferner Hilfe und Information zum Umgang mit Depression bieten.

Kummer: Sind Sie traurig und möchten jemanden zum Reden haben? Wollen Sie Sorgen loswerden und möchten, dass Ihnen jemand zuhört? Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr besetzt. Die Telefonnummern sind 0800 111 0 111 und 0800 111 0 222. Sie können auch das schriftliche Angebot via Chat oder Mail in Anspruch nehmen.

Onlineberatung bei Suizidgedanken: Die MANO Suizidprävention bietet eine anonyme Onlineberatung an. Wenn Sie über 26 Jahre alt sind, können Sie sich auf der Webseite registrieren. Sollten Sie jünger sein, können Sie hier eine Helpmail formulieren.

Hilfsangebot für Kinder, Jugendliche und Eltern: Die Nummer gegen Kummer hat sich zum Ziel gesetzt, Kindern, Jugendlichen und Eltern zu helfen. Kinder erhalten dort Unterstützung unter der Nummer 116 111, Eltern unter 0800 111 0 550, und bei der Helpline Ukraine unter 0800 500 225 0 finden Sie auch Hilfe auf Russisch und Ukrainisch.

Hilfsangebot für Mus­li­m:in­nen: Die Ehrenamtlichen des Muslimischen Seelsorgetelefons erreichen Sie anonym und vertraulich unter 030 443 509 821.

Bei der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention können Sie nach weiteren Seiten und Nummern suchen, die Ihrem Bedarf entsprechen.

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