Syrien-Krieg auf der Sicherheitskonferenz: Einigung über Feuerpause wackelt

USA und Russland sind sich offenbar nicht einig, auf welche Gruppen sie künftig noch schießen dürfen.

Eine Häuserfront in Aleppo. Auf der Straße Stände mit Obst und Gemüse.

So brüchig wie die gerade eben erst ausgehandelte „Feuerpause“: Häuserfassade in Aleppo (am 10.2.). Foto: reuters

MÜNCHEN taz | Die erst in der Nacht zum Freitag in München erzielte Einigung der „Internationalen Unterstüzungsgruppe für Syrien“ (ISSG) auf eine „Feuerpause“ in dem Bürgerkriegsland bis spätestens Ende nächster Woche sowie auf die „möglichst schnelle ungehinderte humanitäre Versorgung der notleidenden Bevölkerung in allen bislang belagerten oder schwer zugänglichen Städten und Regionen“ ist bereits wieder in Frage gestellt.

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz erklärte US-Außenminister John Kerry am Samstagmittag zwar, die USA wolle sich mit Russland darüber einigen, welche Gewaltakteure in Syrien die Luftstreitkräfte beider Länder auch nach Inkrafttreten der Feuerpause in dem Bürgerkriegsland weiterhin bombardieren sollen.

Sein russischer Amtskollege Sergey Lavrov zeigte sich jedoch äußerst skeptisch. Lavrov verwies auf eine Erklärung des Pentagon. Danach soll es keinerlei Absprachen zwischen den Streitkräften beider Länder geben über Ziele von Lufangriffen in Syrien.

„Welche Aussage gilt nun, die von Kerry oder die des Pentagon?“ fragte Lavrov bei einer Podiumsdiskussion mit seinen Amtskollegen aus Deutschland und Großbritannien, Frank-Walter Steinmeier und Phillip Hammond. Die Frage blieb ohne Antwort. Darüber hinaus stellte Lavrov die US-amerikanische Luftangriffe gegen den „Islamischen Staat“ auf eine Ebene mit den russischen Bombardements verschiedener Rebellengruppen, die Moskau als Terroristen einstuft, die von den USA, Deutschland und anderen westlichen Staaten aber als „legitime“ oder „gemäßigte“ Oppositionskräfte bezeichnet und unterstützt werden.

Streit über Islamisten

Bei dem Streit geht es in erster Linie um die beiden islamistisch-salafistischen Rebellengruppen „Dschaisch al-Islam“ (Armee des Islam) und „Ahrar al-Scham“ (Islamische Bewegung der freien Männer der Levante). Die beiden Gruppen haben enge ideologische und operative Verbindungen zur Al-Nusra-Front, dem syrischen Ableger des Al-Kaida-Terrornetzwerkes. Sie kontrollieren derzeit noch Gebiete um die umkämpfte Stadt Aleppo, die die syrischen Regierungstruppen mit massiver Unterstützung durch russische Luftstreitkräfte zu erobern versuchen.

Dschaisch al-Islam und Ahrar al-Scham werden von Saudi-Arabien, Katar und der Türkei unterstützt und gehören mit jeweils 20.000 bis 25.000 Kämpfern zu den militärisch stärksten Rebellengruppen im syrischen Bürgerkrieg. Aus diesem Grund halten die USA und die anderen westlichen Staaten eine Beteiligung dieser beiden Gruppen an den Genfer Verhandlungen zwischen syrischer Regierung und Opposition über die Bildung einer Übergangsregierung in Damaskus für unerlässlich.

Bislang dominieren die beiden Gruppen die mit Unterstützung Saudi-Arabiens und der Türkei gebildete Delegation der Opposition für den Genfer Verhandlungstisch. Die syrische Regierung macht bislang den Ausschluss dieser beiden „Terrorgruppen“ aus der Oppositionsdelegation zur Vorbedingung für eine Wiederaufnahme der Ende Januar nach nur drei Tagen unterbrochenen Genfer Verhandlungen.

Belagerte Orte: Einer lügt

Mit Blick auf die von der ISSG im Grundsatz vereinbarte schnelle humanitäre Versorgung der notleidenden Bevölkerung in ganz Syrien stellte Lavrov zudem die Behauptung auf, „die Mehrheit“ der derzeit vollständig belagerten und von der Außenwelt abgeschnittenen 17 syrischen Städte mit insgesamt rund 450.000 Einwohnern werde von Rebellengruppen eingekesselt. Das widerspricht der Feststellung der UNO, IKRK sowie nichtstaatlicher Hilfsorganisationen. Danach sind 15 der 17 Städte von Regierungstruppen oder mit ihnen verbündeten Milizen belagert.

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