Vergabe von Schengen-Visa: Europas geheime Visapolitik

Geheimdienste können die Einreise von Menschen aus sogenannten „Risikostaaten“ mit einem Veto verhindern. Eine Begründung brauchen sie nicht.

Eintritt nur mit Erlaubnis der Schlapphüte: Polizist mit Hund an der Schengen-Grenze. Bild: reuters

FREIBURG taz | „Ein oder mehrere Mitgliedsstaaten sind der Auffassung, dass Sie eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit oder die internationalen Beziehungen eines oder mehrerer Mitgliedsstaaten darstellen.“ Solche vagen Bescheide erhalten Ausländer, die ein Visum für einen der 27 Schengen-Staaten beantragen, wenn irgendein Geheimdienst Bedenken gegen ihre Einreise hat.

Dagegen wendet sich die Links-Fraktion im Bundestag. „Die Geheimdienste können Einreiseverbote nach Gutdünken verhängen“, protestiert der Linken-Abgeordnete Andrej Hunko, der in einer kleinen Anfrage die Praxis des Schengen-Konsultations-Verfahrens erkundet hat.

Im luxemburgischen Dorf Schengen wurde einst Reisefreiheit innerhalb der europäischen Staaten vereinbart – verbunden mit harten Kontrollen an den Außengrenzen. Angeschlossen sind die meisten EU-Staaten und zum Beispiel die Schweiz. Wer aus einem visapflichtigen Staat einreisen will, muss nur einmal einen Antrag stellen und bekommt dann ein Visum für den gesamten Schengen-Raum.

Bei Bürgern von 29 Staaten (zum Beispiel Iran und Pakistan) findet zuvor allerdings ein Konsultationsverfahren statt, bei dem die Sicherheitsbehörden aller Schengen-Staaten Bedenken gegen die Erteilung eines Visums erheben können.

3.000 Fälle bekannt

So wurden die deutschen Behörden in den vergangenen fünf Jahren in rund 5,2 Millionen Fällen nach Sicherheitsbedenken gefragt. In rund dreitausend Fällen legten sie ein Veto ein, am häufigsten bei Iranern (421 Fälle) und Ägyptern (316), so die Auskunft der Bundesregierung. Eine Begründung ist nicht erforderlich, wenn Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst, Militärischer Abschirmdienst, Bundeskriminalamt oder das Zollkriminalamt Nein sagen.

Umgekehrt konsultierte Deutschland in den vergangenen fünf Jahren in rund 15 Millionen Fällen die Schengen-Partner, die bei rund 2.300 Personen Bedenken erhoben. In immerhin 378 Fällen setzte sich Deutschland über diese Bedenken hinweg und erteilte ein Visum, das aber nur für Deutschland gilt.

Zunächst wird dem Ausländer, der nicht einreisen darf, nicht mitgeteilt, welcher Staat aus welchem Grund ein Veto gegen ihn eingelegt hat. Die Situation ist also reichlich kafkaesk. Deutschland gibt immerhin nähere Auskünfte, wenn der Ausländer eine gerichtliche Klage erhebt. Andere Staaten, wie die Schweiz, verweigern auch dann jede Auskunft.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.