+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: „Open Arms“ erreicht Gaza-Küste

Ein mit Hilfsgütern beladenes Schiff liegt vor der Küste, muss aber noch entladen werden. Die Hamas fordert Freilassung von bis zu 1.000 Gefangenen.

Ein Mann hält bei einer Demonstration ein Schild mit dem Foto eines jungen Mannes und der Aufschrift: "He has no time to wait. Bring him home alive!"

Demonstration für die Freilassung der entführten Geiseln in Tel Aviv am Donnerstagabend Foto: Carlos Garcia Rawlins/rtr

Netanjahu billigt Militäreinsatz in Rafah

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat nach Angaben seines Büros am Freitag die Pläne für einen Militäreinsatz in Rafah im Süden des Gazastreifens gebilligt. Die Armee bereite sich neben dem operativen Einsatz auf eine Räumung der Zivilbevölkerung vor, hieß es in der Mitteilung.

Internationale Spitzenpolitiker, darunter auch Bundeskanzler Olaf Scholz, lehnen einen Einsatz in Rafah aus Sorge um das Wohl der Zivilbevölkerung strikt ab. Politiker wie Hilfsorganisationen verlangen von Israel Pläne, wie und wo die rund 1,5 Millionen Menschen aus der Region Rafah vor einem Militäreinsatz in Sicherheit gebracht werden. (dpa)

Hilfsschiff vor Gaza-Küste angekommen

Nach mehrtägiger Fahrt ist ein mit Hilfsgütern beladenes Schiff vor der Küste des Gazastreifens angekommen. Wie Fotos und Videos zeigen, befand sich die „Open Arms“ der gleichnamigen spanischen Nichtregierungsorganisation mit 200 Tonnen Lebensmitteln der US-Hilfsorganisation World Central Kitchen (WCK) an Bord am Freitagmorgen in Sichtweite des Palästinensergebiets. Der Website Marine Traffic zufolge lag das Schiff rund fünf Kilometer vor der Küste.

Einige Bewohner des Gazastreifens versammelten sich bereits am Ufer, um auf die Hilfsgüter zu warten, wie weitere Fotos von AFP zeigten. Wann das Schiff entladen werden kann, war zunächst nicht bekannt. „Wir hoffen, die Hilfsgüter zu entladen, sobald wir anlegen können, aber viele Faktoren spielen bei dieser komplizierten Operation eine Rolle“, sagte WCK-Präsidentin Erin Gore am Donnerstag.

Ein Team von WCK, das sich im Gazastreifen aufhält, errichtet bereits seit mehreren Tagen eine schwimmende Anlegestelle. Das Schiff hat den Angaben zufolge demnach 300.000 Mahlzeiten geladen, darunter Reis, Mehl und Konserven.

Die „Open Arms“ war am Dienstag vom Hafen Larnaka auf Zypern aufgebrochen; sie soll der Beginn eines Seekorridors nach Gaza sein. Auf Zypern hatten israelische Behörden die Ladung zuvor inspiziert. Parallel wird internationale Hilfe aus der Luft in dem Kriegsgebiet abgeworfen, woran auch Flugzeuge der Bundeswehr beteiligt sind. Nach Angaben der UNO ist die Unterstützung über das Meer und aus der Luft jedoch kein Ersatz für Hilfe auf dem Landweg. (afp/taz)

Handelsschiff im Roten Meer von Rakete getroffen

Im Roten Meer ist am Freitag erneut ein Handelsschiff angegriffen und beschädigt worden. Der Vorfall ereignete sich laut der für Sicherheit in der Handelsschifffahrt zuständigen Stelle der britischen Marine (UKMTO) 76 Seemeilen (rund 140 Kilometer) westlich der jemenitischen Hafenstadt Hudaida. Das Schiff sei von einer Rakete getroffen worden und habe Schaden genommen, hieß es in einer UKTMO-Mitteilung. Die Besatzung sei in Sicherheit und das Schiff nun unterwegs zum nächstgelegenen Hafen.

