Humanitäre Versorgung im Gazastreifen: Erste Hilfe übers Meer

Zum ersten Mal seit 2005 ist ein Schiff mit Hilfsgütern Richtung Gaza abgelegt. Ein Seekorridor soll weitere Hilfslieferungen ermöglichen.

Das Schiff von "Open Arms" verlässt den Hafen von Larnaca auf Zypern

Das Schiff (l) der Hilfsorganisation Open Arms mit rund 200 Tonnen Reis und Mehl auf einer Plattform verlässt den Hafen der Stadt Larnaca Foto: Petros Karadjias/dpa

BERLIN taz | Nach einigen Tagen Verzögerung ist das Schiff „Open Arms“ am Dienstag von Zypern aus in die See gestochen. Auf dem umgebauten Schlepper sind 200 Tonnen Nahrungsmittel, Trinkwasser und Medikamente verstaut. Wenn alles glatt läuft, soll das Schiff in zwei bis drei Tagen im Gazastreifen ankommen. Wo genau, das wollen die Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen aus Sicherheitsgründen nicht sagen. Es wäre die erste Hilfslieferung per Seeweg.

Laut der israelischen Internetzeitung Times of Israel soll es irgendwo im Norden des Küstenstreifens einlaufen, an einer Anlegestelle – errichtet aus Trümmern zerstörter Gebäude. Die Nichtregierungsorganisationen Open Arms, die mit ihrem gleichnamigen Schiff eigentlich Seenotrettung im Mittelmeer betreibt, und World Central Kitchen und sind an der Organisation des Hilfstransports beteiligt. Die Hilfsgüter sollen von der NGO World Central Kitchen verteilt werden.

Das Schiff „Open Arms“ soll nur das erste sein, das ablegt, um die Bevölkerung des Gazastreifens mit dem Notwendigsten zu versorgen und die katastrophale Versorgungslage zu verbessern. In einer gemeinsamen Anstrengung wollen NGOs, die EU, die USA, die Vereinigten Arabischen Emirate und andere Länder einen Seekorridor etablieren.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach am Dienstag vor dem Europäischen Parlament von einem „Zeichen der Hoffnung“. Es sei, so von der Leyen, das erste Mal seit 2005, dass ein Schiff Hilfe nach Gaza liefern dürfe. Solange es keinen Hafen gebe, in den große Schiffe einlaufen könnten, würden kleinere Schiffe – wie die „Open Arms“ – eingesetzt. Die USA planen, eine schwimmende Anlegestelle vor Gaza zu errichten, an der auch große Schiffe festmachen können. Medienberichten zufolge sind erste Lieferungen mit dazu benötigter Ausrüstung derzeit auf dem Seeweg von den USA nach Gaza unterwegs. 1.000 US-amerikanische Sol­da­t*in­nen sollen in den nächsten Wochen an der Anlegestelle arbeiten.

Israel weist Kritik zurück

Der israelische Verteidigungsminister Yoaw Gallant sprach sich am Sonntag für den Plan aus. Die Initiative, so Gallant, sei „darauf ausgerichtet, die Hilfe direkt zu den Bewohnern zu bringen und so den Zusammenbruch der Hamas-Herrschaft im Gazastreifen fortzusetzen“. Der effektivste Weg, den Gazastreifen mit Hilfsgütern zu versorgen, wäre jedoch immer noch der Landweg. Israel wehrt sich gegen die Kritik, dass es keine humanitäre Hilfe zulasse. Seit Kriegsbeginn seien mehr als 16.000 Lastwagen in den Gazastreifen gefahren und nur 1,5 Prozent nicht zugelassen worden, so die für Kontakte mit den Palästinensern und humanitäre Hilfe zuständige israelische Behörde Cogat auf X.

Doch Berichte von Ocha, dem Amt der Vereinten Nationen, das für die Koordination humanitärer Hilfe zuständig ist, zeichnen ein anderes Bild. Laut Ocha konnten im Februar lediglich 6 der 24 geplanten Hilfskonvois der Vereinten Nationen und ihrer Partnerorganisationen in den Norden des Gazastreifens gelangen. Im Januar waren es 9 Konvois. Der Rückgang der ermöglichten Hilfslieferungen sei laut Ocha in erster Linie auf eine Einsatzpause zurückzuführen. Diese wurde eingelegt, nachdem ein Nahrungsmittelkonvoi am 5. Februar von israelischem Feuer getroffen worden war, während er an einem Checkpoint wartete. Im Bericht ist des Weiteren von Einschüchterungsversuchen und Schikanen gegenüber UN-Mitarbeiter*innen die Rede.

In den letzten Tagen werfen die USA vermehrt Hilfslieferungen aus der Luft ab. Dass dies Gefahren birgt, wurde am Freitag deutlich, als fünf Menschen von einem Paket erschlagen wurden, dessen Fallschirm nicht aufgegangen war. Außerdem gilt der Luftweg als vergleichsweise ineffizient: Während mit einem Lastwagenkonvoi rund 200 Tonnen Hilfsgüter geliefert werden können, sind es pro Luftabwurf lediglich 6 Tonnen. Nach fünf Monaten Krieg ist die humanitäre Lage in dem Palästinensergebiet katastrophal. Laut dem UN-Welternährungsprogramm (WFP) befinden sich die dort lebenden 2,4 Millionen Menschen am Rande einer Hungersnot.

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