Nach Angriff auf Rechtsextremen: Polizei fährt groß auf in Leipzig

Erneut durchsucht die Polizei in Leipzig mehrere Linke. Zuvor gab es einen Angriff auf einen Rechtsextremen. Der Grüne Kasek kritisiert den Einsatz.

Vermummte und bewaffnete Polizisten stehen vor einem Haus in Leipzig Connewitz und laden Kisten in bereitstehende Autos

Eifrig unterwegs: Die Polizei steht vor einem Haus in Leipzig Connewitz, in dem sie Wohnungen durchsucht hat Foto: Hendrik Schmidt/dpa

BERLIN taz | Die Polizei rückte am frühen Mittwochmorgen in Leipzig groß aus. In mehreren Stadtteilen durchsuchte sie insgesamt neun Personen, die dem linken Spektrum zugerechnet werden. Ihnen wird vorgeworfen, am 6. November vergangenen Jahres den Leipziger Rechtsextremen Dominik G. im Leipziger Hauptbahnhof angegriffen zu haben. Dieser soll von Vermummten attackiert worden sein, nachdem er mit einem Zug von einem Pegida-Aufzug in Dresden zurückkehrte.

Die Razzien wurden von der „Soko Linx“ des Landeskriminalamts initiiert, die zuletzt auch gegen die Gruppe um die Leipzigerin Lina E. ermittelte. Die Studentin wurde im Mai 2023 vor dem Oberlandesgericht Dresden mit drei Mitbeschuldigten zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Die Gruppe soll zuvor mehrere schwere Angriffe auf Rechtsextreme in Sachsen und Thüringen verübt haben. Die Ermittlungen übernahm am Ende die Bundesanwaltschaft. Diese will demnächst weitere Linke anklagen, die der Gruppe zugerechnet werden.

Die jetzt Durchsuchten – 20 bis 53 Jahre alt – sollen laut LKA Sachsen gemeinsam den Angriff am 6. November im Leipziger Hauptbahnhof verübt haben. Zwei Frauen hätten Dominik G., der bei der rechtsextremen Partei „Freie Sachsen“ aktiv ist, zuvor in einem Zug ausgespäht, so der Vorwurf. Die Verletzungen des 22-Jährigen wurden ambulant behandelt. Die Behörden werfen den neun Durchsuchten eine gemeinschaftlich begangene gefährliche Körperverletzung vor.

Jonas V., einer der Durchsuchten, weist die Vorwürfe zurück. Eine Ausspähung habe es nicht gegeben, erzählt der Klimaaktivist der taz. Vielmehr habe es ein zufälliges Aufeinandertreffen der zwei Frauen in dem Zug mit dem Rechtsextremen gegeben. Aus Angst um ihre Sicherheit hätten diese Bekannte angerufen und gebeten, sie vom Bahnhof abzuholen. Im Bahnhof sei man dann erneut auf Dominik G. getroffen, wobei es zu einem Handgemenge zwischen diesem und einer Person aus der Gruppe gekommen sei. Der Rest der Gruppe sei aber unbeteiligt aus der Bahnhofshalle spaziert, so Jonas V. „Das werden auch die Überwachungsvideos im Bahnhof zeigen.“

Die Ermittler werfen drei der Beschuldigten aber auch vor, am 30. November 2023 in einer Tiefgarage eines Connewitzer Neubauprojekts versucht zu haben, einen Schaltkasten in Brand zu setzen, wodurch ein Schaden von 1.000 Euro entstanden sei. Ein Beschuldigter soll zudem bei den „Tag X“-Demonstrationen am 3. Juni 2023, nach dem Urteil gegen Lina E., einen Polizisten angegriffen haben.

Wie der Leipziger Grünenpolitiker Jürgen Kasek der taz bestätigte, wurde auch ein Raum in der Kanzlei durchsucht, in der er früher als Anwalt tätig war. Ein Beschuldigter soll diesen zuvor mitgenutzt haben. Kasek kritisierte den Polizeieinsatz als überzogen und „maximal invasiv“. „Das steht in keinerlei Relation zu dem Vorfall, der damals passiert sein soll.“

Auch Anwältin Christiane Götschel, die eine der Beschuldigten vertritt, bestätigt den Einsatz in der Kanzlei und spricht von einem überzogenen Polizeieinsatz. In der Kanzlei seien auch Datenträger mitgenommen worden, die erkennbar nichts mit den Vorwürfen zu tun hätten. „Offenbar ging es nur darum, das angekündigte, härtere Vorgehen gegen Linksextremismus in die Tat umzusetzen und gegen ein konstruiertes Netzwerk vorzugehen.“

Kürzlich Messerangriff in Berlin

In den vergangenen Jahren waren Sicherheitsbehörden immer wieder mit Durchsuchungen und Festnahmen gegen die linke Szene in Leipzig vorgegangen – vor allem gegen Personen aus dem Umfeld von Lina E. Aktuell sucht die Soko auch weiterhin neun Autonome, die Rechtsextreme beim „Tag der Ehre“ in Budapest, einem europäischen Großaufmarsch, angegriffen haben sollen. Auch darunter sind Leipziger, etwa Johann G., der frühere Lebensgefährte von Lina E. Eine gesuchte Person wurde im Dezember in Berlin festgenommen. In ihrem Fall will das Berliner Kammergericht demnächst über eine Auslieferung nach Ungarn entscheiden.

Bisher keinen Leipzig-Bezug hat – anders als medial berichtet – ein Messerangriff, den Linke vor wenigen Tagen auf einen Rechtsextremen der Kleinpartei „III. Weg“ im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg verübten. Der 23-jährige Leander S. wurde dabei verletzt, auch zwei der Angreifer erlitten Stichverletzungen und mussten ebenso stationär behandelt werden, ein dritter konnte laut Polizei fliehen. Ein Bericht, wonach einer der gefassten Angreifer aus Leipzig sein oder der Gruppe um Lina E. angehören soll, ist nach taz-Informationen nicht zutreffend.

Der „III. Weg“, der zuletzt in Berlin deutlich aktiver aufgetreten war, sprach von einem „Überfall aus dem Hinterhalt“ und drohte: „Die Reaktionen darauf werden die Entsprechenden sein.“ Sicherheitsbehörden befürchten, dass es zu Racheaktionen der Rechtsextremen kommen könnte.

Aktualisiert um 19.30 Uhr

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