Abgesetzter Armeechef der Ukraine: Diese neue Front braucht keiner

Die Gründe für den Rauswurf Walerij Saluschnyjs bleiben schleierhaft. Der neue Chef wird nichts an der prekären Gesamtsituation ändern können.

Porträt des unkrainischen Generals Walerij Saluschnyjs in Uniform

Die Gründe für den Rauswurf des beliebten Generals sind schleierhaft Foto: Gleb Garanich/reuters

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj möge endlich zur Besinnung kommen. Mit diesen Worten kommentierte ein Nutzer in den sozialen Netzwerken sich verdichtende Gerüchte über eine bevorstehende Absetzung des Oberkommandierenden der Streitkräfte, Walerij Saluschnyj. Der Appell blieb ein frommer Wunsch, seit Donnerstag dieser Woche ist es amtlich und Saluschnyj gefeuert. Ein Dank für zwei Jahre Verteidigung der Ukraine nebst dem wenig konkreten Angebot, in Selenskyjs Mannschaft zu bleiben – das war’s.

Seien es mögliche politische Ambitionen und die hohen Beliebtheitswerte des Generals, dessen offene Kritik an der Regierung oder einfach der Umstand, dass ein Sündenbock für die gescheiterte Gegenoffensive im vergangenen Jahr hermusste – die Gründe für Selenkyjs Entscheidung bleiben schleierhaft. Auch seine Begründung, es gehe nicht um Personalia, sondern um eine Modernisierung und Neuaufstellung der Armee, überzeugt nicht.

Denn an diesen Anforderungen wird auch Oleksandr Syrskyj scheitern. Sa­lusch­nyjs Nachfolger ist vielleicht handzahmer gegenüber dem Präsidenten und weniger pfleglich im Umgang mit den unteren Diensträngen. Doch das ändert nichts an der Gesamtsituation. Diese ist prekär.

Militärisch befindet sich Kyjiw in der Defensive. Es mangelt an Waffen, Munition und Personal. Die länglichen Debatten über eine Reform des Mobilisierungsgesetzes könnten ein Indiz für die möglicherweise abnehmende Bereitschaft der Ukrai­ner*in­nen sein, im Kampf für die Heimat den Kopf hinzuhalten.

Es hängt am Geld

Demgegenüber scheint Russland, wie massive Angriffswellen immer wieder zeigen, noch Ressourcen zu haben. Für Präsident Wladimir Putin, dessen Wiederwahl im März sicher ist, spielt es ohnehin keine Rolle, wie viel Menschenmaterial in der Ukraine verheizt wird.

Nach wie vor gilt: Über den Ausgang dieses Krieges und damit das Schicksal der Ukraine wird vor allem in Washington und Brüssel entschieden. Auch da läuft es, wie auf dem Schlachtfeld, zäh. Die Einigung in der EU auf ein Hilfspaket von 50 Milliarden Euro war kein Selbstläufer. Das Gezerre um Finanzhilfen für die Ukraine im US-Kongress gibt einen Vorgeschmack darauf, was noch kommen könnte, sollte Donald Trump wieder ins Weiße Haus einziehen.

Angesichts dieser Unwägbarkeiten, verbunden mit wachsender Unsicherheit, Kriegsmüdigkeit und einem drohenden Rechtsruck bei den diesjährigen EU-Wahlen, hat Selenskyj offensichtlich nichts Besseres zu tun, als eine weitere Front zu eröffnen. Das braucht keiner, vor allem nicht in der Ukraine.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

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