Der britische Sicherheitsdienstleister Ambrey berichtete von einem Tanker, der auf Steuerbordseite getroffen wurde, als er in nördlicher Richtung im Roten Meer unterwegs war. Das Schiff sei in der Vergangenheit mit Israel in Verbindung gebracht worden, habe aber inzwischen einen anderen Eigentümer. Es sei von Singapur in Richtung Suezkanal unterwegs und bereits einen Tag zuvor nur knapp einem Angriff im Golf von Aden entgangen. (dpa)

Hamas legt Verhandlungsvorschlag vor

Die Islamistenorganisation Hamas hat eigenen Angaben zufolge in den Verhandlungen über eine Feuerpause im Gaza-Krieg und die Freilassung weiterer Geiseln einen umfassenden Vorschlag vorgelegt.

Nach dem von der Agentur Reuters eingesehenen Konzept sollen in einem ersten Schritt Frauen, Kinder, ältere und erkrankte Menschen sowie Soldatinnen in Händen der Hamas freigelassen werden. Im Gegenzug soll Israel 700 bis 1.000 inhaftierte Palästinenser freilassen. Darunter sollen rund Hundert Häftlinge sein, die zu lebenslanger Haft verurteilt wurden.

Die Hamas erklärt, sie werde einer Feuerpause erst zustimmen, wenn man sich auf diesen ersten Schritt geeinigt habe. Nach diesem ersten Schritt müsse ein Datum festgelegt werden, bis zu dem sich alle israelischen Soldaten aus dem Gazastreifen zurückziehen müssten. Erst danach würden sämtliche Geiseln freigelassen.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte nach Angaben seines Büros, die Hamas halte weiterhin an „unrealistischen Forderungen“ fest. (dpa/rtr)

Australien nimmt Finanzierung des UNRWA wieder auf

Australien wird die Finanzierung der UN-Hilfsorganisation für die Palästinenser wieder aufnehmen. „Die beste derzeit verfügbare Empfehlung von Behörden und den Anwälten der australischen Regierung lautet, dass das UNRWA keine terroristische Organisation ist“, sagte Außenministerin Penny Wong am Freitag vor Journalisten in Adelaide.

In den vergangenen Wochen hatten zahlreiche Geberländer ihre Mittel für das Hilfswerk eingefroren. Hintergrund sind Vorwürfe Israels, dass einige UNRWA-Mitarbeiter im Gazastreifen an dem Angriff der Hamas auf den Süden Israels am 7. Oktober beteiligt gewesen seien. Vor Wongs Ankündigung hatten bereits Schweden, die Europäische Kommission und Kanada ihre Zahlungen wieder aufgenommen. Wong äußerte sich entsetzt über die sich verschlechternde humanitäre Lage im Gazastreifen. (ap)

Abbas ernennt neuen Ministerpräsidenten

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat am Donnerstagabend laut der amtlichen palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa einen neuen Ministerpräsidenten ernannt. Der Ökonom und ehemalige Weltbank-Mitarbeiter Mohammed Mustafa erhielt demnach den Auftrag, eine neue palästinensische Regierung zu bilden – mutmaßlich mit weiteren Kabinettsmitgliedern ohne Parteibindung. Sein Vorgänger Mohammed Schtaje hatte auf Druck arabischer Länder und der USA Ende Februar seinen Rücktritt eingereicht.

Die USA wollen, dass die im Westjordanland regierende und von Abbas geführte Palästinensische Autonomiebehörde (PA) umgestaltet wird und dann auch im Gazastreifen wieder die Kontrolle übernimmt. Damit will Washington auch eine Zweistaatenlösung als umfassenden Ansatz zur Befriedung des Nahen Ostens vorantreiben. Die Hamas hatte die PA 2007 gewaltsam aus dem Küstenstreifen vertrieben. (dpa)

US-Senator Schumer: Netanjahu „vom Weg abgekommen“

Seitens der USA wird derweil die Kritik an Israels Ministerpräsident Netanjahu immer lauter. Der einflussreiche demokratische Mehrheitsführer im US-Senat, Chuck Schumer, forderte Neuwahlen in Israel. Er glaube, dass der Regierungschef „vom Weg abgekommen ist, indem er sein politisches Überleben über die besten Interessen Israels gestellt hat“, sagte Schumer, der selbst jüdisch ist und sich als eisernen Unterstützer Israels bezeichnete. Netanjahu habe sich in eine Koalition mit Rechtsextremisten begeben und sei infolgedessen „zu sehr bereit, die zivilen Opfer im Gazastreifen zu tolerieren“. Die weltweite Unterstützung für Israel sei deshalb auf einen historischen Tiefstand gefallen. Israel könne aber nicht überleben, wenn es zu einem „Paria“ werde.

