Flüchtlingspolitik von SPD bis CDU: Im Wettkampf der Asylverschärfungen

Regierung und Opposition überbieten sich mit restriktiven Plänen in der Flüchtlingspolitik. Das Ziel: weniger Ankünfte, mehr Abschiebungen.

Geflüchtete mit Gepaeck am Eingang eines Ankunftszentrums

Mehr Menschen fliehen in die EU – die will das mit allen Mitteln verhindern Foto: Detlef Heese/picture alliance

BERLIN taz | Es sagt einiges aus über den Stand der Asyldebatte, dass man manchmal nicht auf Anhieb sagen kann, wer eigentlich mit wem regiert. Man wolle die Liste der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten nicht nur um Georgien und Moldau erweitern, sondern auch um die Ma­ghreb­staa­ten Tunesien, Algerien und Marokko, beschloss am Montag das Präsidium der mitregierenden FDP. Geflüchtete sollen Sach- statt Geldleistungen bekommen, Asylanträge sollen in Drittstaaten ausgelagert werden. Genau das fordert in einem aktuellen Antrag, der am Freitag im Bundestag debattiert werden soll, auch die oppositionelle Union.

Der Entwurf liegt der taz vor. Demnach will die Unionsfraktion Abschiebungen ausweiten, Grenzkontrollen nach Tschechien, Polen und zur Schweiz einführen und Sachleistungen für Asylsuchende den Vorzug geben. Alle Bundesaufnahmeprogramme sollen ausgesetzt werden, auch das für Afghanistan. Und Asylverfahren sollen „uneingeschränkt in sicheren Drittstaaten“ möglich sein.

Einen „Deutschlandpakt in der Migrationspolitik“ nennt die Union ihre Vorschläge – ein direkter Seitenhieb auf Olaf Scholz (SPD). Der Bundeskanzler hatte der Union Anfang September seinerseits einen „Deutschlandpakt“ angeboten, mit dem Genehmigungsverfahren beschleunigt, aber auch die Verwaltung digitalisiert und Unternehmen gefördert werden sollten.

„Die ausgestreckte Hand von mir ist da“, sagte am Dienstag CDU-Parteichef Friedrich Merz. Aus dem Bundeskanzleramt habe es bislang keine substanziellen Vorschläge bezüglich des Scholz’schen Deutschlandpaktes gegeben. Daher mache die Union mit ihrem Vorstoß „zur Begrenzung der illegalen Migration“ nun einen eigenen Aufschlag. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt ergänzte: „Die Scholz-Fata-Morgana des Deutschlandpakts, die er uns präsentiert hat, muss mit Inhalten gefüllt werden.“

„Ich bedauere, dass die Union den Entschluss gefasst hat, nur ein Thema herauszugreifen: Migration“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich und warf der CDU vor, lediglich auf einen „innenpolitischen Vorteil“ aus zu sein. Zugleich äußerte er sich selbstgewiss über die Migrationspolitik der Regierungsparteien. „Nur diese Koalition ist in der Lage, die Jahrhundertaufgabe der Migration zu beantworten. Mit anderen Parteien ist eine vernünftige, aus unterschiedlichen Elementen bestehende Migrationspolitik nicht möglich.“

Humanitäre Lage ist desaströs

Auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa schnellen derzeit die Zahlen der ankommenden Geflüchteten in die Höhe, die humanitäre Lage ist desaströs. Längst ist daraus auch in Deutschland ein innenpolitisches Thema geworden – nicht zuletzt, weil in Hessen und Bayern in wenigen Wochen Landtagswahlen anstehen.

Die Union versucht, die Bundesregierung in Migrationsfragen vor sich herzutreiben. Nicht ohne Erfolg: Grünen-Chefin Ricarda Lang forderte am Montag „endlich Fortschritte“ bei den Rückführungsabkommen. Zwar kassierte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mit seiner Forderung nach einer „Obergrenze“ gerade eine Abfuhr der Bundesinnenministerin. Doch seit Monaten schon meldet sich Nancy Faeser, SPD-Spitzenkandidatin in Hessen, zum Thema vor allem mit restriktiven Plänen zu Wort.

Einige Punkte aus dem Unionsantrag hatte sie schon Anfang August in einem Diskussionspapier im Nachgang des Bund-Länder-Gipfels zum Thema Flucht in den Raum gestellt, etwa die Verlängerung des Ausreisegewahrsams von derzeit 10 auf 28 Tage. Zuletzt hatte das Bundesinnenministerium die freiwillige Aufnahme von Geflüchteten aus Italien ausgesetzt mit der Begründung, das Land verweigere seinerseits die Rücknahme Geflüchteter nach dem Dublin-Abkommen.

Es brauche mehr EU-Grenzschutz

„Deutschland sollte derzeit keine Migranten aus Italien aufnehmen“, bekräftigte nun FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai in der Rheinischen Post. Vielmehr brauche es mehr EU-Grenzschutz, durch „physische Grenzen ebenso wie eine strengere Überwachung des Mittelmeeres“. Viele Kommunen seien bei der „Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern schon jetzt akut überfordert“.

Der Grünen-Abgeordnete Julian Pahlke widerspricht: Den Solidaritätsmechanismus jetzt aufzukündigen, sende „kein gutes Signal an die Staaten, mit denen wir gerade über eine Neuaufstellung des europäischen Asylsystems verhandeln“, sagte er der taz. „Europäische Solidarität aufzukündigen eignet sich wirklich nicht als Wahlkampfansatz.“ Auch die Forderungen nach mehr Restriktion sieht er kritisch. Vielmehr müsse der Bund die Kommunen ausreichend unterstützen, auch finanziell. „Es ist einfach nicht die Realität, dass man einen Schalter umlegt, und dann fliehen weniger Menschen.“

Auch die grüne Migrationsexpertin Filiz Polat fordert eine „nationale Kraftanstrengung für eine Integrationsoffensive“. Die Union führe „Scheindebatten“. Es sei die „Fortsetzung einer Politik, die wir aus 16 Jahren unionsgeführtem Innenministerium kennen – und die gescheitert ist“.

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