1. Mai in Berlin: Die Stille im Blank

Die Clubs verzichten in diesem Jahr auf Politpartys – das liegt auch an der Spaltung der Szene durch den Gazakrieg.

Vor dem Club About:Blank stehen Menschen schlange

An diesem 1. Mai schlangenfrei: das About:­Blank am Ostkreuz Foto: Emmanuele Contini/imago

BERLIN taz | Der 1. Mai steht an, und das About:­Blank am Ostkreuz bleibt rund um den Feiertag einfach zu. Zum Tanz in den Mai muss man einen anderen Berliner Club besuchen. Es lässt sich durchaus als Statement begreifen, wenn der Party­laden mit dem stärksten politischen Sendungsbewusstsein in der Stadt an dem Tag, an dem für viele die Politisierung einfach mit zur Routine gehört, dicht bleibt: Das Blank tickt eben anders als die anderen. Nach der dreitägigen Feier des 14. Geburtstags letztes Wochenende braucht man vielleicht außerdem auch erst einmal eine Pause.

Für die meisten anderen Berliner Clubs ist die Walpurgisnacht eine stinknormale Möglichkeit, einfach eine weitere Party zu schmeißen. Explizit politisch sind sie alle nicht und implizit so sehr wie jede andere Feier in einem Club am Wochenende. Schließlich gehört es zum Selbstverständnis der Berliner Clubszene, dass hier immer ein wenig gegen die Verhältnisse getanzt wird. Gegen den Sexismus und Rassismus da draußen, vor dem die Clubs in ihrer Funktion als inklusive und diverse Safer Spaces schützen sollen. Und der Rausch der Nacht samt ausschweifendem Hedonismus wird verstanden als eine ständig wiederkehrende Absage an die Regelwerke der spießigen Mehrheitsgesellschaft, denen man auf dem Dancefloor und im Darkroom wenigstens für ein paar Stunden entkommen kann. Wenn man es so sieht, ist jeder Clubbesuch politisch genug, sodass man rund um den 1. Mai nicht auch noch ausdrücklich so tun muss, als würde man keinen Rave, sondern eine Demo veranstalten.

Dass die Clubszene am diesjährigen 1. Mai auf eindeutige politische Statements verzichtet, ist vielleicht auch zu begrüßen. Denn seit dem 7. Oktober, seit dem Überfall der Hamas auf Israel, ist sie gespalten wie noch nie. In weiten Teilen findet sich wenig Empathie mit den Opfern in Israel, dafür umso mehr und ausdrucksstärker mit denen in Gaza. Und wer über den stark angestiegenen Antisemitismus nicht schweigen will wie das About:Blank, bekommt aus Teilen der Szene Gegenwind. DJs, die im Blank auflegen, werden von Streitern für die palästinensische Sache gegängelt oder angeprangert. Seit Wochen wird der Club regelmäßig mit Exkrementen beschmiert.

Auf diese Art der Politisierung hätte auch Jens Schwan, Gründer der Technoparade „Zug der Liebe“, gern verzichtet. Seine Veranstaltung habe er gegründet, um ein Zeichen gegen Pegida und andere rechts­nationale Umtriebe zu setzen, sagt er. Die Repolitisierung der Szene habe er sehr begrüßt. Seit dem 7. Oktober sei er sich aber nicht mehr sicher, ob er diese Haltung überdenken müsse.

Sulu Martini vom About:­Blank beobachtet ebenfalls ein angestiegenes politisches Bewusstsein bei Teilen der Szene in den letzten Jahren. Er erinnert an das Bündnis „Reclaim Club Culture“, das unter anderem 2018 zur Rave-Demo „AFD wegbassen“ aufgerufen hatte. Auch dass kritisiert werde, dass im KitKat-Club anscheinend rechtslastige Türsteher umtriebig sein können, führt er auf verstärktes politisches Engagement bei so manchen Ravern zurück.

Politisches Bewusstsein müsse sich in der Clubkultur auch gar nicht unbedingt in bestimmten Bekenntnissen zeigen, wie das am 1. Mai üblich ist, findet er, sondern in der Praxis. Wie divers ist das Line-up der Partynacht? Gibt es ein Awareness-Team? Welche minoritären Personengruppen sind sichtbar auf dem Dancefloor? Um diese Fragen kümmern sich tatsächlich immer mehr Berliner Clubs und nicht bloß das Blank. Und zwar das ganze Jahr über und nicht bloß rund um den 1. Mai.

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