+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Gegenseitige Beschuldigungen

Die Ukraine und Russland streiten im UN-Sicherheitsrat über den Flugzeugabsturz. Trump macht den Republikanern Druck, die US-Hilfe weiter zu blockieren.

Eine Winterlandschaft, im Hintergrund ist ein Feuerball zu sehen

Noch immer ist unklar, was genau sich in der Maschine befand, die am 24. Januar bei Yablonovo abgestürzt ist Foto: ap

Russland übergibt erneut Soldatenleichen an Ukraine

Die Ukraine hat von Russland die Überreste von 77 getöteten Soldaten erhalten. Die Übergabe sei längerfristig vorbereitet worden, teilte der für Kriegsgefangene zuständige Koordinierungsstab am Freitag per Telegram mit. Die Behörde dankte dem Internationalen Roten Kreuz für dessen Mithilfe. Im Gegenzug habe Russland 55 eigene getötete Soldaten bekommen, teilte der Duma-Abgeordnete Schamsail Saralijew mit. Zuletzt hatte die Ukraine Ende Dezember 66 Soldatenleichen an Russland übergeben.

Die Ukraine wehrt seit fast zwei Jahren eine russische Invasion ab. Verlustzahlen werden von beiden Seiten geheim gehalten. US-amerikanischen Schätzungen zufolge sind seitdem über 70 000 ukrainische und mehr als 120 000 russische Soldaten getötet worden. Zehntausende Soldaten und Zivilisten gelten als vermisst. (dpa)

Auswärtiges Amt wirft Russland Desinformationskampagne vor

Russland soll versucht haben, mit einer massiven Desinformationskampagne auf der Online-Plattform X (vormals Twitter) Unmut gegen die Ampel-Regierung zu schüren. Nach einem am Freitag veröffentlichten Bericht des Magazins „Spiegel“ deckte das Auswärtige Amt eine Aktion auf, für die offenbar mehr als 50.000 gefälschte Nutzerkonten eingerichtet worden waren. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) betonte, entschlossen gegen Desinformation vorgehen zu wollen.

Die Kampagne soll auch zum Ziel gehabt haben, die Unterstützung für die Ukraine in Deutschland zu untergraben. Dem Bericht zufolge analysierten Experten im Auftrag des Referats für Strategische Kommunikation im Auswärtigen Amt zwischen dem 20. Dezember 2023 und dem 20. Januar mit einer speziellen Software den Kurznachrichtendienst X. Dabei seien sie auf ein massives Netzwerk falscher Nutzerkonten gestoßen, die deutschsprachige Inhalte verbreiteten.

In dem Zeitraum identifizierten die Experten demnach mehr als 50.000 gefälschte Nutzerkonten, die insgesamt mehr als eine Million deutschsprachige Tweets absetzten. Häufig sei in den Tweets der Vorwurf aufgetaucht, die Bundesregierung vernachlässige die eigene Bevölkerung, um die Ukraine zu unterstützen, berichtet der „Spiegel“ mit Verweis auf eine vertrauliche Analyse. (afp)

Weiter unterschiedliche Versionen zum Flugzeugabsturz

Nach dem Absturz eines russischen Militärflugzeugs gibt es laut der Regierung in Kyjiw weiter keine Belege dafür, dass wirklich ukrainische Kriegsgefangene an Bord waren. „Ungeachtet der Vielzahl von lauten und rüden Aussagen und Anschuldigungen sind bislang keinerlei Beweise vorgelegt worden“, zitierten ukrainische Medien am Donnerstag den Sprecher des Militärgeheimdienstes der Ukraine, Andrij Jussow. Je länger es dauere, desto mehr Fragen kämen auf zur „Version des Aggressorstaates“.

Die Maschine vom Typ Iljuschin Il-76 war am Mittwoch im russischen Grenzgebiet Belgorod abgestürzt. Moskau behauptet, sie habe neben mehreren Crewmitgliedern auch 65 ukrainische Soldaten an Bord gehabt, um diese zu einem Gefangenenaustausch zu fliegen. Auf dem Weg dorthin sei das Flugzeug von der ukrainischen Armee abgeschossen worden. Eine unabhängige Bestätigung für diese Angaben gibt es nicht.

Es sei nicht das erste Mal, dass Russland „auf zynische und grausame Weise“ das Thema Kriegsgefangene instrumentalisiere und als Druckmittel gegen die Ukraine einsetze, kritisierte Jussow. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj äußerte sich am Donnerstag in seiner abendlichen Videoansprache nicht zu dem Flugzeugabsturz. Er hatte zuvor bereits eine Aufklärung des Vorfalls mit internationaler Hilfe gefordert.

Auch vor dem UN-Sicherheitsrat beschuldigten sich Russland und die Ukraine gegenseitig. Es handele sich nach bisherigen Informationen um ein „vorsätzliches, durchdachtes Verbrechen“, sagte Russlands stellvertretender UN-Botschafter Dmitri Poljanski bei einer Sitzung des Gremiums am Donnerstag in New York. Kyjiw habe aus einem „unerklärlichen Grund entschieden, die Prozedur zu sabotieren, und das auf die barbarischste Art“, sagte Poljanski bei der Sitzung in New York weiter. Die Ukraine sei „bereit, ihre eigenen Bürger für die geopolitischen Interessen des Westens zu opfern“.