Netanjahus konservative Likud-Partei kritisierte Schumers Äußerungen scharf. „Israel ist keine Bananenrepublik, sondern eine unabhängige und stolze Demokratie“, hieß es in einer Erklärung der Partei. Der Regierungschef sei gewählt worden, seine „entschlossene Politik“ werde von einer großen Mehrheit unterstützt. Laut aktuellen Umfragen müsste Netanjahus rechtsreligiöse Koalition bei einer Neuwahl allerdings mit massiven Verlusten rechnen.

Schumer bezeichnete Netanjahu als Hindernis für den Frieden – unter anderem durch seine Ablehnung einer Zweistaatenlösung. Netanjahus Likud-Partei entgegnete, das israelische Volk sei gegen eine internationale Anordnung zur Errichtung eines Palästinenserstaats. (dpa)

Gazas Gesundheitsbehörde meldet Beschuss Hilfesuchender

Im Gazastreifen sind nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums mindestens 20 auf Hilfsgüter wartende Menschen durch israelischen Beschuss getötet worden. 155 weitere Menschen seien bei dem Vorfall nahe der Stadt Gaza verletzt worden, erklärte das Ministerium in der Nacht auf Freitag. Die israelischen Streitkräfte bestritten einen Angriff auf Palästinenser und kündigten eine sorgfältige Untersuchung an.

Die islamistische Palästinenserorganisation Hamas erklärte, die auf Hilfsgüter wartenden Menschen seien an einem Kreisverkehr nahe der Stadt Gaza unter israelischen Beschuss geraten. Das israelische Militär habe mit „Panzern und Hubschraubern“ geschossen.

„Es gab direkte Schüsse der Besatzungstruppen auf Menschen, die sich am Kreisverkehr Kuwait versammelten, um auf die Ankunft von Lastwagen mit Lebensmitteln zu warten“, sagte der Leiter der Notaufnahme des Al-Schifa-Krankenhauses, Mohammed Ghurab, der Nachrichtenagentur AFP. Ein Mitarbeiter der AFP sah zahlreiche Krankenwagen mit Leichen und Verletzten.

Die israelische Armee wies die Angaben zurück. „Die Presseinformationen, denen zufolge die israelischen Streitkräfte dutzende Bewohner des Gazastreifens an einer Ausgabestelle für Hilfsgüter angegriffen haben, sind falsch“, erklärte das Militär in einer kurzen Stellungnahme. Der Vorfall werde „ernsthaft untersucht“. (afp)

EU-Parlament: Israel muss Hilfslieferungen zulassen

Ägypten pocht unterdessen auf mehr Hilfslieferungen in den Gazastreifen auf dem Landweg. Die von den USA geplante Errichtung eines temporären Hafens dauere zu lange, sagte der ägyptische Außenminister Samih Schukri am Donnerstag. Land-Korridore stünden hingegen schon jetzt zur Verfügung. Schukri zufolge gelangen am Grenzübergang Rafah derzeit etwa 200 Lastwagen täglich in den Gazastreifen. Das sei aber noch immer nicht ausreichend, um die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen zu versorgen. Israel wiederum argumentiert, es kämen derzeit mehr Hilfen in das Küstengebiet als vor Kriegsbeginn. Probleme gebe es vielmehr bei der Verteilung der Güter vor Ort.

Auch das EU-Parlament forderte Israel am Donnerstag dazu auf, sofort die uneingeschränkte Lieferung von Hilfsgütern in den Gazastreifen über alle bestehenden Grenzübergänge zu ermöglichen. Die Abgeordneten seien zutiefst besorgt über die katastrophale humanitäre Lage in dem Küstengebiet. Eine deutliche Mehrheit der Abgeordneten stimmte für eine – rechtlich nicht bindende – Resolution, in der auch die sofortige und bedingungslose Freilassung aller Geiseln gefordert wird. Darin heißt es, dass es keine Aussicht auf Frieden, Sicherheit, Stabilität und Wohlstand für den Gazastreifen geben könne, solange die Hamas und andere terroristische Gruppen dort entscheidenden Einfluss haben. (dpa)

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