Geburtenrate sinkt fast überall: Bald schrumpft die Weltbevölkerung

Werden weniger Kinder geboren, ist das ein Zeichen von Wohlstand und Gleichberechtigung. In der Folge wird aber die globale Wirtschaft schrumpfen.

Drei gut gelaunte Babies liegen in Babyschalen, die nebeneinander stehen

Die Geburtenrate sinkt weltweit: Wer soll denn die ganze Arbeit erledigen, wenn es immer weniger Kinder gibt Foto: Panthermedia/imago

Frauen bekommen immer weniger Kinder. Ist das eine gute oder schlechte Nachricht? 1960 wurden im Durchschnitt weltweit noch etwa 5 Kinder pro Frau geboren, aktuell sind es 2,2 – und der Trend geht weiter nach unten. In einigen Jahrzehnten wird die Weltbevölkerung also schrumpfen, denn es sind mindestens 2,1 Kinder pro Frau nötig, damit die Generationen stabil bleiben.

Die Zahl der Kinder pro Frau sinkt so rasant, weil sich im Globalen Süden ein dramatischer Wandel vollzieht. In nur wenigen Jahrzehnten hat sich in vielen Ländern die Fruchtbarkeitsrate mehr als halbiert. Beispiel Indien: 1960 hatte eine Frau im Durchschnitt 6 Kinder, jetzt sind es 2. Iranerinnen hatten 1960 sogar 7,3 Kinder und bekommen heute 1,69. Ähnlich ist es in Bangladesch: Dort sank die Fruchtbarkeitsrate von 6,8 auf 1,95 Kinder.

Allerdings gibt es weiterhin Länder, die sehr hohe Geburtenraten aufweisen. Über 6 Kinder pro Frau werden immer noch in Niger, Tschad, Kongo und in Somalia verzeichnet – allesamt besonders arme und instabile Staaten.

In den meisten Ländern im Globalen Süden wiederholt sich jedoch, was die reichen Industriestaaten seit dem späten 19. Jahrhundert erleben: Sobald der Wohlstand steigt, werden die Familien kleiner. In Deutschland kamen zuletzt sogar nur 1,36 Kinder pro Frau zur Welt.

In der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet erschien nun eine Studie, die diese globalen Trends für das Jahr 2100 hochrechnet. Einige der Erkenntnisse: Die weltweite Fruchtbarkeitsrate dürfte dann bei 1,6 Kindern pro Frau liegen. Nur noch sechs Länder werden die magische Marke von 2,1 Kindern erreichen – nämlich Samoa, Tonga, Somalia, Niger, Tschad und Tadschikistan. Von daher ist es einerseits eine erfreuliche Nachricht, dass die Zahl der Kinder rapide sinkt.

Zuwanderung allein reicht nicht aus

Denn es ist ein Zeichen des Wohlstands und der Gleichberechtigung, wenn weniger Nachwuchs entsteht. Sobald Mädchen Schulen besuchen dürfen, gehen die Geburten zurück. Die jungen Frauen wollen dann erst einmal berufstätig werden und nicht lebenslang von ihrem Ehemann abhängig sein.

Trotzdem macht es Angst, wenn die Kinder ausbleiben. Denn wer soll die ganze Arbeit erledigen, wenn es viele Alte und nur wenige Junge gibt? Deutschland kennt diese Debatte bestens, die gern als „Vergreisung“ oder „demografische Katastrophe“ tituliert wird.

Zuwanderung allein wird nicht weiterhelfen, um den Kindermangel auszugleichen – schon weil es kaum noch Staaten mit einem Geburtenüberschuss geben wird. Bereits 2050, so The Lancet, werden 155 Länder weniger als 2,1 Kinder pro Frau verzeichnen. Es ist also wenig sinnvoll, wenn sich kinderarme Staaten gegenseitig den Nachwuchs abspenstig machen.

Eine andere Lösung wäre, noch stärker auf Technik zu setzen. Wenn jeder einzelne Arbeitnehmer produktiver wird, lässt sich mehr herstellen als vorher – selbst wenn die Zahl der Beschäftigten sinkt. Allerdings hat dieser schöne Plan eine Tücke: Maschinen laufen nur mit Energie, sonst sind sie totes Kapital. Diese Energie muss künftig aber klimaneutral sein, wenn wir als Menschheit überleben wollen.

Grüne Energie wird es im Überfluss jedoch nicht geben. Sie wird knapp und teuer bleiben, selbst wenn alle denkbaren Solarpaneele und Windräder installiert werden. Die Menschheit muss sich darauf einstellen, dass die globale Wirtschaft schrumpfen wird. Weil die grüne Energie nicht reicht – und weil pro Frau weniger Kinder geboren werden.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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