Die stellvertretende ukrainische UN-Botschafterin Chrystyna Hajowyschyn sagte dagegen, die Ukraine sei nicht über die Zahl und Art der Transportmittel zum Transport der Gefangenen informiert worden. „Allein das könnte bewusste Handlungen Russlands darstellen, um das Leben und die Sicherheit der Gefangenen zu gefährden.“

Sollten sich die Informationen bestätigen, dass sich an Bord des Flugzeugs ukrainische Kriegsgefangene befanden, wäre dies eine „schwere Verletzung des humanitären Völkerrechts durch Russland“, sagte Hajowyschyn weiter. Es wäre „der erste Fall einer Verwendung eines menschlichen Schutzschilds in der Luft“ durch Russland, um Waffentransporte zu decken. (dpa/afp)

US-Militärhilfe noch immer blockiert

Schon seit Jahresbeginn verfügt die US-Regierung nicht mehr über Finanzmittel, um die Ukraine weiterhin militärisch zu unterstützen. Die Republikaner im Kongress machen die Bewilligung der von Präsident Joe Biden beantragten 106 Milliarden US-Dollar, darunter rund 60 Milliarden für die Ukraine, davon abhängig, zuvor oder gleichzeitig die US-Südgrenze zu Mexiko gegen die weitere Einreise von Migranten abzusichern. Ein entsprechender Deal zwischen republikanischen und demokratischen Senatoren schien sich abzuzeichnen und könnte eigentlich nächste Woche verabschiedungsreif sein.

Jetzt ist allerdings bekannt geworden, dass Ex-Präsident Donald Trump Druck auf die republikanischen Senatoren ausübt, keinerlei Deal zuzustimmen – weil ihm eine Verbesserung der Lage an der Grenze sein wichtigstes Wahlkampfthema nehmen würde. Öffentlich hatte Trump am Donnerstagabend erklärt, was derzeit verhandelt würde, sei für die Grenzsicherheit und -schließung vollkommen bedeutungslos, und die einzige Hoffnung für eine sichere Grenze bestehe darin, ihn zu wählen.

In nicht-öffentlichen Gesprächen drängt Trump laut Medienberichten die republikanischen Senatoren, im Wahljahr nichts zu vereinbaren, was Biden als Erfolg für sich verbuchen könnte. Setzt sich Trump mit dieser Position auch über den Chef der republikanischen Senatsfraktion, Mitch McConnell, durch, kann die Ukraine nicht mehr auf weitere Hilfe aus den USA zählen. McConnell gilt grundsätzlich als großer Verfechter der Ukraine-Unterstützung. (taz)

UN-Hilfswerk warnt vor schwieriger humanitärer Lage

Das UN-Flüchtlingshilfswerk stuft die humanitäre Lage in der Ukraine fast zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskriegs als sehr ernst ein und warnt vor einem Nachlassen der Hilfe. „Die Luftangriffe treffen jeden Tag die Frontlinie und die Städte. Und mit jedem Schlag bringen sie Zerstörung, die Zivilisten trifft. Viele Menschen verlieren ihr Obdach oder werden vertrieben“, sagte UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi der Deutschen Presse-Agentur in Kiew. Der Leiter des UNHCR hatte eine Woche lang Hilfsprojekte in Odessa, Krywyj Rih, Dnipro, Charkiw und Kiew besucht. (dpa)

Grünen-Politikerin Nanni: Ringtausch für Ukraine „besser als weiter diskutieren“

Die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Sara Nanni, hält einen Marschflugkörper-Ringtausch mit Großbritannien für die Ukraine für einen gangbaren Weg. „Besser so eine Lösung als weiter diskutieren“, sagte Nanni den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) vom Freitag. „Die Ukraine braucht rasch konkrete Lieferungen, um sich weiter verteidigen zu können. Was hilft, das sollte auch gemacht werden!“

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte sich am Donnerstag zurückhaltend zur Idee eines Ringtauschs geäußert, bei dem Deutschland Großbritannien Taurus-Marschflugkörper überlassen und die Ukraine dafür britische Storm-Shadows-Systeme erhalten würde. Er kenne ein entsprechendes Angebot nicht, sagte Pistorius in einem Interview. Falls es Gespräche dazu mit dem Kanzleramt geben sollte, müssten diese ergeben, „ob das tragfähig ist oder nicht“.

Das Handelsblatt hatte berichtet, London habe der Bundesregierung vor einigen Wochen vorgeschlagen, deutsche Taurus-Marschflugkörper an Großbritannien zu liefern. Im Gegenzug würden die Briten dann Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow an die Ukraine abgeben.

Der für Verteidigungspolitik zuständige Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) sagte dazu der Rheinischen Post vom Freitag, ein solcher Ringtausch wäre „lediglich eine weitere peinliche Pirouette“ von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). „Die Bundesregierung lässt die Ukraine in einer hochdramatischen Lage im Stich.“

Seit Monaten bitte das Land um Taurus-Marschflugkörper, sagte Wadephul. „Was es jedoch bekommt, ist eine ebenso traurige wie schädliche deutsche Debatte voller Ausflüchte des Kanzleramtes.“ Der russische Präsident Wladimir Putin könne dies nur als Schwäche des Westens wahrnehmen. „Er wird in seiner brutalen Annexionspolitik ermutigt, statt an den Verhandlungstisch gezwungen zu werden“, sagte der CDU-Politiker. „Das scheint Olaf Scholz noch immer nicht begriffen zu haben.“ (afp)

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