Deutsche Haltung zum Krieg in Gaza: Schärfere Töne gegen Israel

Nach dem Angriff auf einen Hilfskonvoi im Gazastreifen fordern mehrere Op­po­si­ti­ons­po­li­ti­ke­r:innen, Waffenlieferungen nach Israel zu stoppen.

Blick aus der Vogekperspektive auf die total zerstörte Gaza-Stadt.

Spuren der Zerstörung: die Umgebung des Schifa-Krankenhauses nach einer zweiwöchigen Militäroperation der Israelis in Gaza-Stadt Foto: Omar Ishaq/dpa

BERLIN taz | „‚Unbeabsichtigter Angriff‘, was soll das sein? Und wie oft hat es solche Schläge auch gegen Palästinenserinnen und Palästinenser gegeben?“, schrieb die SPD-Politikerin Aydan Özoguz kurz nach dem tödlichen israelischen Angriff auf Helfer im Gazastreifen auf X (früher Twitter). Das sei keine Verteidigung mehr. Und: „Möchte Netanyahu jemals Frieden?“, fragte sie.

Der israelische Angriff auf einen humanitären Hilfskonvoi der Organisation World Central Kitchen, bei dem sieben Helfer aus unterschiedlichen Ländern getötet wurden, hat weltweit für Empörung gesorgt. Viel spricht dafür, dass sie gezielt beschossen wurden. Der US-Verteidigungsminister fordert von Israel konkrete Schritte zum Schutz von Helfern. Polens Ministerpräsident Donald Tusk forderte Israel auf, den Hinterbliebenen der getöteten Helferinnen und Helfer Entschädigungen zu zahlen.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock fordert zunächst einmal Aufklärung: „Die israelische Regierung muss diesen schrecklichen Vorfall schnell und gründlich untersuchen“, schrieb die Grünen-Politikerin schon am Dienstag auf der Plattform X. „Solche Vorfälle dürfen nicht passieren.“

Der linken Opposition reicht das als Reaktion nicht aus. Alle Waffenlieferungen nach Israel müssten sofort gestoppt werden, fordern Gregor Gysi und Martin Schirdewan, der Vorsitzende der Linkspartei, in einer ungewöhnlich scharfen Erklärung. Nach UN-Angaben seien in diesem Krieg bereits mehr als 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen getötet worden – „überwiegend Palästinenser, bei denen es nie eine Reaktion oder Entschuldigung der israelischen Regierung gab“. Der Tod der sieben Mitarbeiter von World Central Kitchen sei daher „kein Einzelfall“.

Auch ihre ehemalige Parteigenossin Sahra Wagenknecht fordert, die Bundesregierung solle mit einem Waffenembargo reagieren. Es sei „zutiefst heuchlerisch, wenn einerseits international humanitäre Hilfe organisiert wird, anderseits westliche Staaten Waffen liefern, um das Töten von vor allem Frauen und Kindern fortzusetzen“, so die Vorsitzende der neuen Partei Bündnis Sahra Wagenknecht.

Kanada liefert keine Waffen mehr

Kanada hatte bereits vor dem tödlichen Angriff auf die Hilfsorganisation World Central Kitchen angekündigt, keine Waffen mehr an Israel zu liefern, wie die kanadische Außenministerin Mélanie Joly am Dienstag bestätigte. Die Situation vor Ort mache es „unmöglich“, irgendeine Art von militärischer Ausrüstung nach Israel zu exportieren. In Großbritannien haben jetzt 600 britische Juristen an die Regierung von Premier Rishi Sunak appelliert, alle Waffenverkäufe an Israel zu stoppen.

Mehrere deutsche Geisteswissenschaftler fordern die Bundesregierung ebenfalls zu einem Kurswechsel gegenüber Israels Regierung auf. „Die Strategie der bedingungslosen Unterstützung Israels ist gescheitert“, schreiben sie in einem offenen Brief. Es sei „höchste Zeit, den Kurs zu ändern“. Die Forscher sehen es als erwiesen an, dass Israel in Gaza Kriegsverbrechen begeht. Die Bundesregierung müsse daher bereit sein, „das Verhalten der aktuellen israelischen Regierung zu verurteilen und zu sanktionieren“.

Der Bundesregierung machen die Wissenschaftler überdies den Vorwurf, mit ihrer gegenwärtigen Haltung internationale Institutionen zu schwächen. Weder habe sie es verurteilt, dass UN-Mitarbeiter und Helfer des Roten Halbmonds durch die israelische Armee getötet wurden, noch habe sie die Angriffe der israelischen Regierung auf die UNO, die WHO und insbesondere ­UNWRA kritisiert. Stattdessen setze sich Deutschland dafür ein, Israel vor internationalen Gerichten vor Kritik in Schutz zu nehmen. Sie bezweifeln, dass das israelische Vorgehen der Sicherheit des Landes diene: Der Krieg in Gaza könne vielmehr die Feindseligkeiten verschärfen und zu weiterer Radikalisierung führen, fürchten sie.

Die Bundesregierung hat ihren Ton gegenüber Netanjahu zuletzt zwar verschärft. Vor echten Konsequenzen wie einem Stopp von Waffenlieferungen scheut sie aber noch zurück. Aydan Özoguz sieht trotzdem Bewegung. Sowohl der Kanzler als auch die Außenministerin hätten in den vergangenen Wochen eine Waffenpause und mehr humanitäre Hilfe gefordert, sagte die SPD-Politikerin der taz. „Das macht mir Hoffnung.“

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